Freizeitausgleich wird nicht gewährt Zu viel Arbeit bei ThyssenKrupp Gerlach

Homburg · Die Auftragslage ist so gut, dass nicht allen Mitarbeitern tarifliche Freistellungen gewährt werden können. Die IG Metall verurteilt dies.

 Im Werk des Homburger Kurbelwellenherstellers Thyssen-Krupp-Gerlach fällt nach Aussagen des Firmensprechers derzeit so viel Arbeit an, dass von 207 Anträgen auf acht freie Tage (tarifliches Zusatzgeld) nur 112 Mitarbeiter davon Gebrauch machen können. Die übrigen 95 Anwärter auf Freistellung kämen erst dran, wenn die Auftragslage es erlaube, so das Unternehmen. Die Gewerkschaft IG Metall hat für dieses Verhalten überhaupt kein Verständnis.

Im Werk des Homburger Kurbelwellenherstellers Thyssen-Krupp-Gerlach fällt nach Aussagen des Firmensprechers derzeit so viel Arbeit an, dass von 207 Anträgen auf acht freie Tage (tarifliches Zusatzgeld) nur 112 Mitarbeiter davon Gebrauch machen können. Die übrigen 95 Anwärter auf Freistellung kämen erst dran, wenn die Auftragslage es erlaube, so das Unternehmen. Die Gewerkschaft IG Metall hat für dieses Verhalten überhaupt kein Verständnis.

Foto: Thorsten Wolf

Lieber Freizeit als Gehalt – das ist aufgrund des IG-Metall-Tarifvertrages zum tariflichen Zusatzgeld (T-Zug) seit vergangenem Jahr auch bei den Unternehmen in Homburg möglich. Allerdings nur eingeschränkt bei Thyssen-Krupp  Gerlach, wie Ralf Reinstädtler, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Homburg-Saarpfalz, kritisiert. Von 207 Anträgen auf eine Freistellungsmöglichkeit wurden 95 vom Unternehmen abgelehnt. Die Geschäftsführung des Kurbelwellen-Bauers nehme damit „ein trauriges Alleinstellungsmerkmal ein“. Viele Angestellte hätten „jedes Vertrauen verloren, dass ihre Ansprüche und Rechte von der Geschäftsführung beachtet und respektiert werden“, so die Gewerkschaft weiter.

Worum geht es? Beim Tarifabschluss, den die IG Metall vom Februar 2018 für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie erreichte, ist auch die tarifliche Freistellungsmöglichkeit „T-Zug“ enthalten. Wer entsprechend lange im Betrieb arbeitet, Kinder betreut, Angehörige pflegt oder in Schichtmodellen arbeitet, kann eine neue tarifliche Sonderzahlung auch in acht zusätzliche freie Tage umwandeln. Bundesweit bevorzugten Mitarbeiter  die freien Tage deutlich an Stelle der Sonderzahlung, so auch in Homburg.

In den zwölf Betrieben, die die hiesige IG Metall betreut, hatten 4071 von 6730 Anspruchsberechtigten einen Antrag gestellt. Firmen wie Bosch (1772 Anträge), Schaeffler (1002), Bosch Rexroth (205) hatten alle genehmigt. Nicht so ThyssenKrupp Gerlach. Hier wurden 112 genehmigt, 95 abgelehnt.

Das sei unverständlich, „da es sich um das Unternehmen mit den weitestgehend flexiblen Arbeitszeitmodellen“ handele, findet Reinstädtler. Hier habe auch der „Geschäftsführer stets seinen Unmut über den Tarifabschluss und den Arbeitgeberverband zum Ausdruck gebracht“. Jetzt wende er den Tarifvertrag nicht an. Einseitig, also ohne Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder der IG Metall, habe er Abteilungen im Genehmigungsverfahren ausgenommen, die in den Monaten Januar bis Oktober 2018 einen Krankenstand von mehr als sieben Prozent aufwiesen.

Reinstädtler: „Diese Regelung widerspricht unserem Tarifvertrag, dem Willen der Tarifvertragsparteien und ist folglich zu kritisieren.“ Außerdem seien dort einseitig Hürden in den Genehmigungsprozess eingezogen worden, die dazu geführt hätten, dass Anspruchsberechtigte ihre Anträge wieder zurückgezogen hätten.

Reinstädtler erklärt, in der „Belegschaft ist der Ärger über diese Entscheidung der Geschäftsführung mehr als greifbar“. Für die Gewerkschaft sei das Verhalten „nicht nachzuvollziehen und nicht akzeptabel. Die Mitarbeiter, deren Anträge abgelehnt wurden, haben in der Regel in 2018 an vielen Feiertagen gearbeitet, ihre Schichtfahrweisen mehrfach verändert, um die Kundenbedürfnisse zu befriedigen.“

Thyssen-Krupp-Sprecher Konrad Böcker weist den Verdacht zurück, das Unternehmen erkenne den tariflichen Anspruch auf zusätzliche Freistellungen nicht an. „Selbstverständlich“ tue es das, zumal diese neue Regelung bei sämtlichen Thyssen-Krupp-Standorten umgesetzt werde.   Der Anspruch gelte aber nicht uneingeschränkt, er richte sich auch nach der Auslastungssituation des jeweiligen Standortes. Ergibt für Homburg laut Böcker folgende  Situation: Weil man dort so viel zu tun habe, könnten nicht alle Leute die zusätzlichen freien Tage in einem ähnlichen Zeitraum nehmen.

Die Geschäftsführung sei dem Unternehmen gegenüber verpflichtet und dafür verantwortlich, dass der Betrieb bei einer großen Auftragslage aufrecht erhalten werde und die Kunden fristgerecht bedient werden könnten, so der Sprecher. Böcker räumt ein, man habe „Kriterien für eine gerechte Auswahl benannt [..], um die Kundenanforderungen weiterhin erfüllen zu können“. Erst wenn die Arbeit weniger werde, könne man weitere Anträge in Sachen T-Zug genehmigen und werde dies auch tun.

Für Reinstädtler von der IG-Metall geht diese „Argumentation an der Sache vorbei“, etwa indem man einen Zusammenhang mit einem Krankenstand in den Abteilungen konstruiert habe: „Ein Mitarbeiter, der einen Angehörigen pflegt, vielleicht mehrmals in der Nacht deswegen aufstehen muss und kaum zur Ruhe kommt, ärgert sich über das Vorgehen von Thyssen-Krupp Gerlach zutiefst. Auf diese Belastungssituation des Beschäftigten zu entgegnen, dass auf Ihn keine Rücksicht genommen werden kann, weil er zufällig in einer Abteilung mit hohem Krankenstand arbeitet, ist unzulässig“.

Die betroffenen Mitarbeiter hätten derzeit „nur“ die Möglichkeit, individuell ihr Recht einzuklagen oder über den Betriebsrat ein Einigungsstellenverfahren anzustrengen. Bisher seien Reinstädtler keine solchen Fälle bekannt. Für ihn könnte das Unternehmen die Sache einfach lösen: indem es mehr Personal einstelle.

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