Flüchtlinge brauchen Hilfe

Homburg · Bis zum Jahresende werden etwa 115 Flüchtlinge in Homburg sein, verteilt von der Landesaufnahmestelle in Lebach seit Oktober 2013. Für nächstes Jahr werden doppelt so viele erwartet. Fast alle kommen aus Syrien. Die Stadt sucht dringend nach Wohnungen.

 In einem Sprachkurs lernen die Flüchtlinge – zum Beispiel bei der Homburger Tafel – erste deutsche Sätze. Englisch-deutsche Wörterbücher sind jedoch Mangelware. Foto: Stumm /SZ-Redaktion

In einem Sprachkurs lernen die Flüchtlinge – zum Beispiel bei der Homburger Tafel – erste deutsche Sätze. Englisch-deutsche Wörterbücher sind jedoch Mangelware. Foto: Stumm /SZ-Redaktion

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Fünf Stunden treibt er im Meer vor Italien, schwimmt um sein Leben, ringsum sind hohe Wellen, das Boot ist zerstört. Irgendwann greifen ihn die italienische Küstenwache und Marine auf und bringen ihn an Land. Viele, die mit ihm auf dem Boot waren, sterben. Er überlebt. Sitzt jetzt in einem Raum der Homburger Tafel und spricht mit den anderen Schülern Sätze nach: "Den wievielten haben wir heute?". Er und die anderen jungen Männer, insgesamt 15, lernen hier Deutsch, alle sind sie aus ihren krisen- und kriegsgeschüttelten Ländern Syrien und Eritrea geflohen, erzählen sie. Sie haben Schreckliches erlebt, irrten mit Booten tagelang auf dem Meer herum, sahen kranke Frauen und Kinder. Jetzt sind sie in Sicherheit, doch sie vermissen ihre Familien, die sie zurücklassen mussten: die Frau, den dreijährigen Sohn, die Eltern, Schwestern, Brüder. Sie hoffen darauf, sie irgendwann nachholen zu können. Angesichts dieser Schicksale wirkt die Situation im Sprachkurs fast unwirklich. Sie wollen lernen, das merkt man, wollen arbeiten, ihre Ausbildung beenden. Manche haben schon allein begonnen, sich die Sprache beizubringen.

In Homburg ist die Zahl der Flüchtlinge in den vergangenen Wochen weiter gestiegen. Waren es Anfang Oktober 67 Flüchtlinge (gerechnet seit Oktober 2013), die von der überbelegten Landesaufnahmestelle in Lebach verteilt wurden, sind nun 105 hier, vorrangig aus Syrien , einige aus Eritrea , informiert Ingrid Braun, Leiterin des Homburger Amts für Frauen, Jugend, Senioren und Soziales. Das war der Stand vom vergangenen Donnerstag. Bis zum Jahresende werden es wohl 113 Personen sein. Im kommenden Jahr erwartet sie um die 200 Flüchtlinge, "wenn es so bleibt, wie angekündigt".

Trotz des Vorstoßes des neuen Saar-Innenministers Klaus Bouillon (CDU ) in Sachen Unterbringung bleibt die Wohnungssituation in Homburg "nach wie vor sehr angespannt", sagt Braun. Es seien zwar Wohnungen angeboten worden, einige lägen möglicherweise im Preissegment, das noch bezahlt werden kann, es seien aber auch Wohnungen offeriert worden, die "vom Zustand her nicht geeignet sind", so Braun weiter. "Ich hoffe, dass wir es im Januar irgendwie hinbekommen. Wir bemühen uns, noch Wohnraum aufzutun", fügt sie hinzu. Wohnen ist das eine, sich zurechtfinden, die Sprache zu lernen, um eventuell später auch Perspektiven zu haben, das andere.

"Offizielle" Sprachkurse dürfen die Flüchtlinge noch nicht besuchen. Erst dann, wenn sie den Aufenthaltstitel erteilt bekämen, könnten sie zum Jobcenter wechseln - zu den regulären Angeboten, informiert Braun. Und bis dahin? Die meisten sprechen kein Wort Deutsch, einige nicht einmal Englisch. Allerdings gibt es etliche Menschen, die ehrenamtlich helfen. Maria Dussing-Schuberth zum Beispiel, sie war früher Deutschlehrerin und hat sich spontan entschlossen, etwas zu tun. Einen SZ-Artikel über die Flüchtlinge, die zur Homburger Tafel kommen, habe sie gelesen. "Unterrichten kann ich", war der Grundgedanke - und so entstand der Sprachkurs (weitere Angebote siehe Extra-Text).

Die zweite richtige Stunde ist das heute, Begrüßung steht an und weitere Alltagssätze: Die Männer lernen, zu sagen, woher sie kommen, wie alt sie sind. Bei manchen klappt das ganz gut, andere haben sehr große Mühe. Auch um Weihnachten soll es gehen, darum hat Lehrerin Dussing-Schuberth Lebkuchen mitgebracht. Einer der jungen Männer kocht Kaffee und Tee, manchmal lachen sie kurz und erlauben kleine Blicke auf ihr früheres Leben. Und plötzlich ist das eben keine Flüchtlingswelle mehr, sondern es sind Menschen, die als Konditor, Buchhalter, als Jurist bei Handelsfirmen oder für Unicef gearbeitet haben, Videos drehten, zum Beispiel bei Hochzeiten, Betriebswirtschaftslehre oder Zahnmedizin studierten.

Für sie ist es noch ein langer Weg, nicht nur, was die Sprache angeht. Das wissen sie selbst. Und während sie vorsichtig die Schoko-Lebkuchen probieren, bringt Lehrerin Dussing-Schuberth noch eine Bitte an: "Wir brauchen dringend Wörterbücher, deutsch-englisch und englisch- deutsch."
Deutschkurse bei der Caritas

Auch in Kirkel sind Ehrenamtliche engagiert - Spenden immer willkommen

Erste Deutschkurse für Flüchtlinge gibt es an diversen Stellen. So bietet zum Beispiel eine ehemalige Lehrerin einen solchen Kurs in Leibs Heisje in Limbach an, informiert der Leiter des Sozialbüros der Gemeinde Kirkel, Wolfgang Steiner. Die Flüchtlinge kämen im Rahmen der Betreuung "auf uns zu", führt er aus.

Bereits seit zwei Jahren hat die Caritas solche Kurse im Angebot - sehr gut besucht seien diese und als Lebens- und Kommunikationstraining zu sehen , sagt der Leiter des Caritas-Zentrums Saarpfalz, Andreas Heinz. Entstanden sei der Deutschkurs noch vor der Verschärfung der Flüchtlingssituation als Angebot für männliche Migranten, für Frauen habe es bereits einen Kurs über das Kreis-Frauenbüro gegeben. Man könne allerdings nicht einfach so dorthin kommen, das laufe über die Caritas . Insgesamt bietet die Caritas drei Kurse, einen in Homburg , zwei in St. Ingbert an. Ein Kurs für Kinder sei geplant. Zudem übten Ehrenamtliche mit den Flüchtlingen Alltagssituationen: etwa wie man einkauft oder Bus fährt.

Beim Kurs in den Räumen der Homburger Tafel werden dringend englisch-deutsche Wörterbücher gesucht, auch solche nach der alten Rechtschreibung und Bücher mit Gebrauchsspuren sind willkommen. Wer anderes spenden möchte: Kleider, Handtücher, Bett-, Tischwäsche, Schuhe, Spielzeug kann man zum Beispiel bei der Tafel in der Inastraße 1 in Erbach montags und freitags von 8 bis 14 Uhr abgeben. In St. Ingbert, Elversberger Straße 53, mittwochs von 8 bis 14 Uhr. Info: Telefon (0 68 41) 9 59 89 87 oder www.homburger-tafel.de . Wer etwa Möbel oder Haushaltsgegenstände spenden möchte, kann dies in Sozialkaufhäusern tun, so Sozialamtsleiterin Ingrid Braun. So gibt es etwa in Limbach das besondere Kaufhaus "Leuchtender Stern", Montag bis Freitag, 10 bis 18 Uhr, Samstag, 10 bis 14 Uhr. Info: Tel. (0 68 41) 9 73 50 10.

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