„Die Wertigkeit von Dingen verschiebt sich“

Jägersburg · Er ist ein bemerkenswerter Mann: Als Marco Emich 2002 das Trainer-Amt beim Fußball-Saarlandligisten FSV Jägersburg übernahm, war Gerhard Schröder noch Bundeskanzler. Nicht nur im Fußballgeschäft sind zwölfeinhalb Jahre eine halbe Ewigkeit. SZ-Redakteur Stefan Regel sprach mit Emich über seine Rolle als Trainer, die „Winter-Meisterschaft“ in der Saarlandliga und auch über seine Nierenspende.

 Seit 2002 gibt Marco Emich als Trainer den Spielern des FSV Jägersburg Anweisungen. Bei seinem Heimatverein gehört Emich schon fast zum Inventar. Foto: Markus Hagen

Seit 2002 gibt Marco Emich als Trainer den Spielern des FSV Jägersburg Anweisungen. Bei seinem Heimatverein gehört Emich schon fast zum Inventar. Foto: Markus Hagen

Foto: Markus Hagen

Herr Emich, Sie sind seit 2002 Trainer beim FSV Jägersburg. Brauchen Sie noch ein Navi, um ein Stadion zu finden?

Marco Emich (lacht): Nein, eigentlich nicht. Wobei ich dieses Jahr zum ersten Mal im Leben auf dem Sportplatz in Merchweiler war.

Ist das nicht langweilig?

Emich: Nein. Durch die lange Zeit, die ich im Fußball bin, hat man viele Leute kennengelernt. Man trifft überall jemanden, den man kennt. Gegen den man mal gespielt hat. Das ist schön.

Beim FSV kennen Sie wohl auch jeden. Sie haben in Jägersburg gebaut. Ihr Vater Gerhard war 30 Jahre lang Platzwart, Ihre Frau Sabine ist immer dabei. Ihr Sohn Lukas spielt jetzt in der zweiten Mannschaft. Was zeichnet Ihren Heimatverein aus?

Emich: Der FSV ist ein gut geführter Verein. Das ist auch bei Leuten von außerhalb bekannt. Und es ist ein familiärer Verein.

Ihr Team spielt in dieser Saison in der Tabelle ganz oben mit. Sind Sie überrascht?

Emich: Etwas schon. Nach Platz neun im Vorjahr war das Ziel, unter die ersten Sechs, Sieben zu kommen. Dass wir ganz oben sind, konnte man nicht ahnen. Uns war aber vor der Saison bewusst, dass der Kader diese Saison besser ist als vergangene.

Momentan sieht es nach einem Dreikampf zwischen dem FSV, Auersmacher und Bübingen aus.

Emich: Ich rechne damit, dass der VfL Primstal und Halberg Brebach noch dazu kommen. Die Fußball-Saarlandliga ist stark. Und sie ist eng. Am Ende wird es daher auf die Konstanz ankommen. Und es wird wohl bis zum allerletzten Spieltag richtig spannend bleiben.

Zwölfeinhalb Jahre - damit sind Sie dienstältester Trainer in der Saarlandliga. Andere Kollegen sagen zum Teil schon nach drei Jahren, dass es sich abgenutzt hat und sie oder der Verein etwas Neues machen wollen.

Emich: In dieser Zeit hat sich die Mannschaft ja ausgetauscht. Und ich habe gerne mit meinen Spielern zu tun.

Beim FSV wird allgemein Kontinuität groß geschrieben.

Emich: Ja, es ist auch keine Seltenheit, dass Spieler bei uns sechs oder sieben Jahre spielen. Die Spieler wissen, was sie am Verein haben. Und umgekehrt weiß der Verein: Wir haben eine intakte Truppe. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist auch etwas, was uns diese Saison auszeichnet. Deshalb sind Spieler auch meist längere Zeit bei uns.

Das wäre auch im Falle eines Aufstiegs in die Oberliga so?

Emich: Ja, der Stamm von den Jungs sollte bleiben. Was es mit Sicherheit nicht gäbe, ist, dass wir dann einen 33-Jährigen holen, der früher mal Regionalliga gespielt hat.

Wie steht die Vereinsführung zur Oberliga?

Emich: Sie wäre machbar. Im Falle einer sportlichen Qualifikation würden die Spieler das gerne machen.

Im Winter laufen ja immer Vertragsgespräche, ist das beim FSV Formsache?

Emich: Beim letzten Mal hat es keine 30 Sekunden gedauert. Ich war im Büro von Werner Finken, er hat gefragt, ob ich weitermachen möchte. Ich habe ,Ja' gesagt, und das war's.

Was sind Sie für ein Trainer?

Emich: Ich bin ein kommunikativer Trainer und Mensch. Ich habe gerne mit meinen Spielern zu tun, ziehe mich mit in der Kabine um. Auch wenn ich weiß, dass dann manches nicht gesprochen wird (lacht). Ich hatte als Spieler ja schon einige Trainer, da nimmt man von jedem was mit. Im Guten wie im Schlechten. Das Einzige, was ich nicht mache, ist, mit den Spielern wegzugehen. Ich verbringe ja auch sonst schon viel Zeit mit dem Fußball.

Drei Mal Training die Woche, samstags Spiel, sonntags die Zweite schauen, dazu Pokalspiele, Gegner beobachten, Trainingsvorbereitung. Der Zeitaufwand als Trainer ist groß. Hätten Sie manchmal gerne mehr Zeit für sich selbst?

Emich: Bisher haben Sommer- und Winterpause ausgereicht, um Zeit für mich zu haben. Früher war es schwierig, da konnten wir nur in den Schulferien weg. Ich wollte aber nicht in der Saison oder Vorbereitung wegfahren. Wenn ich etwas mache, ziehe ich das auch durch. So ist meine Frau auch mal mit unserem Sohn alleine weggefahren. Was ich immer mache, ist im Winter ein paar Tage Skifahren.

Bei so viel Aufwand geht es ohne Unterstützung nicht?

Emich: Das ist richtig. 15, 16 Stunden pro Woche sind es schon immer. Mein Arbeitgeber, die Volksbank Saarpfalz, unterstützt mich da sehr. Auch meine Frau Sabine. Sie hat mich ja schon so kennengelernt.

Mit Ihrer Frau verbindet Sie eine besondere Geschichte.

Emich: Sie war krank und hat eine Niere gebraucht. Die Ärzte haben gemeint, man solle relativ schnell einen Spender finden.

Der Spender waren Sie?

Ja, unser Arzt hat gesagt, dass das gehen würde. Zuerst war ich drei Tage zur Voruntersuchung in Frankfurt und bin komplett von Kopf bis Fuß durchgecheckt worden. Dann gab es noch ein Gespräch mit einer Psychologin. Und einen Termin vor einer dreiköpfigen Ethikkommission. Da wurde sogar nach den wirtschaftlichen Verhältnissen gefragt. Um auszuschließen, dass für Organhandel bezahlt wird.

Die Operation ist gut verlaufen?

Emich: Alles hat gut funktioniert. Ich bin fit, meine Frau auch. Ich lebe wie vorher, es gibt keine Einschränkungen. Die Operation war am 21. November 2012, meinem 39. Geburtstag. Mein bewegendster Geburtstag. Ich bin sechs Wochen ausgefallen, hatte aber ganz viel Unterstützung von Verein und Arbeitgeber. Sechs Wochen später bin ich schon wieder Ski gefahren. Ich kann Fußball spielen, Tennis, wie vorher. Ich passe nur auf, genug zu trinken (stellt eine 1,5-Liter-Flasche Sprudel auf den Tisch). Die mach' ich jeden Tag im Büro leer.

Ein Erlebnis, das Ihr Leben verändert hat?

Auf jeden Fall. Die Wertigkeit von Dingen verschiebt sich. Nach Niederlagen weiß man: Es ist nur Fußball. Oft braucht man ja so ein "Scheiß-Erlebnis" für einen anderen Blickwinkel.

Zum Thema:

Zur PersonMarco Emich (41) spielte in der Jugend für seinen Heimatclub FSV Jägersburg, den FC Homburg, den SV Reiskirchen und Borussia Neunkirchen . Beim Oberligisten Borussia war er insgesamt neun Jahre. Von 1995 bis 1998 schaffte Emich dann als Spieler mit Jägersburg den Durchmarsch aus der A-Klasse in die Landesliga. Nach zwei weiteren Jahren in Neunkirchen, in denen er auch Regionalligaspiele bestritt, stieg er von 2000 bis 2002 als Spielertrainer mit Reiskirchen in die Verbandsliga auf. Jägersburg übernahm er 2002 als Spielertrainer und stieg ebenfalls in die Verbandsliga auf. raps

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