Ärger um Kinderkrankenpflege: Ausbildung soll verallgemeinert werden - Kinderklinik-Mitarbeiter wehren sich

Homburg · Die Kinderkrankenschwestern in Homburg sind ärgerlich, denn die bisherige bewährte Ausbildung soll zugunsten einer allgemeinen Pflegeausbildung abgeschafft werden. Sie haben gemeinsam mit den Ärzten nun eine Petition unterzeichnet.

Wann muss ein Kind zum Arzt? Manche Eltern kommen schon bei einem Bienenstich, der ein bisschen anschwillt. Andere bringen ein Kind erst vorbei, wenn es schon blau angelaufen ist und nach Luft schnappt. Es gehöre viel Erfahrung dazu, die Gefahr richtig einzuschätzen, in der ein Kind schwebe, sagen die Kinderkrankenschwestern am Uniklinikum in Homburg .

Sie sind ärgerlich, denn ein aktueller Referentenentwurf der Bundesregierung zur Reform des Pflegeberufs sieht vor, die Fachausbildung zur Kinderkrankenschwester abzuschaffen. Künftig wird es dann nur noch eine generelle Pflegeausbildung geben - mit einer Spezialisierung im letzten der drei Ausbildungsjahre.

Dagegen wehren sich nun Eltern-, Ärzte- und Pflegeverbände, auch in Homburg (wir berichteten). "Die Kompetenz in der Kinderpflege wird künftig nur noch nach der Devise ,learning by doing' erworben werden. Das wollen wir nicht", ärgert sich Steffi Lehmann-Kannt, Kinderärztin am Uniklinikum, "das können wir im Interesse unserer Kinder nicht gut heißen."

Wer bisher Kinderkrankenschwester werden wollte, hatte von Anfang an eine auf Kinder ausgerichtete Ausbildung, "und selbst die bildet ja nur die Grundlage für den Beruf. Richtig hinein wächst man erst, wenn man täglich auf der Station lernt, für die Belange der Kinder Augen und Ohren offen zu halten", betont eine erfahrene Kinderkrankenpflegerin an der Universitäts-Kinderklinik.

Vom winzigen Frühchen, das an komplizierten Geräten hängt, bis zu einem verunglückten Jugendlichen mit mehreren Knochenbrüchen reicht das Spektrum in der Kinderklinik - und es solle keiner sagen, dass künftige Kinderkrankenschwestern dieser Aufgabe mit einer allgemein gehaltenen zweijährigen Basisausbildung plus einem Jahr Spezialisierung besser gewachsen seien als bisher, so Lehmann-Kannt. Warum etwas abschaffen, was sich bewährt habe?

Die Verbände der Kinder- und Jugendmedizin (BVKJ) unterstützen daher uneingeschränkt die Bundestagspetition. BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach betonte: "Der Beruf der Kinderkrankenschwester muss bleiben. Kranke Kinder haben ein Recht, so gut wie möglich medizinisch versorgt zu werden. Dazu gehört auch eine Pflege, die sich an ihren Bedürfnissen ausrichtet. Kranke Kinder haben völlig andere psychische Bedürfnisse als kranke Erwachsene. Es darf nicht sein, dass nun Politiker eine bewährte Fachausbildung kaputt reformieren dürfen, nur um auf Kosten kranker Kinder Geld zu sparen."

Der Beruf der Kinderkrankenschwester, der am Schulzentrum des Uniklinikums in Homburg gelehrt wird, erfreut sich großer Beliebtheit, bis zu 90 junge Leute - meist Mädchen - beginnen in jedem Jahr diese Ausbildung, das ergab eine Nachfrage bei der dortigen staatlich anerkannten Schule für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. In den kommenden Wochen wird in allen Kinder- und Jugendarztpraxen in ganz Deutschland den Eltern Gelegenheit gegeben, die Petition zu unterschreiben. 50 000 Unterschriften werden benötigt, um eine öffentliche Sitzung des Bundestags zu diesem Thema zu erreichen.

Meinung:
Bachelor of Gesundheit

Von SZ-Redakteurin Christine Maack

Wenn man einen Pflegeberuf ergreift, kommt man nicht drumherum, sich täglich mit Patienten zu beschäftigen. Je intensiver man diese Arbeit macht, desto mehr Erfahrung sammelt sich an. Das gilt besonders in der Kinderkrankenpflege. Unfälle, schwere Kinderkrankheiten, Kummer - alles schon mal behandelt. Wie gut, dass man einen Beruf hat, bei dem man angesammeltes Wissen jederzeit abrufen kann. Doch anstatt die Ausbildung von Anfang an zu spezialisieren, wie es sich in der Kinderkrankenpflege bewährt hat, geht die Politik den anderen Weg. Nicht die Arbeit am Patienten wird verstärkt, sondern es wird eine sinnlose Akademisierung vorangetrieben, die nur den Hochschulen nützt, die so etwas anbieten. Aber nicht den Kliniken. Etwa der Bachelor-Studiengang "Gesundheit und Pflege", das Fach "Angewandte Pflegewissenschaft", der Studiengang "Fitness- und Health-Management" oder gar "Bachelor of Gesundheitstourimus".

Da werden Absolventen herangezogen, die, in Konkurrenz zu den Ärzten, dem Pflegepersonal künftig wohl auch noch sagen wollen, wo es langgeht. Die aber nicht mehr einem Kind ein Pflaster aufkleben oder es beim Pipimachen begleiten wollen. Damit ist am Ende niemandem geholfen.

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