„Das Sterben soll wieder Platz finden”

Homburg · Der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf stellte bei der Homburger Lesezeit sein Buch „Das letzte Tabu“ vor und sprach offen über das Sterben und den Tod. Die Lesereihe soll im nächsten Jahr fortgesetzt werden.

 Henning Scherf, der frühere regierende Bürgermeister von Bremen, las am Dienstag zum Abschluss der dritten Homburger Lesezeit aus seinem aktuelle Buch „Das letzte Tabu: Über das Sterben reden und den Abschied leben lernen“ und stellte sich den Fragen seiner Gäste im Homburger Forum. Foto: Thorsten Wolf

Henning Scherf, der frühere regierende Bürgermeister von Bremen, las am Dienstag zum Abschluss der dritten Homburger Lesezeit aus seinem aktuelle Buch „Das letzte Tabu: Über das Sterben reden und den Abschied leben lernen“ und stellte sich den Fragen seiner Gäste im Homburger Forum. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Welchen Platz haben der Tod und das Sterben in der Gesellschaft? Bei der Antwort auf diese Frage gibt es gerade in Homburg Bewegung. Mit der deutschlandweit ersten altersübergreifenden Palliativ-Station und seinem Buch "Leben bis zuletzt" hat Professor Sven Gottschling vom Homburger Universitätsklinikum der Mauer um das Tabu-Thema einige deutliche Risse verpasst (wir berichteten mehrfach).

Am Dienstagabend nun und als Abschluss der dritten Homburger Lesezeit war ein anderer zu Gast, der sich mit diesem Thema in seinem aktuellen Buch befasst: Henning Scherf, der frühere regierende Bürgermeister von Bremen. In seinem Werk "Das letzte Tabu: Über das Sterben reden und den Abschied leben lernen", gemeinsam entstanden mit Annelie Keil und Uta von Schrenk, fordert Scherf eine gesellschaftliche Kursänderung und stellt die grundsätzliche Frage: Wie wollen wir sterben?

Dass Scherf dieses Thema nicht mit einem todgrauen Gewand kleidet, das liegt schlicht in seiner Persönlichkeit begründet. Scherfs offene und direkte, lebensbejahende Art macht es leichter, sich mit dem zu befassen, was Homburgs Bürgermeister Klaus Roth in seiner Begrüßung im großen Sitzungssaal des Homburger Forums als einzige, wirkliche Gewissheit im Leben bezeichnete: dem Tod.

In seinen einleitenden Schilderungen skizzierte Scherf sein und das Anliegen seiner Mitautorin Annelie Keil, kein Trauerbuch zu schreiben. "Wir wollten kein Buch schreiben mit Patentrezepten und Regeln. Sondern wir wollen versuchen, dass dieses Thema wieder in die Gesellschaft zurück integriert wird."

Realität sei aber, dass die "meisten Menschen in Institutionen sterben. Wir möchten dazu beitragen, dass das Sterben wieder seinen Platz findet in einer altersveränderten Gesellschaft. Wir möchten, dass wir es hinbekommen, auch unsere letzten Jahre in der Gesellschaft und mittendrin erleben können. Dass wir begleitet werden, dass wir nicht alleine gelassen werden, dass wir nicht abgeschoben werden. Wir möchten das zu einem Projekt der Zivilgesellschaft machen. Das ist unser Anspruch."

Scherfs großes Thema und sein engagierter Auftritt am Dienstagabend markierten den Abschluss der dritten Homburger Lesezeit. Und mit der zeigten sich die Initiatorinnen Jutta Bohn vom Frauen-Kulturstammtisch und Patricia Hans, Leiterin der Akademie für Ältere der Volkshochschule Homburg, sichtlich zufrieden. Die Auflage 2016/2017 sei ganz hervorragend gelaufen, "so gut, dass wir nicht aufhören können", lachte Jutta Bohn und machte damit klar, dass es auch eine vierte Lesezeit geben werde.

Als Kooperation mit der Stadtbücherei Homburg und dem Hombuch-Macher Ulrich Burger habe sich die Lesezeit mit den Jahren zu einem echten Publikumsmagneten entwickelt, ein Weg, den man am Anfang so nicht erwartet habe. "Mit einem solchen Erfolg haben wir nicht gerechnet, zu Beginn war alles offen", gestand Jutta Bohn ein. "Wir haben eigentlich gedacht, dass das eine gemütliche Geschichte abends im Stadtcafé wird. Und am Anfang hatten wir auch nicht diesen immensen Zuspruch, wie das jetzt der Fall ist. Aber es hat sich gesteigert."

Mit-Initiatorin Patricia Hans fasste die Steigerung in Zahlen. "Wir haben uns mal die Mühe gemacht und einen Besucherschnitt ausgerechnet. Und dieser Schnitt liegt bei 68, das ist gigantisch."

Vor allem vor dem Hintergrund, so Hans, dass die Homburger Lesezeit im witterungsungünstigen Winter stattfinde und viele der Gäste eher älter seien. "Das ist schon toll!"

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