„Alle Veranstaltungen waren auf ihre Art großartig“

Homburg · Demokratie und Freiheit sind keine Geschenke, die großzügig gewährt werden oder die einem Land in den Schoß fallen. Man muss dafür kämpfen, sich mit den Mächtigen anlegen oder sogar eine Gefängnisstrafe riskieren.

 Der vor kurzem verstorbene Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour war einer der bekanntesten Preisträger. Foto: Willi Hiegel

Der vor kurzem verstorbene Journalist und Publizist Peter Scholl-Latour war einer der bekanntesten Preisträger. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel
 Landrat Clemens Lindemann (Bildmitte), der noch von einer Chemotherapie gezeichnet, aber inzwischen auf dem Weg der Besserung ist, im Gespräch mit den SZ-Redakteuren Manfred Krause (rechts) und Peter Neuheisel. Foto: Thorsten Wolf

Landrat Clemens Lindemann (Bildmitte), der noch von einer Chemotherapie gezeichnet, aber inzwischen auf dem Weg der Besserung ist, im Gespräch mit den SZ-Redakteuren Manfred Krause (rechts) und Peter Neuheisel. Foto: Thorsten Wolf

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 Landrat Clemens Lindeman mit Preisträger Siegbert Schefke bei einem Siebenpfeiffer-Festbankett in Homburg. Foto: Thorsten Wolf

Landrat Clemens Lindeman mit Preisträger Siegbert Schefke bei einem Siebenpfeiffer-Festbankett in Homburg. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

"Die Demokratiebewegung im 19. Jahrhundert gehört für mich zum besseren Teil der deutschen Geschichte", betonte Landrat Clemens Lindemann anlässlich seines Besuchs in unserer Redaktion.

Es ging darum, auf 25 Jahre Siebenpfeiffer-Stiftung zurückzublicken und eine Bilanz zu ziehen - denn es sind auch 25 Jahre unter der Ägide des Landrats, der diese Stiftung 1989 gegründet hat. Was ihn allerdings immer etwas geärgert habe, war die Tatsche, "dass ausgerechnet dieser deutschen Freiheitsbewegung in der öffentlichen Wahrnehmung nie die Bedeutung zugekommen ist, die sie verdient hat".

So war es auch kein Wunder, dass das Wirken der beiden Vorkämpfer für die Demokratie und die Pressefreiheit , Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann August Wirth, noch bis vor 30 Jahren nicht wirklich ins Bewusstsein der Saarpfälzer vorgedrungen war. Das wollte Clemens Lindemann ändern, denn er hatte einen guten Grund dafür: "Ich wurde Landrat des Saarpfalz-Kreises - und Philipp Jakob Siebenpfeiffer war als Landcommissär sozusagen mein Amtsvorgänger. Noch dazu einer, der echten Mut bewiesen hatte. Das war für mich der ausschlaggebende Punkt, mich mit dieser interessanten Persönlichkeit zu befassen."

Siebenpfeiffer kam als Verwaltungsbeamter 1818 nach Homburg mit der Aufgabe, 79 Gemeinden mit etwa 40 000 Einwohnern zu verwalten. In der ersten Hälfte seiner Amtszeit erledigte Siebenpfeiffer das, was Lindemann auch tat: Er baute Schulen und Verkehrswege aus und versuchte, die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu verbessern.

Erst unter dem Einfluss der französischen Juli-Revolution von 1830 begann er, mit journalistischen Mitteln die politischen Zustände anzugreifen. 1830 erschien sein Artikel "Nur keine Revolution in Deutschland", die ihn "seinen Job kostete", wie man heute sagen würde.

Gemeinsam mit dem Münchner Journalisten Johann Georg August Wirth kämpfte er fortan für die Pressefreiheit , wurde nach dem Hambacher Fest 1832 verhaftet, freigesprochen, erneut verhaftet und konnte am Ende in die Schweiz entkommen, wo er 1845 im Alter von 55 Jahren starb. Ein bewegtes Leben, dessen Ziel nicht dem Vergessen anheim fallen sollte - das beschlossen vor 25 Jahren Landrat Clemens Lindemann und eine Gruppe von Mitstreitern, darunter auch der St. Ingberter Redakteur und Literaturexperte Fred Oberhauser.

Ziel war es, nicht nur das Andenken an den Mut der beiden frühen Demokraten Siebenpfeiffer und Wirth wieder ins Bewusstsein zurückzubringen, sondern auch "etwas Modernes zu machen", so Lindemann, schließlich könne man "nicht nur von der Vergangenheit leben". Und so wurde die Idee geboren, mutige Journalisten auszuzeichnen, die ebenfalls ihre Stellung, ihre Sicherheit oder sogar ihr Leben riskierten, um die freie Berichterstattung zu gewährleisten.

Was danach kam, wurde unter dem Namen "Siebenpfeiffer-Preis" ein Markenzeichen der Saarpfalz, eine Veranstaltung mit hohem Niveau, hervorragenden Preisträgern und wunderbaren Reden. "Nach jeder Preisverleihung haben wir gesagt: Das war großartig, das lässt sich nicht mehr überbieten. Und dann kam die nächste Verleihung, und es war noch besser", erinnert sich Landrat Lindemann.

Alle Kandidaten haben gerne den Preis angenommen, einige hätten zwar anfangs mit dem Namen Siebenpfeiffer nicht viel anfangen können, "aber bei näherer Beschäftigung mit dem Thema waren alle überzeugt, dass dieser mutige Demokrat es verdiene, dass sein Andenken weitergetragen werde".

Die 25 Jahre Siebenpfeiffer-Stiftung seien für die Identität des Saarpfalz-Kreises prägend gewesen, "wir haben viele großartige Gäste hier gehabt, die sonst nicht gekommen wären." Natürlich sei die Organisation knifflig gewesen, es war nie einfach, Preisträger und Festredner zeitlich unter einen Hut zu bekommen, "da hängen sich Bernhard Becker, der Geschäftsführer der Stiftung, und Martin Baus, der wissenschaftliche Mitarbeiter, schon Monate vorher richtig rein."

Einen Höhepunkt innerhalb der 25-jährigen Preisgeschichte könne er nicht nennen, sagt Lindemann: "Alle Veranstaltungen waren auf ihre Art großartig". Ein paar Einzelheiten fielen ihm dann aber doch ein: "Meine Güte, wenn man sich vorstellt, was passiert wäre, wenn Aram Radomski und Siegbert Schefke dabei erwischt worden wären, als sie verbotenes Filmmaterial von den Montagsdemonstrationen in Leipzig in den Westen geschmuggelt haben. Die wären sofort und ohne Prozess ins Gefängnis nach Bautzen gewandert. Die haben damals sehr viel riskiert."

Erst dank dieser beiden mutigen Männer erfuhr man im Westen überhaupt davon, dass es in der DDR gärte. Oder Preisträger Peter Scholl-Latour, der Leib und Leben riskiert hat, weil es für ihn nur eine gültige Form der Berichterstattung gab: selbst ganz vorne dabei zu sein. Als Festredner erinnert sich Landrat Lindemann gerne an Theo Waigel , der nicht nur eine sehr humorvolle Laudatio auf den Preisträger Detlef Drewes hielt, sondern auch eine Lanze für Europa brach. Es war eine Freude, ihm zuzuhören. Was auch für Preisträger Günter Wallraff zutraf, der bei seinem Besuch in Homburg sehr unterhaltsam von seinen Abenteuern in der deutschen Arbeitswelt berichtete. Lindemann kommt ins Grübeln: "Sie waren alle gut!" Es seien in den 25 Jahren eben nicht nur mutige Journalisten ausgezeichnet worden, sondern es sei gleichzeitig auch der Zeitgeist eines Vierteljahrhunderts abgebildet worden. Denn Gefahren für Leib und Leben gab es in den vergangenen 25 Jahren genauso wie zu Siebenpfeiffers Zeit. Der Mut, den man aufbringen muss, um Ungerechtigkeiten - auch unter hohem persönlichen Einsatz - aufzudecken, ist bis heute ein rares Gut geblieben.

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