Theatergastspiel in Homburg Arsen und Spitzenhäubchen ganz heiter

Homburg · Das Kriminalstück um die liebenswerten, aber leider vollkommen irren, älteren Damen und ihre Morde begeisterte im Saalbau.

 Arsen im Wein und mörderische Spitzenhäubchen: Nur mit einem beherzten Einschreiten kann Mortimer (Matti Wien, rechts) den ahnungslosen Mister Gibbs (Gert Melzer) vor der gut gemeinten Wahnsinnstat seiner beiden Tanten Martha (Anette Felber, links) und Abby (Vera Müller) retten.

Arsen im Wein und mörderische Spitzenhäubchen: Nur mit einem beherzten Einschreiten kann Mortimer (Matti Wien, rechts) den ahnungslosen Mister Gibbs (Gert Melzer) vor der gut gemeinten Wahnsinnstat seiner beiden Tanten Martha (Anette Felber, links) und Abby (Vera Müller) retten.

Foto: Thorsten Wolf

Ohne Zweifel, Joseph Kesselrings Klassiker „Arsen und Spitzenhäubchen“ ist ein Meisterwerk des schwarzen Humors. Nie zuvor und eigentlich auch nie wieder danach wurde eine Serienmörderei so elegant, so liebenswert auf der Bühne präsentiert. Würden nicht gar so viele Menschen sterben, man wünschte sich fast, die Mörderinnen würden zur eigenen Familie gehören.

Denn: Die beiden Schwestern Abby und Martha Brewster sind an Liebenswürdigkeit, Hilfsbereitschaft, Nächstenliebe und bürgerlicher Beständigkeit kaum zu übertreffen. Einziges Problem ist da nur, dass sie es eben gerade mit der Nächstenliebe ein wenig zu lieb nehmen – und in würdiger Regelmäßigkeit alleinstehende Männer, die im Haus der beiden ein Zimmer mieten wollen, mit Arsen und einigen anderen potenten Giften ins Jenseits befördern.

Das Ergebnis ist schrecklich, der Anlass eine mitfühlende Seele. Denn den beiden geht es nicht ums Töten, sondern darum, einsamen Menschen den direkten Weg zu Gott zu ebnen.

So sitzt der Tod immer mit am Tisch, wenn Abby und Martha einen neuen und für die letzte Reise geeigneten „Mieter“ mit einem Gläschen ihres „besonderen“ Weins aus dem Diesseits scheiden lassen. Am Donnerstag nun brachte das Kriminal Theater Berlin den Klassiker, vielen wahrscheinlich auch in seiner Capra-Verfilmung mit Cary Grant in der Hauptrolle, auf die Bühne des Homburger Saalbaus. In Cary Grants Fußstapfen als Mortimer Brewster kam Matti Wien die Aufgabe zu, gute Miene zum nicht wirklich böse gemeinten Spiel seiner beiden Tanten zu machen – nachdem er per Zufall und inmitten einer blumigen Phase der Verliebtheit in einer Fensterbank eine der Leichen entdeckt, die Martha (Anette Felber) und Abby (Vera Müller) noch nicht ordnungsgemäß im Keller zur letzten Ruhe gebettet haben. So entspinnt sich unter der Regie von Wolfgang Rumpf und vor angenehm zahlreichen Besuchern im Saalbau diese kurios schwarzhumorige Geschichte.

An der hat auch Mortimers sichtlich aus dem Ruder laufender Bruder Teddy (Klaus Rätsch) seinen wichtigen Anteil. Denn: Teddy hält sich für Präsident Theodore Roosevelt. Und immer dann, wenn Abby und Martha eine Leiche loswerden müssen, bekommt Teddy den Auftrag, im „Panama-Kanal eine neue Schleuse“ auszuheben. Panama liegt allerdings im Keller des Hauses von Abby und Martha – und der gute, aber völlig geisteskranke Teddy ist nicht mehr und nicht weniger als der unfreiwillige Totengräber der beiden. So erkennt der rechtschaffene und biedere Mortimer, dass er tatsächlich in seiner Familie von Irren umgeben ist. Liebenswert, aber völlig irre. In Mortimers Versuche, eben seine Familie vor dem Gesetz zu schützen, platzt dann auch noch der dritte Bruder, Jonathan.

Was dessen beide Tanten aus eingebildeter Barmherzigkeit tun, dass ist für Jonathan Brewster Beruf – er ist ein ganz „klassischer Serienmörder“ — Wahnsinn hat bei den Brewsters Methode, und jeder hat eine Leiche im Keller, Martha und Abby sogar tatsächlich und derer zwölf. Dieses Gewirr von Tod und Mord und Wahnsinn zum Lacher zu machen, das schafft die Inszenierung der Berliner Kriminal Theaters gut. Dabei bleiben sich anbiedernde Kalauer aus, seinen Witz zieht das Stück aus der fulminanten Kollision von absoluter Spießbürgerlichkeit und absolut mörderischem Wahnsinn. Zwischen diesen beiden Polen, diesen beiden Welten pendelt Mortimer Brewster hin und her: Zu Beginn der liebestrunkene Theaterkritiker, der seiner Angebeteten Elaine (Maria Jany) nur zu gerne den Hof macht, in der Mitte der einzig und verzweifelte Normale in einer Welt voller Irrer – am Ende der, der die Normalität wieder herstellt – und ganz nebenbei auch noch potenziellen Opfern wie dem guten Mister Gibbs (Gert Melzer) das Leben rettet.

Und die Moral von der Moritat: Nicht selten ist nichts so wie es scheint, nicht selten verbergen sich, metaphorisch gesprochen, im Keller der schönsten Häuser die meisten Leichen, nicht selten tarnt sich Wahnsinn mit liebenswerter Normalität.

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