Ein sehr denkwürdiges Jubiläum Ein denkwürdiges Jubiläum und Menschen, die Einsicht üben

Habkirchen/Reinheim · An den Grenzen von Habkirchen und Reinheim: Genau 25 Jahre nach Schengen gelten zwischen den Nachbarstaaten vorübergehend andere Gesetze.

Die Grenze zwischen Reinheim und Bliesbruck, für Fahrzeuge und Menschen nicht passierbar.

Die Grenze zwischen Reinheim und Bliesbruck, für Fahrzeuge und Menschen nicht passierbar.

Foto: Wolfgang Degott

In kleiner Besetzung steht die Bundespolizei auf der mit weißer Farbe markierten Sperrfläche kurz vor dem früheren Grenzübergang, der Habkirchen und Frauenberg trennte. Das macht er auch heute wieder, denn mit Kontrollen soll verhindert werden, dass sich das Coronavirus schnell von Land zu Land ausbreitet. Drei Beamte halten die Fahrzeuge an, die aus Frankreich kommend ins Saarland wollen. Und die meisten Autofahrer, ob Franzosen oder Deutsche, haben schon alle Dokumente zur Hand, die sie zum Grenzübertritt legitimieren.

Deutsche, die aus Frankreich kommen, brauchen zunächst keinerlei Begründung, warum sie einreisen. Trotzdem weiß Eberhardt Karsten, der Pressesprecher der Bundespolizei in Bexbach, dass viele Deutsche Erledigungen in Frankreich machen. Oft Deutsche, die Grundbesitz an den Lothringer Weihern haben und nach dem Rechten sehen. Einige fahren auch nach Frankreich, um Einkäufe zu erledigen, was allerdings nur funktioniert, wenn man sich an die strengen französischen Reglementierungen hält. So braucht man einen Passierschein, und die Geschäfte lassen nur sehr wenige Kunden gleichzeitig einkaufen. So sind es, so Eberhardt, sehr wenige Deutsche, die derzeit nach Frankreich wollen.

Umgekehrt sieht es anders aus. Viele Franzosen arbeiten in Deutschland, sie haben dann eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers, die sie bei der Kontrolle vorweisen können. „Insgesamt ist der Verkehr über die Grenze stark rückläufig“, sagt Eberhardt.

Durch die Bank einsichtig sind sowohl Deutsche als auch Franzosen, und nur ganz selten gibt es Grund zu Diskussionen. Wie etwa im Fall eines Franzosen, der nach Deutschland wollte und erklärte, er müsse zur Arbeit. Bloß, die Firma, bei der er beschäftigt ist, hatte schon Tage zuvor alle Franzosen von der Arbeit freigestellt. Nach ein paar Nachfragen schließlich gab er zu, billig tanken und in Deutschland einkaufen zu wollen. Dass er ohne Grenzübertritt zurückgewiesen wurde, verstand er dann doch selbst. Ein anderer Franzose beschwerte sich schriftlich, dass seine Frau, die an einem gesperrten Grenzübergang alle aufgestellten Schilder und Schikanen ignorierte und umfuhr, nach ihrem illegalen Grenzübertritt von deutschen Beamten kontrolliert und – kostenfrei – belehrt worden war. Die Bundespolizei konnte den aufgebrachten Franzosen schließlich damit beruhigen, dass der einzige Ermessenspielraum, den die deutschen Beamten hatten, darin lag, dass sie es mit einer kostenfreien Belehrung bewenden ließen. Andere Varianten des deutschen Ermessenspielraums wollte der Franzose dann doch nicht kennen lernen.

Die Kontrollen in Habkirchen finden täglich von früh bis spät abends statt. In der Nacht wird durch verstärkte Streifen der Grenzübergang überwacht.

Es ist schon etwas befremdlich und beklemmend, nähert man sich jetzt dem Reinheimer Sportplatz auf der einen und dem ehemaligen Zollgebäude auf der anderen Straßenseite. 28 Jahre führte die Robert-Schuman-Straße ohne Barriere ins französische Bliesbruck, in die dortige Rue Robert Schuman. Dem grassierenden Corona-Virus ist es zu verdanken, dass durch die Straße, die jetzt unpassierbar ist – die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich wieder sichtbar wurde. Genau 25 Jahre nach dem 26. März 1995, als das Schengener Abkommen in Kraft trat, stellten Mitarbeiter des saarländischen Landesamtes für Straßenwesen Straßensperren und ein Durchfahrtverbotsschild auf. Für die nächste Zeit heißt es sowohl für die Menschen, die aus Lothringen ins Saarland wollen wie auch umgekehrt: umdrehen, um dann den einzigen in der Region geöffneten Durchgang bei Habkirchen zu nutzen. Die neue Situation, die hoffentlich nicht lange andauert, lohnt den Blick zurück in die Geschichtsbücher.

Dort wird sichtbar, dass an dem Punkt zweimal eine „saarländische Grenze“, von Frankreich aus gesehen, existierte. Erstmals als der Völkerbund zwischen 1920 und 1935 das „Saargebiet“ verwaltete und danach, als das „Nachkriegs-Saarland“ in den 1950er Jahren in einer Währungs-, Wirtschafts- und Zollunion mit Frankreich verbunden war. Auf der Webseite der Gemeinde Gersheim ist in der Rubrik „Grenzraum“ unter der Überschrift „Saarlands Grenze/La frontière sarroise“ nachzulesen, dass es sich in der Geschichte aber zumeist um eine Trennlinie handelte, die Frankreich als Nachbarn hatte. So im 18. Jahrhundert gegen die Herrschaft Blieskastel, der Grafschaft Von der Leyen.

Wenig los am Grenzübergang in Habkirchen. Die Beamten der Bundespolizei kontrollieren Einreisende in Richtung Saarland.

Wenig los am Grenzübergang in Habkirchen. Die Beamten der Bundespolizei kontrollieren Einreisende in Richtung Saarland.

Foto: Peter Gaschott

Es folgte nach dem 2. Pariser Frieden und dem Wiener Kongress (1815) die Grenze zwischen Frankreich und dem Königreich Bayern. Nach der Saar-Abstimmung 1935 zwischen Frankreich und Deutschem Reich, nach 1955/1959 zwischen Frankreich und dem dann aber der Bundesrepublik Deutschland beigetretenen Saarland. Und diese Grenze ist immer noch die heutige, auch wenn nach 1992 die Grenzkontrollen entfallen sind und im Schengen-Europa Freizügigkeit über diese Grenze hinweg herrscht.

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