Sechsköpfiges Gremium im Bistum Speyer Sexueller Missbrauch wird aufgearbeitet

Homburg/St Ingbert · Eine unabhängige Kommission arbeitet für die Katholische Kirche im Bistum Speyer an dem Thema. Man geht von 89 Tätern aus. Nun war eine zweite Arbeitssitzung.

 In den Augen vieler tut die Katholische Kirche nach wie vor zu wenig, um die zahlreichen Missbrauchsfälle in ihren Reihen aufzuarbeiten. Nun hat eine Unabhängige Kommission für das Bistum Speyer seine Arbeit aufgenommen und will genau hier vorankommen.

In den Augen vieler tut die Katholische Kirche nach wie vor zu wenig, um die zahlreichen Missbrauchsfälle in ihren Reihen aufzuarbeiten. Nun hat eine Unabhängige Kommission für das Bistum Speyer seine Arbeit aufgenommen und will genau hier vorankommen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Eine unabhängige Aufarbeitungskommission für das Bistum Speyer zur Untersuchung des sexuellen Missbrauchs hat sich kürzlich auf Einladung von Generalvikar Andreas Sturm im Bischöflichen Ordinariat zu ihrer zweiten Sitzung getroffen. Dabei besuchte sie das Bistumsarchiv, in dem die Personalakten der verstorbenen Priester und Diakone der Diözese aufbewahrt sind. Zum Bistum gehört der komplette Saarpfalz-Kreis bis auf Rentrisch.

Wie das Bistum mitteilt, erläuterte Pfarrer Matthias Köller, Mitarbeiter im Archiv, die Aufarbeitung der Personalakten für die große sogenannte MHG-Studie, die von der Deutschen Bischofskonferenz zum sexuellen Missbrauch in Auftrag gegeben und 2018 veröffentlicht wurde. Im Rahmen dieser Studie wurden deutschlandweit 38 156 Personal- und Handakten aus 27 Diözesen aus den Jahren 1946 bis 2014 durchgesehen. Bei 1670 Klerikern fanden sich Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. Für Speyer wurde von 89 mutmaßlichen Tätern („suspected persons“) ausgegangen. Es gab 23 staatliche und 54 kirchliche Verfahren. Etwa je zur Hälfte endeten sowohl die staatlichen wie die kirchlichen Verfahren mit einer Bestrafung. Über diese Zahlen hinaus ist von einer Dunkelziffer auszugehen.

Die Ergebnisse dieser MHG-Studie bildeten die Grundlage für die Arbeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Bistum Speyer, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich im letzten Jahr in einer Gemeinsamen Erklärung mit Johannes-Wilhelm Rörig, dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung auf verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland verständigt. Zentrales Instrument sind Unabhängige Kommissionen.

Die Unabhängige Kommission für das Bistum Speyer besteht aus Wolfgang Becker, ehemaliger Präsident des Amtsgerichts Saarbrücken, benannt von der saarländischen Landesregierung, Bernd Held, Sprecher des Betroffenenbeirates und einer weiteren vom Betroffenenbeirat benannten Person, Karl Kunzmann, benannt vom Katholikenrat Speyer, Sonja Levsen, Historikerin an der Universität Freiburg, die zur Geschichte von Erziehung, Gewalt und Kindheit forscht,Mareike Ott, Diplom-Psychologin in einer Fachstelle gegen Sexualisierte Gewalt an Frauen und Mädchen, und sowie Bernhard Scholten, Ministerialdirigent a.D. im rheinland-pfälzischen Sozialministerium, benannt von der Landesregierung Rheinland-Pfalz.

Die beiden unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums für Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch, Dorothea Küppers-Lehmann und Ansgar Schreiner, die beiden Präventionsbeauftragten, Christine Lormes und Olaf von Knobelsdorff und Hanna Wachter, die als Juristin die Geschäfte der unabhängigen Ansprechpersonen und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission führt, sind ständige Gäste der Kommission. Die Kommission kann weitere Gäste zu ihren Sitzungen einladen.

Nach dem Einblick ins Bistumsarchiv erläuterte Ordinariatsdirektorin Christine Lambrich, Personalleiterin, der Kommission den Aufbau der aktuellen Personalakte für Priester und Diakone, denn ein Ergebnis der MHG-Studie war, dass die Akten in den Bistümern unsystematisch geführt wurden und damit kaum miteinander vergleichbar waren. Schließlich gaben Marcus Wüstefeld, Justiziar, und Hanna Wachter, die als Juristin die Geschäfte der beiden unabhängigen Ansprechpersonen des Bistums für Betroffene sexuellen Missbrauchs führt, einen Einblick in die aktuellen Fallakten. Wenn eine Person einem der beiden Ansprechpersonen berichte, dass sie missbraucht wurde, werde eine Fallakte angelegt. Somit seien alle dem Bistum bekannten Fälle im Detail dokumentiert.

Diese Fallakten gäben Hinweise, an welchen Orten Kinder und Jugendliche Missbrauch und Gewalt erfahren haben, sie gäben Hinweise auf beschuldigte Personen. Die Personalakten könnten dann Aufschluss darüber geben, ob dieses Ereignis auch dokumentiert wurde; dabei gäben die aktuellen Akten Auskunft über lebende Personen, im Bistumsarchiv fänden sich solche zu den Verstorbenen.

Zentrales Ziel der Kommissionsarbeit sei es, anhand der bekannten Fälle die Strukturen und Mechanismen innerhalb der katholischen Kirche im Bistum Speyer offen zu legen, die sexualisierte Gewalt ermöglichen. Damit nichts ohne Betroffene über Betroffene verhandelt werde, habe sich die Kommission darauf verständigt, dass sie in Abwesenheit der vom Betroffenenbeirat benannten Personen keine Beschlüsse fassen werde. Grundsätzlich strebe die Kommission an, Beschlüsse im Konsens zu treffen, wobei in strittigen Fragen auch Minderheitsvoten möglich seien.

Die Kommission wählte in ihrer 2. Sitzung Bernhard Scholten als Vorsitzenden und Mareike Ott als Stellvertreterin. Für das Jahr 2021 vereinbarten die Kommissionsmitglieder drei weitere Sitzungstermine.

Schritte zur Aufarbeitung des Missbrauchs und zur Verbesserung der Prävention im Bistum Speyer gibt’s unter

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