Wortsegel-Wettbewerb Die Chemie der Liebe im Himmelszelt

Homburg · Cecilia Klein vom Homburger Saarpfalz-Gymnasium war erfolgreich beim Wortsegel-Schreibwettbewerb.

 Cecilia Klein aus der Klasse 10d des Saarpfalz-Gymnasiums als Wortsegel-Preisträgerin vor dem Himmelszelt auf dem Schaumberg

Cecilia Klein aus der Klasse 10d des Saarpfalz-Gymnasiums als Wortsegel-Preisträgerin vor dem Himmelszelt auf dem Schaumberg

Foto: Eberhard Jung

„Ein männlicher Briefmark erlebte / was Schönes, bevor er klebte. / Er war von einer Prinzessin beleckt. / Da war die Liebe in ihm erweckt. / Er wollte sie wiederküssen, / da hat er verreisen müssen. / So liebte er sie vergebens. / Das ist die Tragik des Lebens!“

Diese humorvollen Verse sind typisch für Joachim Ringelnatz, der eigentlich Hans Gustav Bötticher hieß und von 1883 bis 1934 lebte. Er wurde unter dem Pseudonym Joachim Ringelnatz zu einem der bedeutendsten Schriftsteller, Kabarettisten und Maler der Weimarer Republik. Ihm war anlässlich seines 135. Geburtstages der diesjährige Wortsegel-Schreibwettbewerb für saarländische Schulen gewidmet, wie Eberhard Jung, Deutsch- und Geschichts-Lehrer am Saarpfalz-Gymnasium Homburg mitteilt.

Bekannt wurde Ringelnatz vor allem mit seinen humoristischen Gedichten um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu und satirischen Gedichten wie „Schöne Fraun und Katzen“. Darin heißt es: „Schöne Fraun mit schönen Katzen, / wem von ihnen man dann schmeichelt, / wen von ihnen man gar streichelt, / stets riskiert man, dass sie kratzen.“ Er konnte aber auch bitterböse Zeitkritik üben.

In seiner Schulzeit war er nur wenig erfolgreich, musste zwei Klassen wiederholen, und auf seinem Abgangszeugnis vermerkte sein Lehrer, der Absolvent sei „ein Schulrüpel ersten Ranges“ gewesen. Anschließend führte er ein abenteuerliches und rastloses Leben in zahlreichen Städten, ging über 30 Beschäftigungen nach, war unter anderem Seemann, Buchhalter, Angestellter in einem Reisebüro, Fremdenführer, Bibliothekar, Kneipendichter und verkleidete sich als Wahrsagerin für Prostituierte in einem Bordell. Der deutsche Pfarrer von Amsterdam hielt den Sonderling für einen Betrüger und sorgte dafür, dass er kurzzeitig im Gefängnis inhaftiert wurde.

Es waren viel Gelassenheit und Humor nötig, um die Widrigkeiten des Alltags im Umfeld des Ersten Weltkriegs ertragen zu können. Ringelnatz war häufig arbeitslos, zuweilen obdachlos und litt immer wieder unter mangelnder Wertschätzung, Hunger und Geldnot.

1933 erteilten ihm die Nationalsozialisten Auftrittsverbote, beschlagnahmten und verbrannten seine Bücher. In Dresden wurde er forsch von der Bühne geholt, seine Kunstwerke wurden im Dritten Reich als „entartete Kunst“ verfemt. Ringelnatz und seine Frau, zugleich seine treueste Assistentin, die er mit dem merkwürdigen Kosenamen „Muschelkalk“ bezeichnete, verarmten immer mehr, so dass Freunde aushelfen mussten und zu Spendenaktionen aufriefen. Seine Tuberkulose-Erkrankung verschlimmerte sich unter diesen heiklen Bedingungen, so dass er 1934 im Alter von 51 Jahren starb.

Aus dem lyrischen Werk des vielseitigen Künstlers wurden für die 13. Auflage des Wortsegel-Schreibwettbewerbs Zitate ausgewählt, die Anregungen boten, selbst Gedichte oder Kurzprosa zu verfassen. Die Bezeichnung des Wettbewerbs, der von der Gemeinde Tholey veranstaltet wird und unter der Schirmherrschaft des Ministers für Bildung und Kultur des Saarlandes, Ulrich Commerçon, steht, geht auf die Stahlplastik „Wortsegel“ auf den Höhen von Tholey-Sotzweiler zurück. Sie wurde von Prof. Heinrich Popp als „Denkmal für Poesie“ geschaffen. Zum zwölften Mal in Folge war das Saarpfalz-Gymnasium Homburg unter den Besten. Cecilia Klein, die bereits in den Vorjahren zweimal erfolgreich war, erhielt in der Altersgruppe drei (8. bis 10. Klasse) den dritten Preis für ihr Gedicht „Ringelnatz‘ Chemie der Liebe“.

Die Jury-Vorsitzende Irmela Freigang würdigte ihren Beitrag folgendermaßen: „Fast alle Kinder und Jugendlichen lieben Geheimsprachen und verschlüsselte Botschaften, das hat sich bis heute in die sozialen Medien hinein weiter entwickelt. Ab den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts war die sogenannte Bi-Sprache in Deutschland sehr beliebt. Der bekannteste Text in Bi-Sprache ist von Joachim Ringelnatz: sein ‚Gedicht in Bi-Sprache‘ von 1928. Das Prinzip ist ganz einfach: Nach einem Vokal wird die Silbe ‚bi‘ eingefügt, was den Text verzerrt.

Cecilia Klein hat, ausgehend von dem Liebesgedicht von Ringelnatz, ihrem eigenen Text in Bi-Sprache – mit Übersetzung – den Titel gegeben: ‚Ringelnatz‘ Chemie der Liebe‘. Ihre Illustration zeigt ein Kugelstoßpendel. Lässt man die linke Kugel auf die nächste aufprallen, gibt sie den Impuls weiter an die nächste usw., bis sich die letzte dann bewegt und zurückprallt. Das Ganze könnte man als Symbol der nie endenden Liebe sehen. Dieses physikalische Phänomen setzt Cecilia Klein in einen fiktiven Dialog zweier Liebender um, wobei verschiedene chemische Elemente mit eingeflochten werden. Und noch eine typografische Besonderheit: Die Anfangsbuchstaben ihrer Verse ergeben von oben nach unten gelesen den Namen Joachim Ringelnatz. Auch Joachim Ringelnatz hatte sich dieser rhetorischen Figur bedient, als er sich unter dem Namen Ernst Christian Stolze an der Ausschreibung zur Olympia-Hymne für 1936 beteiligte. Die Anfangsbuchstaben der Zeilen ergaben seinen vollständigen Namen. Zum Glück wurde es damals im Propagandaministerium nicht bemerkt.“

Cecilias Gedicht beginnt mit den Zeilen: „Jabihrebilabing habibebi ibich aubif dibich gebiwabirtebit. / Raubis mibit debir Sprabichebi! / Ibiobid zubim Reibinibigebin deibinebir Wubindebin (...)“. Übersetzung: „Jahrelang habe ich auf dich gewartet. / Raus mit der Sprache! / Ich reinige deine Wunden mit Jod. (...)“

Ihr Gedicht endet mit den Versen: „Ibich habibebi dibich, Lobittebi, sobi liebib. / Mibinebirabiliebin debir Liebibebi labissebin ubins / gebimeibinsabim stabirk seibin.“

 Die Preisträgerin Cecilia Klein vom Homburger Saarpfalz-Gymnasium vor der gewaltigen Wortsegel-Stahlplastik auf den Höhen von Tholey-Sotzweiler.

Die Preisträgerin Cecilia Klein vom Homburger Saarpfalz-Gymnasium vor der gewaltigen Wortsegel-Stahlplastik auf den Höhen von Tholey-Sotzweiler.

Foto: Eberhard Jung
 Cecilias Illustration eines Liebespaares, passend zu ihrem Gedicht „Ringelnatz‘ Chemie der Liebe“.

Cecilias Illustration eines Liebespaares, passend zu ihrem Gedicht „Ringelnatz‘ Chemie der Liebe“.

Foto: Eberhard Jung
 Illustration von Cecilia Klein: ein Kugelstoßpendel als Symbol der nie endenden Liebe.

Illustration von Cecilia Klein: ein Kugelstoßpendel als Symbol der nie endenden Liebe.

Foto: Eberhard Jung

Für ihr originelles Gedicht erntete sie viel Applaus im „Himmelszelt“, einem teiltransparenten Kuppelgebäude auf dem Schaumberg. Bürgermeister Hermann Josef Schmidt wünschte seinen Gästen „viel Freude an diesem Ort, wo der Himmel die Erde küsst.“

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