Wanderwege Der Wald wird unter die Lupe genommen

Saarpfalz-Kreis · Der Saarpfalz-Kreis möchte sich bundesweit als Top-Wanderziel platzieren. Dazu muss man die strengen Kriterien des deutschen Wanderverbandes befolgen. Ein Anfang wurde jetzt gemacht.

 Wer schon als Kind gerne mit den Eltern gewandert ist, bleibt meistens auch als Erwachsener dem Hobby an der frischen Luft treu. Hier auf dem Nordfeld bei Höchen.

Wer schon als Kind gerne mit den Eltern gewandert ist, bleibt meistens auch als Erwachsener dem Hobby an der frischen Luft treu. Hier auf dem Nordfeld bei Höchen.

Foto: Wolfgang Henn

Das Wandern kommt nie so wirklich aus der Mode. Von der deutschen Romantik über linke und rechte Wanderbewegungen in den 20er Jahren bis hin zum Nachkriegs-Spießer in roten Socken und kariertem Hemd – das Wandern ist schon sehr oft politisch und weltanschaulich instrumentalisiert worden, wie man heute sagen würde.

Dennoch: Der Charme, die Haustür hinter sich zuzumachen und einfach loszulaufen, ist unwiderstehlich und dem Menschen vermutlich seit 20 000 Jahren in die Gene eingebrannt. Natürlich ist man die meiste Zeit gewiss nicht zum Vergnügen gewandert, zumal bis ins 18. Jahrhundert eine berechtigte Angst existierte vor der Durchquerung größerer Waldgebiete, die es damals noch gab, Wölfe inklusive.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Nachfolge von Goethes Brockenwanderung, entdeckten die Deutschen ihre Mittelgebirge als Wanderreviere, allen voran das Elbsandsteingebirge, den Thüringer Wald und den Harz. Es bildeten sich Wandervereine, Wege wurden erstmals markiert und das Naturerlebnis in den Vordergrund gestellt. Vorbei die Zeit der Angst, in der Rotkäppchen dem Wolf begegnet oder ein Geschwisterpaar einfach mal im Wald ausgesetzt wurde.

Seitdem hat das Wegenetz ständig zugenommen – und die Natur auf den Kopf gestellt. Während man früher froh war, wenn man endlich auf ein Dorf mit Menschen traf, ist man heute froh, ein paar Stunden durch die Natur laufen zu können, ohne über Autostraßen oder Neubaugebiete zu stolpern.

Deshalb gibt es inzwischen Qualitätskriterien vom deutschen Wanderverband, die sowohl die Wege selbst als auch die Wanderführer betreffen. Natürlich bleiben auch die Wanderwege nicht von Berater-Sprech verschont: Es gibt „Kampagnenmotive“, „Kick-off-Meetings“, „Lenkungsgruppen“ und „Bestandserfasser“.
So bietet der deutscher Wanderverband zweitägige bundeseinheitliche Schulungen für „Bestandserfasser in der Region“ an. Was ist ein Bestandserfasser? Früher war das jemand, der ehrenamtlich Waldwege abging, Markierungen prüfte und Kontakt zum Förster hielt, was den Zustand der Wege betraf. Heute heißt es: „Bestandserfasser gehen ins Gelände und sammeln die für die Qualitätsbewertung der Wanderwege notwendigen Daten und erstellen eine vorläufige Erstbewertung.“

Erfüllt der Weg nach Auswertung des Bestandserfassers die Kriterien eines Qualitätsweges, kann beim deutschen Wanderverband ein Antrag auf Zertifizierung gestellt werden. Mit dem Antrag werden die gesammelten Bestandsdaten eingereicht und vom Deutschen Wanderverband ausgewertet. Der Wanderweg wird anschließend durch Mitarbeiter des deutschen Wanderverbandes geprüft. Bei positiver Prüfung erhält der Weg das Zertifikat „Qualitätsweg ,Wanderbares Deutschland’ “ für den Zeitraum von drei Jahren. Nach dieser Zeit muss die Wegequalität erneut geprüft werden.

Die Saarpfalz-Touristik, die in den vergangenen Jahren viel unternommen hat, um Nordic Walking und Radfahren als besondere Sportarten in der Biosphäre Bliesgau zu etablieren, muss ebenfalls an den bundesweiten Wanderwege-Neuerungen teilnehmen, will sie nicht abgehängt werden.

„In de Wald gugge geh’n“ reicht bei weitem nicht mehr für eine anerkannte Zertifizierung aus, deshalb fanden jetzt erstmals auch in der Saarpfalz Schulungen für Bestandserfasser statt. Bereits am frühen Mittwochmorgen herrschte reges Treiben in der beschaulichen Wanderhütte, des Wandervereins Frohsinn in Oberwürzbach, die direkt am Premiumwanderweg, der Hüttenwandertour liegt, schildert Wolfgang Henn von der Saarpfalz-Touristik, die Atmosphäre.

Zwei Referenten des deutschen Wanderverbandes, Liane Jordan und Hans-Georg Sievers, waren aus Kassel zu der zweitägigen Schulung für Bestandserfasser ins Biosphärenreservat angereist.

Organisiert wurde der zweitägige Kurs von der Saarpfalz-Touristik, die den Saarpfalz-Kreis und das Biosphärenreservat Bliesgau zu einer Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ ausbauen möchte, der „Königsklasse des Wanderns“. Und das geht nun mal nur unter dem Dach des deutschen Wanderverbandes, „eine Voraussetzung hierfür ist unter anderem die Schulung von Wegeverantwortlichen, die sich zum Bestandserfasser für Qualitätswege ausbilden lassen“, so Henn weiter.

Die zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Verwaltung, Vereinen und Verbänden hatten sich entsprechend wetterfest angezogen, denn neben einem theoretischen Teil mussten die zukünftigen Bestandserfasser auf der Hüttenwandertour ihr erworbenes Wissen in die Praxis umsetzen. Auf der rund vier Kilometer langen „Teststrecke“ wurden die Qualitätskriterien des Weges aufgenommen und auf Erhebungsbogen mit allerlei Farbstiften dokumentiert.

Nachmittags erfolgte dann in der Hütte die Datenauswertung nach den verschiedenen Qualitätskriterien wie Wegebeschaffenheit, Wegebreite und Natursehenswürdigkeiten am Wegesrand wie beispielsweise der Eichertsfelsen oberhalb des Laichweihertals. Ein Kriterium war auch die Stille, die die Teilnehmer vom Farrenberg abwärts über pfadige Wege ins Laichweihertal erleben durften. Auch einige Besucher der Wanderhütte interessierten sich für die Veranstaltung, wie die sechs „Oberwürzbacher Wanderfrauen“, die jeden Mittwoch nach einer kleinen Wanderung hier einkehren. Sie fanden es gut, dass die Wege überprüft werden und eine entsprechende Beschilderung bekommen.

Die Schulung schloss am ersten Tag mit der Vorstellung der Markierungsrichtlinien des deutschen Wanderverbandes, damit die Wanderer sich im Wald gut orientieren können und ihr Ziel sicher erreichen. Am zweiten Schulungstag wurden die Kernkriterien für die verschiedenen Qualitätswanderwege vorgestellt, so zum Beispiel für die „Traumtour“, die zwischen vier und 25 Kilometer lang sein kann. Ein Kriterium ist hier, dass mindestens 35 Prozent der Gesamtstrecke auf naturnahen Wegen verlaufen müssen und der Weg mindestens vier Natur- und Kulturattraktionen bei einer Länge von zehn Kilometern aufweisen muss.

Nach der Theorie ging es wieder nach draußen, um in der Praxis das Gelernte anzuwenden. Die Gruppe wanderte diesmal Richtung Staffel und Heckendalheim, um hier eine Teilstrecke zu bewerten, die in Zukunft Teil des Wanderweges „Rund um Dalem“ werden soll. Auf diesen Teil freute sich besonders Christian Stolz vom Heimat- und Kulturverein Heckendalheim, der ebenfalls an der Schulung teilnahm, da der attraktive Höhen- und Klammweg von seinem Verein in jahrelanger Arbeit entwickelt wurde und turnusmäßig gepflegt wird.

Zum Abschluss der Schulung konnten die beiden Referenten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an der Schulung zum Bestandserfasser für den „Qualitätsweg ,Wanderbares Deutschland’ “ überreichen.

Mit dieser Bescheinigung sind sie nun befugt, Wegedaten in der Saarpfalz für Qualitätswanderwege zu erheben. Wolfgang Henn, Geschäftsführer der Saarpfalz-Touristik, und Kirsten Schwarz, zuständig für das Wanderprojekt bei der Saarpfalz-Touristik, bedankten sich bei den frisch gebackenen Bestandserfassern für ihr Engagement im Wanderbereich. Sie hoben hervor, dass „die Schulung von Bestandserfassern ein wichtiges Kriterium von insgesamt 44 Qualitätskriterien ist, die eine Qualitätsregion ,Wanderbares Deutschland’ erfüllen muss.“

Im Übrigen gibt es auch Geld aus einem EU-Topf dafür: Die LeaderFörderung unterstützt die Saarpfalz-Touristik auf dem Weg zur Qualitätsregion Wanderbares Deutschland.

Was ist überhaupt Leader? Seit 1991 setzt sich die EU dafür ein, dass ländlichen Regionen mit „Leader“ eine Methode an die Hand gegeben wird, mit der sie vor Ort Partnerschaften des öffentlichen, privaten, sozialen und wirtschaftlichen Sektors aufbauen können. Die Partnerschaften sollen die Regionen dazu befähigen, ihre eigene Entwicklung mit neuen Projekten voranzubringen. Seit Anfang der 90er-Jahre ist die Zahl der Leader-Regionen in Deutschland kontinuierlich gestiegen.

Der Leader-Förderantrag „auf dem Weg zur Qualitätsregion ,Wanderbares Deutschland’ “ wurde von der Saarpfalz-Touristik nun bei der Lokalen Aktionsgruppe (LAG) Biosphärenreservat Bliesgau gestellt. Die Lokale Aktionsgruppe bewertete den Antrag positiv und leitete zur Förderung aus Leader-Mitteln an das Ministerium für Umwelt und Arbeitsschutz weiter.

 Juliane Jordan und Hans-Georg Sievers (links) vom deutschen Wanderverein bei der Übergabe der Urkunden an die Schulungsteilnehmer.

Juliane Jordan und Hans-Georg Sievers (links) vom deutschen Wanderverein bei der Übergabe der Urkunden an die Schulungsteilnehmer.

Foto: Wolfgang Henn

Auch im Ministerium wurde das Wanderprojekt positiv bewertet, sodass eine Zuwendung aus Mitteln des Landes und der Europäischen Union (europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes – ELER) nach dem saarländischen Entwicklungsplan für den ländlichen Raum 2014 bis 2020 im Rahmen von Leader in Höhe von 59 981,95 Euro gewährt wurde.

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