Der Mut zu großen Emotionen

Homburg. Nein, es ging nicht um schöne Melodien am Sonntagabend im Homburger Saalbau, aber das hatte Markus Korselt ja bereits angekündigt, bevor es für ihn und sein Homburger Kammersinfonie-Orchester ernst wurde

Homburg. Nein, es ging nicht um schöne Melodien am Sonntagabend im Homburger Saalbau, aber das hatte Markus Korselt ja bereits angekündigt, bevor es für ihn und sein Homburger Kammersinfonie-Orchester ernst wurde. Aber mitreißende, beeindruckende Musik, die einem im Kopf bleibt und mehr erreicht als nur die Ohren für einen kurzen Moment, die gab es auf jeden Fall zu hören (wir berichteten kurz). Es war ein ernstes Programm, das sich das Orchester ausgesucht hatte. Die beiden Komponisten Richard Wagner und Anton Bruckner stehen für Emotionen und waren nicht nur zeitlich verbunden. Bruckner verehrte seinen Zeitgenossen, sah in ihm ein Vorbild. Das sollte zu hören sein, und zwar unmittelbar. Vor der großen Bruckner-Sinfonie standen Wagners Wesendonck-Lieder, gesungen von der Sopranistin Stefanie Krahnenfeld vom Saarländischen Staatstheater, auf dem Programm. Drei von insgesamt fünf waren es. Sie erwiesen sich als Miniaturen, in denen sich auf kleinem Raum all die großen Gefühle widerspiegelten, die Wagner in der unerfüllten Sehnsucht für seine Liebe Mathilde Wesendonck, zugleich Ehefrau seines Gönners, empfand. Souverän präsentierte sich Krahnenfeld bei ihrem Wagner-Debüt, in den zarten Passagen wie in den aufwallenden Ausbrüchen. Ehrliche, tiefe Gefühle waren da in "Schmerzen" oder "Träume" eingefasst, denen das sonst so üppige Pathos der Wagner-Opern fehlte. Das Orchester erwies sich als harmonischer Partner, etwa im zweiten Lied "Stehe still!" als ein "sausendes, brausendes Rad der Zeit" musikalisch wunderbar vorweggenommen wurde. Man hätte sich noch mehr Lieder gewünscht, die sollte es zwar nicht geben, dafür aber Bruckners "Nullte Sinfonie" in d-Moll, die ihren Namen nicht deswegen trägt, da sie vor allen andern stand, sie war vielmehr die dritte des Komponisten. Doch der distanzierte sich von ihr, wohl wegen einer Kritik des Wiener Hofopernkapellmeisters. Entstanden 1869 wurde sie erst 1924 vollständig uraufgeführt. Sie steht bis heute im Schatten ihrer bekannteren Schwestern, dabei hat sie in ihren gut 45 Minuten so viel vorzuweisen! Sie schwingt sich von sehr zarten Stellen, mächtig anschwellend bis zum - im allerbesten Sinn - fast Ohren zerfetzenden fortissimo, bevor sie dann jäh wieder abstürzt, manchmal in Momente absoluter Stille. Große Emotionen, wilde Passagen und dann wieder Takte, in denen fast schlichte Choräle anklingen, die auch daran erinnern, dass Bruckner seine tiefreligiösen Überzeugungen von Schuld, Sühne und erhoffter Vergebung in seine Werke einarbeitete. Die Musik, pur und ohne doppelten Boden, bietet keine Chance, sich zu verstecken - und wurde vom Kammersinfonie-Orchester beeindruckend gemeistert. Oft erreichten die Hobbymusiker Profi-Niveau. Und immer wieder blitzten bei Bruckner die Wagner-Lieder auf, auch das Sausen und Brausen des Zeitenrades. Das Finale dann: mächtig, nachdem der letzte Satz mit einer kleinen, traurigen Geschichte begonnen hatte, die sich die Instrumente zu erzählen scheinen. Nach den Schlussakkorden gab's viel Applaus für dieses Konzert, das auch Wagnis war. Hinterher gab es zwar nichts zum Nachsingen, aber viel zum Mit-Nach-Hause-Nehmen, um es in sich nachklingen zu lassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort