Früher war nicht alles besser . . .

Homburg · Im Licht der Geschichte betrachtet, war das vergangene Jahr – trotz Terror, Mobbing, Ellbogengesellschaft, politischen Verwerfungen – auch nicht schlimmer als zu anderen Zeiten. Es kommt eben auf den Standpunkt an. Johannes Göddel vom SPG hat sich Gedanken darüber gemacht.

 Mahnmal für die Zukunft auf dem Homburger Hauptfriedhof: Schüler des Saarpfalz-Gymnasiums, allesamt Autoren des Buches „Der Große Krieg“, mit ihrem Lehrer Eberhard Jung auf dem Gräberfeld für die Gefallenen beider Weltkriege. Foto: SPG/Eberhard Jung

Mahnmal für die Zukunft auf dem Homburger Hauptfriedhof: Schüler des Saarpfalz-Gymnasiums, allesamt Autoren des Buches „Der Große Krieg“, mit ihrem Lehrer Eberhard Jung auf dem Gräberfeld für die Gefallenen beider Weltkriege. Foto: SPG/Eberhard Jung

Foto: SPG/Eberhard Jung

Die AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums ist der Ansicht, dass es früher nicht besser war.

2016 - das zu Ende gehende Jahr brachte viele Zeitgenossen an den Rand der Verzweiflung. Terroristische Anschläge, sinnloses Morden im syrischen Krieg, in Afghanistan, im Irak, in der Ukraine und in anderen Krisenherden, Flüchtlingsströme nach Europa, Verletzungen von Menschenrechten, Umweltkatastrophen, Zerreißproben in der schwächelnden Europäischen Union, Brexit und die Wahl eines unberechenbaren Populisten zum amerikanischen Präsidenten - wer kann das noch begreifen? Die Welt ist im Zeitalter der Digitalisierung aus den Fugen geraten, Diktatoren und radikale Gruppen haben weltweit großen Zulauf, Mobbingattacken nehmen in der Ellbogengesellschaft zu, Anstand und Ehrlichkeit stecken in einer Krise. Man macht sich Sorgen um die Zukunft. Aber ein Blick zurück auf frühere Jahrhunderte belehrt uns, dass es den Menschen in der Vergangenheit nie besser ging.

Vor 500 Jahren, im Zeitalter der Renaissance, waren sie als Untertanen ohne Menschenrechte gnadenlos der Willkür der Herrschenden unterworfen, Außenseiter und Kritiker wurden Opfer von Denunziation und Inquisition, neue Erfindungen und Entdeckungen erschütterten den Glauben und das Weltbild. Vor 400 Jahren, im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges (1618-48), trieben religiöse Konflikte einem Höhepunkt zu, Hexenwahn, Seuchen, Massensterben und Armut vermittelten die Empfindung, das Leben sei ein Jammertal. Vor 300 Jahren sorgte das Zeitalter des Absolutismus zwar an den Fürstenhöfen für neuen Glanz, doch das Dasein der Massen war geprägt durch geringe Lebenserwartungen, Arbeit, Armut und Hunger. Die Aufklärung, das Zeitalter der Vernunft, sorgte zwar für eine Abmilderung von Missständen, aber beseitigt wurden sie nicht.

Oft wirkten die Aufklärer ähnlich hilflos wie im 20. und 21. Jahrhundert der Völkerbund und seine Nachfolgeorganisation, die Uno. Vor 200 Jahren waren die napoleonischen Kriege zu Ende, aber die Neuordnung Europas brachte nicht die erhofften Verbesserungen. Die Mächtigen setzten sich mit eiserner Gewalt durch, die Untertanen hatten wenig zu lachen, Freiheitsgedanken wurden unterdrückt, nur die Gedanken waren frei, an Urlaub als Erholung von den Arbeitsstrapazen des Alltags war noch nicht zu denken.

Vor 100 Jahren wütete der Erste Weltkrieg (1914-18). Die erbitterte Schlacht in der "Hölle von Verdun", in der sich vom 21. Februar bis 19. Dezember 1916 die deutsche und französische Armee gegenüberstanden, vernichtete 300 000 Soldatenleben. Weitere 400 000 überwiegend junge Männer wurden verwundet, gefangen oder blieben vermisst. Bei der Schlacht an der Somme in der zweiten Jahreshälfte 1916 lagen die Verluste der getöteten und verwundeten Soldaten sogar über einer Million. Maschinengewehre, monströse Artilleriegeschütze wie die "dicke Bertha", Granat- und Flammenwerfer, Kriegsflugzeuge, U-Boote mit Torpedos, Panzer und Giftgas waren die Waffen eines erbarmungslos betriebenen Vernichtungskrieges. An der Heimatfront des Deutschen Reiches plagten Hunger und Elend, Krankheiten und Siechtum aufgrund von Unterernährung und Seelenqualen. Der Steckrübenwinter 1916/17, ausgelöst durch Missernten und die kriegsbedingte englische Seeblockade, forderte tausende Todesopfer. Die Aussichten auf 1917 waren keineswegs hoffnungsvoll: Das Massensterben nahm kein Ende, die USA griffen mit frischen, gut ausgerüsteten Truppen in den Krieg ein, die drohende deutsche Niederlage ließ verhängnisvolle Wiedergutmachungen befürchten und die russische Oktoberrevolution bewirkte neue Konfrontationen.

Vor einigen Monaten hat unsere AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums ein umfangreiches Buch über den Ersten Weltkrieg herausgegeben. Ich habe auch Texte dazu geschrieben, unter anderem über meinen Urgroßvater Otto Göddel, der bei den Gebirgsjägern war und in den Alpen und anderen Einsatzgebieten kämpfte. Er hatte Glück und überlebte. Die Informationen darüber habe ich in seinem Kriegstagebuch nachgelesen. Darin beschreibt er unter anderem sein Leid und das seiner Kameraden. Beispielsweise seien an einem Tag über dreihundert Menschen umgekommen. Ich bin froh, dass ich diese Zeit nicht miterlebt habe. Da geht's uns heute in Deutschland viel besser. Unsere Freiheiten und unser Entfaltungsspielraum waren noch nie so groß wie heute. Wir sollten aber aufpassen, dass wir das Erreichte nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Frieden ist das wichtigste Ziel! Ich bin davon überzeugt, dass wir, wenn wir alle hilfsbereit zusammenarbeiten und andere menschenwürdig behandeln, die Zahl der Kriege und Krisen in der Welt vermindern können. Trotz beklemmender Aussichten bleibt die Hoffnung auf ein gutes Jahr 2017 groß.

 Recherchen der AG Geschichte über den Ersten Weltkrieg im Stadtarchiv Homburg, wo sie von Hans-Joseph Britz (links) und Karina Kloos (Vierte von links) betreut werden. Neben Stadtarchivar Britz: Lehrer Eberhard Jung und Johannes Göddel, der Verfasser dieses Berichts. Foto: SPG/E. Jung

Recherchen der AG Geschichte über den Ersten Weltkrieg im Stadtarchiv Homburg, wo sie von Hans-Joseph Britz (links) und Karina Kloos (Vierte von links) betreut werden. Neben Stadtarchivar Britz: Lehrer Eberhard Jung und Johannes Göddel, der Verfasser dieses Berichts. Foto: SPG/E. Jung

Foto: SPG/E. Jung
 Armer „Kerbricher Bub" vor rund 100 Jahren (Name unbekannt): Er scheint zu ahnen, was ihn an der Front erwartet. Foto: Pfarrer-Alfons-Gebhart-Archiv Kirrberg

Armer „Kerbricher Bub" vor rund 100 Jahren (Name unbekannt): Er scheint zu ahnen, was ihn an der Front erwartet. Foto: Pfarrer-Alfons-Gebhart-Archiv Kirrberg

Foto: Pfarrer-Alfons-Gebhart-Archiv Kirrberg
 Die Geschichts-AG am Saarpfalz-Gymnasium war wiederholt mit ihrem Lehrer Eberhard Jung auf dem Homburger Ehrenfriedhof für die Opfer beider Weltkriege, gegenüber dem Hauptfriedhof. Foto: SPG/EJ

Die Geschichts-AG am Saarpfalz-Gymnasium war wiederholt mit ihrem Lehrer Eberhard Jung auf dem Homburger Ehrenfriedhof für die Opfer beider Weltkriege, gegenüber dem Hauptfriedhof. Foto: SPG/EJ

Foto: SPG/EJ

Johannes Göddel (9d) und die AG Geschichte des Saarpfalz-Gymnasiums

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