Die Grenze für Azubis öffnen

Homburg · Das deutsche und das französische Schulsystem könnten bei der betrieblichen Ausbildung unterschiedlicher kaum sein. Das sei schade, betonte die Europa-Bevollmächtigte des Saarlandes, Helma Kuhn-Theis, anlässlich eines Besuchs bei Michelin in Homburg. Sie möchte hier mehr Austausch fördern.

 Helma Kuhn-Theis stattete Michelin einen Besuch ab, hier mit dem Auszubildenden Andreas Walter. Links Personalleiter Thomas Hoffmann, Betriebsratsvorsitzender Raymond Ott, Michael Metzen (Leiter Bildung und Organisation) und Ausbilder Jörg Hinsberger.

Helma Kuhn-Theis stattete Michelin einen Besuch ab, hier mit dem Auszubildenden Andreas Walter. Links Personalleiter Thomas Hoffmann, Betriebsratsvorsitzender Raymond Ott, Michael Metzen (Leiter Bildung und Organisation) und Ausbilder Jörg Hinsberger.

. Europa sei ihr eine Herzensangelgenheit, sagt Helma Kuhn-Theis. Doch was nütze das Herz, wenn die Bürokratie dafür keine Verwendung hat? Kuhn-Theis ist die Europabevollmächtigte des Saarlandes mit Sitz in Brüssel und kümmert sich gerne vor Ort um jene kleinen Dinge, die Europa ausbremsen.

Zum Beispiel die grenzübergreifende Zusammenarbeit bei der Lehrlingsausbildung. Hier hakt es noch, obwohl erst kürzlich ein Papier mit dem Titel "Abkommen über die grenzüberschreitende Berufsausbildung Saarland-Lothringen" unterzeichnet worden ist. Doch mit Leben wird dieses Papier derzeit noch nicht erfüllt.

Das erfuhr Helma Kuhn-Theis bei ihrem Besuch bei der Firma Michelin in Homburg . Von den 1200 Beschäftigten kommen über 700 aus Frankreich . Aber von den derzeit 20 Auszubildenden (im Herbst kommen noch einmal 14 dazu) ist nicht einer oder eine aus dem Nachbarland dabei. Das bedauert auch der Personalleiter, Thomas Hoffmann: "Wir sind ein internationales Unternehmen und würden uns natürlich freuen, unsere Ausbildung auch Jugendlichen aus Frankreich anzubieten."

Aber dies sei bisher an zwei ganz entscheidenden Punkten gescheitert: am gegliederten deutschen Schulsystem und an der ebenfalls typisch deutschen dualen Ausbildung der Azubis im Betrieb und in der Berufsschule. Denn wenn französische Jugendliche in einem deutschen Betrieb lernen, dann fehlt ihnen zwangsläufig die in Deutschland geforderte parallele Ausbildung in einer berufsbildenden Schule.

Diese Lücke soll nun mit dem Abkommen geschlossen werden, das vorsieht, die praktische Ausbildung in Deutschland in einem Betrieb und die theoretische Ausbildung in Frankreich in einem Lycée professionell zu machen. Das erfordere zwangsläufig sehr gute Sprachkenntnisse auf beiden Seiten. "Da haben wir noch einen langen Weg vor uns. Man muss schon in der Grundschule mit der Sprache beginnen, denn nur so lernen die Kinder Französisch ohne Notenzwang, und es macht ihnen Freude", sagte Helma Kuhn-Theis.

Sie versprach, mit Peter Nagel, dem Geschäftsführer für Aus- und Weiterbildung bei der IHK, zu sprechen: "Wir brauchen eine Art Doppeldiplom für die Fachausbildung. Das gibt es schon für die Hochschulen unter dem Dach der DfH, warum soll das nicht für die Ausbildungsberufe gelten?" Gerade hier liege der Nutzen doch auf der Hand: "Wir suchen Fachkräfte, Jugendliche in Frankreich suchen Arbeit. Da muss doch für uns als Grenzregion etwas zu machen sein."

Helma-Kuhn-Theis war beeindruckt von den Ausbildungsstätten bei Michelin : große Räume, eine ruhige und konzentrierte Atmosphäre, ein Computerraum und, ganz wichtig, wie Thomas Hoffmann betonte, auch ein Sicherheitsraum. Hier werde immer wieder geübt, Gefahren zu vermeiden und sich in den Produktionsräumen vorschriftsmäßig zu verhalten. Vorbildlich sei dies, betonte die Europa-Expertin. Sie wünsche sich, dass diese gute Ausbildung bei den Jugendlichen in der ganzen Großregion bekannter würde: "Wir müssen uns überlegen, wie wir Konzepte entwickeln, unsere Grenzregionen besser zu vernetzen."

Allerdings konnte sie nicht sagen, wie es in Paris weitergehen wird, wenn - wie von Präsident Hollande geplant -, die Regionen zusammengelegt werden. Gibt es dann mehr oder weniger Entscheidungsspielraum für die französischen Nachbarn? Auch bei Michelin weiß man noch nicht, welche Auswirkungen diese Reform in der Region haben wird. Aber so lange auch weiterhin Reifen benötigt werden, ist erst einmal alles andere halb so wild.

 Im Computerraum lernen die beiden Azubis Andrej Haak und Kevin Brill, wie man eine Produktionsstraße steuert. Fotos: SZ/Frank

Im Computerraum lernen die beiden Azubis Andrej Haak und Kevin Brill, wie man eine Produktionsstraße steuert. Fotos: SZ/Frank

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Auf einen BlickDas Homburger Michelin-Werk wurde 1971 gegründet und ist ausschließlich für Lkw-Reifen zuständig. Über eine Million neue Lkw-Reifen pro Jahr kommen aus dem Homburger Werk, dazu kommen 500 000 Stück Remix-Produkte (runderneuerte Lkw-Reifen) pro Jahr. 1200 Mitarbeiter sind in Homburg beschäftigt, deutschlandweit 8340, weltweit 113 400. maa

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