Ein Gespräch mit der Zeitzeugin Doris Deutsch

Homburg · Schüler des Saarpfalz-Gymnasiums beschäftigen sich als Vorbereitung aufs Abitur im Deutschunterricht mit dem Thema „Heimatverlust und Exil“ . Eine Schülerin berichtet im Rahmen unseres Zeitungsprojekts über ihre Begegnung mit Doris Deutsch, der Witwe von Alex Deutsch.

 Doris Deutsch, die Witwe von Alex Deutsch, ist in vielen saarländischen Schulen zu Gast, wo sie über die Nazi-Zeit erzählt und auch ihr persönliches Schicksal schildert. Am Saarpfalz-Gymnasium ist sie Stammgast, wie zuvor auch ihr Mann. Foto: Johannes Bodwing

Doris Deutsch, die Witwe von Alex Deutsch, ist in vielen saarländischen Schulen zu Gast, wo sie über die Nazi-Zeit erzählt und auch ihr persönliches Schicksal schildert. Am Saarpfalz-Gymnasium ist sie Stammgast, wie zuvor auch ihr Mann. Foto: Johannes Bodwing

Foto: Johannes Bodwing
 Vor fünf Jahren war Alex Deutsch noch am Saarpfalz-Gymnasium zu Gast. Er starb im Jahr 2011. Foto: Jung/SPG

Vor fünf Jahren war Alex Deutsch noch am Saarpfalz-Gymnasium zu Gast. Er starb im Jahr 2011. Foto: Jung/SPG

Foto: Jung/SPG

Da wir uns bei der Vorbereitung auf das Deutsch-Abitur mit dem Thema "Heimatverlust und Exil " beschäftigen, hat unser Tutor Eberhard Jung für uns ein Zeitzeugengespräch mit Doris Deutsch, der Witwe des Auschwitz-Überlebenden Alex Deutsch, ermöglicht.

Sie präsentierte sich in unserem Kursraum als äußerst umgängliche Dame, die uns Schüler mit ihren spannenden Erzählungen sofort in ihren Bann zog. Dabei zeigte sie auf, wie schlimm es ist, wenn man seine vertraute Heimat verlassen muss. Das demonstrierte sie am Beispiel ihres ersten Ehemannes Karl Löb, der im Dritten Reich als Jude nach Auschwitz deportiert wurde, und ihres zweiten Ehemannes Alex Deutsch, der ein ähnliches Schicksal erlitt, aber auch anhand ihres eigenen Werdeganges zurzeit des Zweiten Weltkrieges. Um den judenfeindlichen Maßnahmen der Nazis zu entkommen, floh Alex Deutsch bereits 1936 von Hamburg aus mit dem Schiff nach Brasilien. Drei Wochen dauerte die Überfahrt. Als er jedoch in Rio eintraf, ließ man ihn nicht von Bord. Darüber schrieb ein Journalist in Brasilien einen Zeitungsbericht.

Er kannte Alex von seinem Aufenthalt im jüdischen Waisenhaus Berlin-Pankow und war zuvor ebenfalls aus Deutschland emigriert. Mit seinem Engagement erwirkte er schließlich, dass Alex das Schiff verlassen durfte, und er vermittelte ihm auch eine Arbeitsstelle in einer brasilianischen Militärbäckerei.

Als dort jedoch eine Ausweiskontrolle durchgeführt wurde, floh Alex aus Angst vor einer Inhaftierung wegen fehlender Papiere. Mit Hilfe der österreichischen Botschaft konnte er wieder nach Deutschland zurückkehren. Aber dort geriet er ganz schnell in die Fänge der Nazis. Er wurde zur Zwangsarbeit bei einem Bauunternehmen verpflichtet und musste nach dem Abriss von Häusern den Schutt beseitigen, denn als Jude durfte er nicht mehr als Bäcker arbeiten.

Deshalb wollte er kurz danach erneut ins Ausland emigrieren. 1939 verzichtete er jedoch auf seine Ausreise-Genehmigung zugunsten seines neugeborenen Neffen. Eine folgenschwere Entscheidung, denn am 27. Februar 1943 wurde er auf seiner Arbeitsstelle in Berlin verhaftet und ebenso wie seine jüdische Frau Thea sowie sein zweijähriger Sohn Dennis nach Auschwitz verschleppt. Während Frau und Kind sofort nach der Ankunft im Vernichtungslager vergast wurden, überlebte Alex sämtliche Torturen. 1946 emigrierte er in die USA und baute sich dort eine neue Existenz auf. Das war jedoch mit allergrößten Schwierigkeiten verbunden. So geriet er zum Beispiel in St. Louis als Weißer in die Rassenunruhen , wurde mehrfach Opfer von Raubüberfällen und lernte nach dem Tod seiner zweiten Frau durch eine glückliche Fügung des Schicksals Doris Löb kennen, die Witwe seines KZ-Mithäftlings Karl Löb.

Mit ihr begann er in Wiebelskirchen ein gemeinsames Leben, denn sie hatte es abgelehnt, ihre Heimat zu verlassen, um zu ihm in die USA zu ziehen. Der Heimatverlust hatte ihr bereits als Kind sehr zu schaffen gemacht. Ähnlich wie bei den Kinderlandverschickungen in der Endphase des Zweiten Weltkriegs wurde sie wegen der Gefahrenlage von ihrer Mutter getrennt und musste bei den Großeltern in Esslingen leben. Dort erhielt sie als Siebenjährige per Brief die Nachricht vom Tod ihres geliebten Vaters, der im Kriegseinsatz in Holland gefallen war. Ein Schock auch für sie, aber auch ihre Mutter. Beide mussten in der Folgezeit ohne Ernährer mit großen Entbehrungen zurechtkommen.

Viele beeindruckende Details erzählte uns Doris Deutsch aus der düstersten Phase der deutschen Geschichte. Es ging um gnadenlose Willkürakte eines diktatorischen Staates, um das schwere Los der Unterdrückten und Außenseiter der Gesellschaft, den unbändigen Überlebenswillen von entrechteten Juden in aussichtslos erscheinenden Situationen, bedingungslose Liebe und andere ergreifende Themen. Ich fand es sehr bewegend, mit wie vielen Gefühlen und spürbarer Liebe Doris Deutsch von ihrem Mann Alex und seinem Leben erzählte. Sie muss eine große Stütze für ihn gewesen sein. Am Ende zeigte sie uns noch eine Sammlung von Fotos aus ihrer Kindheit und aus der Zeit mit Alex.

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