Die Lammwoche als Gesamtkunstwerk

Ballweiler. In Sagen sitzen Kuhhirten meist auf der Wiese herum, bis plötzlich Elfen, Frösche oder sonstige Fabelgestalten auftauchen und dem armen Kerl ein besseres Leben versprechen. Was der Kuhhirte verständlicherweise sofort annimmt - und was meistens in einer Katastrophe endet. Ganz anders ergeht's den Schafhirten

Ballweiler. In Sagen sitzen Kuhhirten meist auf der Wiese herum, bis plötzlich Elfen, Frösche oder sonstige Fabelgestalten auftauchen und dem armen Kerl ein besseres Leben versprechen. Was der Kuhhirte verständlicherweise sofort annimmt - und was meistens in einer Katastrophe endet. Ganz anders ergeht's den Schafhirten. Sowohl in Sagen als auch im richtigen Leben gelten sie als Philosophen. Der Schafhirte kennt seine Tiere persönlich, behandelt sie gut und passt auf sie auf, damit der Wolf sie nicht frisst. Im Kreise seiner klugen Tiere entwickelt er anhand von Landschaftsbetrachtungen künstlerische und philosophische Gedanken. Das war schon im alten Griechenland so. Und warum? Nicht nur, weil Schäfer klüger sind, sondern weil Schafe meistens in einer Landschaft gedeihen, die zu Kunstbetrachtung und Meditation einlädt. Im alten Griechenland war es Arkadien, die Ideallandschaft der deutschen Klassik - mit Eichenwäldern, Quellen und bizarren Kalksteinformationen. Auch im Bliesgau gibt es solche Landschaften, wo gelb-weißer Muschelkalk aus dem Laubwald hervortritt und wo der Schäfer über eine grüne Hügellandschaft blickt. "Ich begreife meine Arbeit als Gesamtkunstwerk", erklärt Rudolf Schwarz aus Ballweiler. Im früheren Leben war er Architekt, bis heute beschäftigt er sich mit Kunst - und nach seiner Pensionierung wurde er Schafhirte. "Mit allem, was dazu gehört", eine schwierige Ausbildung sei das gewesen - und keineswegs ein einfaches Hobby. "Für mich war klar, dass die Tätigkeit als Schafhirte eine höhere Bedeutung hatte, als nur auf Tiere aufzupassen." Landschaft, Tierhaltung, Meditation - und am Schluss auch die Schlachtung der Tiere stehen für Rudolf Schwarz in einem großen kulturellen Zusammenhang, "es geht dabei um eine Art Gesamtkunstwerk, um den Ursprung und die Verbundenheit mit einer uralten Kulturlandschaft." Es sei zwar anlässlich der Bliesgau-Lammwoche immer eine große Bestätigung für ihn, wenn die besten Köche im Südwesten den hervorragenden Bliesgau-Lämmern eine kulinarische Woche widmeten, "aber mir geht es um mehr, um ein künstlerisches Landschaftsprojekt. Ich beziehe mich dabei auf den Wiener Künstler Peter Kubelka, der an der Städel Kunsthochschule in Frankfurt auch Kochen als eigene Kunstgattung lehrte", betont Rudolf Schwarz. Für Peter Kubelka sei Kochen die "älteste Bildende Kunst der Menschheit". Der Bonner Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder teilt ebenfalls diesen Anspruch. In einem Beitrag in der Broschüre zur Bliesgau-Lammwoche schreibt er: "Ess-Kultur, das ist, wenn die Esser, die Kreationen der Küche und die Geschichten, die die Produkte erzählen, zu einem sinnlichen Erlebnis verschmelzen". Es sei eben zu eindimensional, das Biosphärenreservat Bliesgau nur auf gute Bioprodukte zu reduzieren, betonte Rudolf Schwarz im Gespräch mit unserer Zeitung. "Wir feiern uns mit unserem Honig, unseren Ölsaaten, Marmeladen, Schnäpsen oder Gemüsesorten, aber es fehlt der Biosphäre dennoch ein tragendes künstlerisches Rückgrat dabei." Es gehe dabei nicht nur ums Essen, "sondern um eine ästhetische Annäherung an die besondere Landschaft." Schon Kelten und Römer waren hier, doch was sind schon 2000 Jahre im Vergleich mit einer Landschaft, die sich vor 240 Millionen Jahren geformt hat? Vom 1. bis zum 10. Oktober kreieren während der Bliesgau-Lammwoche elf Spitzenköche aus dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Lothringen in ihren Restaurants kulinarische Köstlichkeiten und Menüs mit Lammfleisch auf höchstem Niveau. Dabei verwenden die hoch dekorierten Köche ausschließlich Bliesgau-Weidelämmer, die im Biosphärenreservat aufgezogen wurden. Alle teilnehmenden Restaurants findet man im Internet.

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