Die Scheu vor den Opfern war groß

Homburg. Unsere Klasse 8b des Saarpfalz-Gymnasiums fuhr vor wenigen Tagen mit unserem Deutschlehrer Eberhard Jung nach Wellesweiler in die Alex-Deutsch-Schule. Dort hatten wir im "Raum der Begegnung" eine Verabredung mit dem ehemaligen Pfarrer Klaus Heintz aus Bexbach und mit der Witwe Doris Deutsch

 Die Gesamtschule Bexbach ist seit Jahren immer wieder dabei, wenn es um unsere Aktion "Zeitung macht Schule" geht. Diesmal war es die Klasse 10a/b, die mit Schulleiterin Gaby Schwartz, die zugleich auch Klassenlehrerin ist, jeden Morgen die Saarbücker Zeitung analysierte. Viele Schüler kannten unsere Zeitung bereits von zu Hause, andere sahen sie zum ersten Mal. Um so erfreulicher, dass die Resonanz durchweg positiv war. "Uns haben alle Bereiche interessiert", sagten die Schülerinnen und Schüler. Auch die Jungen, die normalerweise immer den Sport bevorzugen, zeigten sich von der Berichterstattung im Lokalen angetan. Nun werden einige von ihnen in die Tasten greifen und eigene Artikel verfassen. Einige Ideen wurden schon kundgetan: Ein Konzertbesuch, Erfahrungen bei einem Praktikum, Vorfreude auf die kommende Klassenfahrt - und eine Reportage über den jeweils letzten Schultag vor den Ferien. "Der ist mittlerweile Kult geworden", betonte eine Schülerin. Das war selbst für die Schulleiterin neu: "Das war mir gar nicht so bewusst. Um so besser, dass wir es nun anhand eines Artikels alle erfahren." maa/Foto: Bernhard Reichhart

Die Gesamtschule Bexbach ist seit Jahren immer wieder dabei, wenn es um unsere Aktion "Zeitung macht Schule" geht. Diesmal war es die Klasse 10a/b, die mit Schulleiterin Gaby Schwartz, die zugleich auch Klassenlehrerin ist, jeden Morgen die Saarbücker Zeitung analysierte. Viele Schüler kannten unsere Zeitung bereits von zu Hause, andere sahen sie zum ersten Mal. Um so erfreulicher, dass die Resonanz durchweg positiv war. "Uns haben alle Bereiche interessiert", sagten die Schülerinnen und Schüler. Auch die Jungen, die normalerweise immer den Sport bevorzugen, zeigten sich von der Berichterstattung im Lokalen angetan. Nun werden einige von ihnen in die Tasten greifen und eigene Artikel verfassen. Einige Ideen wurden schon kundgetan: Ein Konzertbesuch, Erfahrungen bei einem Praktikum, Vorfreude auf die kommende Klassenfahrt - und eine Reportage über den jeweils letzten Schultag vor den Ferien. "Der ist mittlerweile Kult geworden", betonte eine Schülerin. Das war selbst für die Schulleiterin neu: "Das war mir gar nicht so bewusst. Um so besser, dass wir es nun anhand eines Artikels alle erfahren." maa/Foto: Bernhard Reichhart

Homburg. Unsere Klasse 8b des Saarpfalz-Gymnasiums fuhr vor wenigen Tagen mit unserem Deutschlehrer Eberhard Jung nach Wellesweiler in die Alex-Deutsch-Schule. Dort hatten wir im "Raum der Begegnung" eine Verabredung mit dem ehemaligen Pfarrer Klaus Heintz aus Bexbach und mit der Witwe Doris Deutsch. Sie ist die dritte Ehefrau von Alex Deutsch, der die Gefangenschaft im KZ Auschwitz überlebt hat, aber im Februar dieses Jahres im Alter von 97 Jahren gestorben ist. Noch nie hat eine Zeitung darüber berichtet, dass der Pfarrer Klaus Heintz der Entdecker und Förderer von Alex Deutsch ist. Diese Lücke wollen wir mit unserem Artikel schließen. Klaus Heintz ist 1936 in Bliesransbach geboren, 1944/45 wurde er wegen der Kriegsereignisse nach Thüringen evakuiert. Als Kind hat er "Reden des Führers" im Radio gehört und kann sich noch an die Berichterstattung über den Fehlschlag des Stauffenberg-Attentats vom 20. Juli 1944 erinnern. Er sei sehr erschrocken gewesen, als seine Mutter mit leuchtenden Augen sagte: "Wenn das geklappt hätte!"Am 10. Oktober 1945 verlor er seinen Vater, der auf eine Mine getreten war. Nach dem Abitur in Sulzbach studierte er Theologie in Bethel, Tübingen, Göttingen und Bonn. Nach dem Vikariat in Saarbrücken war er Gemeindepfarrer in Alt-Saarbrücken, Schulpfarrer am Gymnasium am Krebsberg in Neunkirchen, Gemeindepfarrer in der Pauluskirche Neunkirchen und schließlich Schulpfarrer im KBBZ Neunkirchen. Er kann sich noch daran erinnern, wie er als Jugendlicher Bilder von Konzentrationslagern und abgemagerten Juden auf Pritschen gesehen hat.

Er habe auch Angst gehabt, einmal einem Juden zu begegnen, denn er wusste nicht, wie er mit ihm umgehen sollte: "Ich hatte mich geschämt für mein Volk. Nach dem Krieg wollte niemand mehr etwas von den Gräueltaten hören. Man sprach nicht über Juden, weil man ein schlechtes Gewissen hatte." Entsetzlich sei für ihn gewesen, als er als junger Mann in Saarbrücken in einem Friseursalon war, in dem ein jüdischer Kunde saß, dem der Friseur im Spaß entgegenschmetterte: "Dich haben sie vergessen zu vergasen!" Ende der Achtziger Jahre habe er in der Neunkircher Marienkirche erstmals das Ehepaar Alex und Doris Deutsch getroffen. Es wurde ihm vorgestellt von Professor Herbert Jochum, der dort die Ausstellung "Kirche und Synagoge" arrangiert hatte, bei der auch die Judenfeindschaft der Christen thematisiert wurde. "Alex Deutsch war ein Mensch, der mir herzlich und liebevoll entgegentrat. Sein Wohlwollen und seine menschliche Wärme haben bewirkt, dass ich meine Scheu gegenüber Juden verlor. Ich fragte ihn, ob er vor meinen Konfirmanden und vor Erwachsenen von seinen Erfahrungen in Auschwitz erzählen würde. Dadurch kam es zu vielen bewegenden und kritischen Begegnungen." Besonders beeindruckend sei es immer gewesen, wenn er seine eintätowierte Häftlingsnummer gezeigt habe. Das habe auf ihn gewirkt wie die Wunden des Auferstandenen bei dem ungläubigen Thomas. Pfarrer Heintz verschwieg jedoch nicht, dass es anfangs auch große Probleme gab: "Viele hatten Angst, Alex Deutsch einzuladen, weil durch seine Vorträge Schlimmes aufgerührt wurde." Einmal sei jemand vor ihn getreten und habe mit erhobenem Arm "Heil Hitler!" gerufen. Doris Deutsch betonte, dass ihr Mann danach völlig frustriert war und sagte: "Ich glaub', ich hör auf!" Pfarrer Heintz und viele andere hätten ihm aber neuen Mut gemacht. Von Doris Deutsch erfuhren wir: "Bei solchen Treffen, die seit 1992 stattfanden, konnte Alex sich freisprechen. Es tat es ihm gut, auf diese Weise seine Erfahrungen in der Hölle von Auschwitz zu verarbeiten." Er habe immer gesagt: "Lasst die Welt wissen, was geschehen ist!"

Lina Ernert und Lara Webler, 8b des Saarpfalz-Gymnasiums

Im Gespräch konnte Alex die Hölle besser verarbeiten.

Doris Deutsch

Auf einen Blick

 Die Schüler der Klasse 8b lauschen den Erzählungen von Pfarrer Klaus Heintz (mitte) und Doris Deutsch im Raum der Begegnung in der Wellesweiler Schule. Fotos: Eberhard Jung/Saarpfalz-Gymnasium

Die Schüler der Klasse 8b lauschen den Erzählungen von Pfarrer Klaus Heintz (mitte) und Doris Deutsch im Raum der Begegnung in der Wellesweiler Schule. Fotos: Eberhard Jung/Saarpfalz-Gymnasium

 Als Alex Deutsch vor einem Jahr noch lebte, besuchten ihn Alina Kessler (l) und Janine Spies (r) vom Saarpfalz-Gymnasium.

Als Alex Deutsch vor einem Jahr noch lebte, besuchten ihn Alina Kessler (l) und Janine Spies (r) vom Saarpfalz-Gymnasium.

2961 junge Leute aus 134 Klassen verschiedener weiterführender Schulen im Saarland haben im vergangenen Jahr vier Wochen lang die Saarbrücker Zeitunggelesen und auch selbst den einen oder anderen Artikel geschrieben. Denn die 134 Klassen haben sich zum SZ-Projekt Zeitung macht Schule angemeldet. Sie konnten aus sechs verschiedenen Projektzeiträumen wählen. Zeitungmacht Schule ist das älteste Projekt zur Förderung der Lesekompetenz, das die SZ anbietet. Es richtet sich an die Schüler der Achter- bis Zehnerklassen weiterführender Schulen. Die Lehrer erhalten einen umfangreichen Unterrichtsordner mit vielen Ideen rund um das Thema Zeitung. Den Ordner hat die SZ noch einmal deutlich ausgebaut. Ein eigenes Kapitel zur Geschichte der SZ ist dazugekommen. Zusätzliche Aktionen wie Besuche runden das Projekt ab.

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