Solidarische Landwirtschaft Gemeinsam wirtschaften, gemeinsam ernten

Limbach · Der Biolandhof Hock in Limbach baut eine Initiative „solidarische Landwirtschaft“ auf. Eine Infoveranstaltung findet im Januar statt.

 Rouven und Bärbel Hock vom gleichnamigen Biolandhof in Limbach.

Rouven und Bärbel Hock vom gleichnamigen Biolandhof in Limbach.

Foto: Jennifer Klein

„Beständig an einem Bauernleben mag einiges sein, wie die Liebe zur Natur, die Verbundenheit mit dem Familienerbe. Der Beruf an sich ist es nicht: Mindestens so sehr wie andere Unternehmer müssen Landwirte innovativ denken und experimentierfreudig sein, wollen sie ihren Besitz nicht verlieren“, so heißt es in der kino.de-Rezension zum Film „Farmer John“ (2005). Diese Dokumentation illustriert die bewegte Geschichte des Farmers John Petersen und zeigt zugleich, was Landwirtschaft alles sein kann: Die väterliche Farm wird vom traditionellen Betrieb mit Kühen, Hühnern und Schweinen in den 70ern zur alternativen Hippie-Kommune, in den 80ern steigt Farmer John auf ökologische Landwirtschaft um, in den 90ern macht er seinen Hof zum CSA-Betrieb „Community Supported Agriculture“. Menschen aus der Gemeinde beteiligen sich finanziell an dem CSA-Betrieb, bekommen dafür Gemüse – zugleich wissen sie, dass sie dem Land und ihren Kindern etwas Gutes tun.

Dieser letztgenannte Grundgedanke steht auch hinter der Solawi-Initiative (kurz für „solidarische Landwirtschaft“) Limbach, die Bärbel und Rouven Hock vom Biolandhof Hock aufbauen. Die Familie Hock ist in Limbach quasi eine Institution, Bärbels Mutter Ursula Hock betreibt neben der Arbeit auf dem Hof auch die Bäckerei in der Hauptstraße. Eine Zeit lang gab es auch einen Hofladen, aber den durchgehend geöffnet zu halten, war personalmäßig schwer zu stemmen. Bärbel Hock ist auf dem Hof aufgewachsen, hat von klein auf mitgeholfen, ob im Stall beim Milchvieh oder auf dem Acker. Später kam die wirtschaftliche Seite hinzu – Buchführung, aber zum Beispiel auch die Saatgut-Bestellung oder die Anschaffung von neuen Maschinen.

Als ihr Großonkel starb, stieg sie – obwohl sie damals noch Agrarwissenschaft in Stuttgart studierte – verstärkt auf dem Hof ein, gemeinsam mit ihrem Mann Rouven. 2006 stellten die beiden den Hof auf Bio-Anbau um – seit damals tragen sie sich auch schon mit der Idee zu einer solidarischen Landwirtschaft. Das heißt im Wesentlichen: „Wir teilen in der Solawi Kosten und Ernte eines Jahres gemeinschaftlich“, erklärt Rouven Hock. Wer für ein Jahr Mitglied wird, kauft einen oder mehrere „Ernteanteile“ – je nach Bedarf – und trägt damit seinen Teil zur Finanzierung der Betriebskosten bei.

Davon haben beide Seiten etwas: Für die Landwirte bedeutet es wirtschaftliche Sicherheit. Die Menschen, die die Erzeugnisse abnehmen, stellen ihre Versorgung mit Lebensmitteln sicher – regional, ökologisch, nachhaltig, unabhängig vom Markt, sie wissen und haben Einfluss darauf, wie, wo und unter welchen Bedingungen ihre Lebensmittel produziert werden. Im Sommer gibt’s zum Beispiel Bohnen und Tomaten, im Winter Feldsalat, Kohl und Wirsing. Dabei geht es nicht darum, ein Produkt zu kaufen, sondern die Solidargemeinschaft trägt den Hof und die Produktion gemeinsam, wobei es nicht um Gewinnmaximierung geht.

Die Nachfrage nach einem solchen Modell sei da, versichern Bärbel und Rouven Hock: Beide haben sich verschiedene Höfe angeschaut, wo eine solche „gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft“ schon seit Jahren gelebt wird. So den Kattendorfer Hof bei Hamburg zum Beispiel, aber auch den Stadtbauernhof in Saarbrücken. Der sei mittlerweile bereits ausgelastet, so groß sei der Zuspruch. Auch für das Limbacher Projekt gibt es schon etliche Interessierte, die müssen übrigens auch nicht zwingend aus dem Ort kommen.

Die Menschen, die sich in Solawis engagieren, tun dies aus unterschiedlichen Gründen – Umweltschutz, Stärkung regionaler Strukturen, Unabhängigkeit von einem globalisierten Markt. Alle eint jedoch das, was man unter dem Stichwort „Ernährungssouveränität“ fassen kann: dass sie sich bewusst ernähren wollen, dass sie sich für die Herkunft ihrer Lebensmittel interessieren. Die Initiativen sind so individuell wie die Menschen, die darin agieren – je nach den Gegebenheiten vor Ort. Einige Höfe bieten zum Beispiel nur Gemüse an, andere vorwiegend Käse und Fleisch.

In Limbach wird ab nächstem Frühjahr – das Solawi-Jahr startet am 1. April – Gemüse, Eier, Suppenhuhn, Getreide, und Fleisch angeboten werden. „Da das unser erstes Jahr ist, müssen wir sehen, was gut geht und was weniger“, erklärt Bärbel Hock.

Die Kosten pro Ernteanteil bewegen sich – laut Erfahrungswerte aus anderen Solawis – zwischen 80 und 130 Euro pro Monat: 80 Euro für den reinen Gemüseanteil, 110 Euro gemischt mit Eiern, Getreide und so weiter, 130 Euro mit Fleisch. Das sollte im Schnitt für zwei bis vier Personen reichen – je nach Koch- und Essgewohnheiten. Wenn der Betrieb ausgelastet ist, sei es möglich, mit ihrem Biolandhof rund 500 Menschen zu versorgen, erklärt Bärbel Hock. Die Solawi-Mitgliedschaft geht über ein Jahr, die Mitglieder holen einmal pro Woche ihren Anteil auf dem Hof ab. Bis es richtig losgeht mit Säen und Pflanzen, Ernten, Kochen und dem Haltbarmachen, ist noch einiges zu tun: Saatgut muss bestellt werden, ein Gärtner wird gesucht, und vor allem gibt es jede Menge zu planen und zu diskutieren.

Angedacht sind neben regelmäßigen Treffen und den Mitgliederversammlungen auch gemeinsame Aktionen, zum Beispiel bei der Kartoffelernte, wo Eltern und Kinder dann gemeinsam bei der Ernte anpacken (können, nicht müssen, die Mitarbeit ist nicht verpflichtend) und zum Kartoffelfeuer zum Abschluss zusammensitzen – die Initiative sei ja nicht nur als reine Wirtschaftsgemeinschaft gedacht, erklären Bärbel und Rouven Hock, sondern soll auch ein Gemeinschaftserlebnis für Groß und Klein bieten.

 Fütterung der Bullen: Viehwirtschaft wird auf dem Biohof ebenso betrieben wie Gemüse- und Getreideanbau.

Fütterung der Bullen: Viehwirtschaft wird auf dem Biohof ebenso betrieben wie Gemüse- und Getreideanbau.

Foto: Jennifer Klein

„Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, hat das rhythmische Arbeiten im Tages- und Jahreslauf und das Leben mit der Natur dazu geführt, dass ich diese Erfahrungen zu meinem Beruf machen und nicht mehr missen wollte“, sagt Bärbel Hock. Gerade für Kinder kann das Erleben der Natur, das Mit-Anpacken in der Landwirtschaft eine besondere Erfahrung sein – dazu möchte künftig auch eine Pädagogin auf dem Hof arbeiten, wie Bärbel Hock sagt. Denn mit jedem Besuch im Stall, mit jeder Stunde auf dem Acker fühlt man sich dem Hof mehr verbunden.

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