Ein Buch voller Überraschungen

Homburg · Wie sah es vor über 100 Jahren in der Saarpfalz aus? Die Fotografie, erst ein Handwerk für Fachleute, eroberte um 1900 die Massen, es gab erstmals Postkarten und Ansichten für alle. Aus dieser Zeit stammen viele Fotos für das Buch.

Wenn historische oder idyllische Orte einfach von der Bildfläche verschwunden sind, wird gerne die Schuld auf den Krieg geschoben.

Nun will niemand die beachtlichen Kriegszerstörungen klein reden, vor allem nicht im Bliesgau, wo noch bis in die letzten Kriegstage im April 1945 hart gekämpft wurde. Die protestantische Kirche in Walsheim, deren Entstehung sich bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, bot nach 1945 einen schrecklichen Anblick, ohne Dach, geschwärzt und beschädigt steht sie da.

Doch viele historische Gebäude, und das ist nicht rühmlich, wurden erst zwischen 1950 und 1970 abgerissen oder unwiederbringlich zerstört. In dem jüngst erschienenen Buch ,,Die Saarpfalz in alten Ansichten" kann man auf Spurensuche gehen und sich fragen, wo wohl einst der Küchengarten des Blieskasteler Schlosses lag oder wo in Limbach ,,Lehmanns Wirtschaft" stand. Im Falle von Blieskastel wurde auf das idyllische Grundstück eine Schule draufgesetzt, im Falle von Limbach musste das Wirtshaus einer Straße weichen.

Solchen Erinnerungen können ältere Bürger nachhängen und so einiges in dem Buch wiedererkennen. Für jüngere Saarpfälzer ist das Buch eher ein interessantes Nachschlagewerk, vor allem, wenn es um das 19. Jahrhundert geht, aus dem sehr alte Fotos neu aufgelegt wurden.

Zum Beispiel, als die Saarpfalz noch zu Bayern gehörte und der Prinzregent Luitpold 1888 sogar bis St. Ingbert kam, um die damals sechstgrößte Industriestadt seines Reichs zu besuchen. Aus der Zeit der bayrischen Pfalz stammt auch das Titelbild des Buches, es wurde 1911 in St. Ingbert aufgenommen, anlässlich des 25. jährigen Thronjubiläums des beliebten bayrischen Prinzregenten.

Die zu diesem Anlass gepflanzte Eiche gibt's zwar nicht mehr, aber die Platte befindet sich im St. Ingberter Stadtarchiv. Der Platz, auf dem die feierlich gekleideten Bergleute stehen, existiert auch nicht mehr, heute befindet sich dort das Caritas-Seniorenheim St. Barbara.

Rund 160 Fotos, die zum Teil noch nicht veröffentlicht wurden, haben der Denkmalpfleger des Saarpfalz-Kreises, Bernhard Becker und sein Mitarbeiter Martin Baus in ihr neues Buch "Die Saarpfalz in alten Ansichten" aufgenommen. Die historisch markantesten Fotos stammen aus der bayrischen Zeit, sie sind auch die ältesten im Buch.

Seltensheitswert hat eine Innenstadtaufnahme (1905) von St. Ingbert, auf der das gerade fertiggestellte Postgebäude aus rotem Sandstein zu sehen ist, das heute unter Denkmalschutz steht. Gegenüber befindet sich immer noch das schöne Jugendstilhaus mit der Traditions-Gastwirtschaft ,,Zur Post", die von dem Wirt Matthias Hasler betriebn wird.

Die Zeitspanne der Aufnahmen reicht von den frühen Anfängen der Fotografie bis in die zweite Nachkriegszeit. Die Fotos, die sowohl aus eigenem Fundus als auch aus kommunalen Archiven und privaten Sammlungen stammen, zeigen historische Kulturlandschaften sowie Dorf- und Hausansichten. Sie geben Einblicke in das damalige Alltags- und Arbeitsleben und dokumentieren den baulichen Wandel in der Saarpfalz. Landrat Theophil Gallo bedankte sich bei allen Bürgern, die alte Fotos hervorgekramt und für das Buch zur Verfügung gestellt haben. Es sei, so Gallo, darauf geachtet worden, dass alle Orte der heutigen Saarpfalz darin abgebildet sind, von Utweiler bis Homburg, von Bexbach bis Altheim.

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Zusammengestellt und geschrieben haben das Buch der Kreisdenkmalpfleger Bernhard Becker und sein Kollege Martin Baus. Neben dem Abbild des Alltags in der Saarpfalz zwischen 1890 und 1950 sind auch historische Besuche in dem Buch eingefangen worden, darunter 1919 der Besuch des des französischen Generals Pétain in Homburg, 1935 kam Hitler erstmals nach St. Ingbert und 1953 war Theodor Heuss im ersten Bexbacher Kraftwerk St. Barbara zu Gast. Das Buch "Die Saarpfalz in alten Ansichten" ist im Sutton Verlag Erfurt erschienen, 128 Seiten, 160 Abbildungen, ISBN-Nummer: 978-3-95400-499-7, Preis: 20 Euro.

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