Fairtrade Fairer Handel auf dem Silbertablett

Homburg · Einen ganz besonderen Arbeitsplatz hat Axel Stirn in dieser Woche: Der Eine-Welt-Regionalpromotor sitzt an einem Schreibtisch im Schaufenster des Eine-Welt-Ladens in der Saarbrücker Straße in Homburg.

 Regionalpromotor Axel Stirn im Gespräch bei seiner Schaufenster-Aktion.

Regionalpromotor Axel Stirn im Gespräch bei seiner Schaufenster-Aktion.

Foto: Jennifer Klein

Ganz schön ungewohnt war der Blickwinkel von seinem Schreibtisch aus für Axel Stirn zunächst. Immerhin arbeitet er in dieser Woche im Schaufenster des Eine-Welt-Ladens in der Saarbrücker Straße in Homburg, täglich ab 12 Uhr – fairer Handel auf dem Silbertablett serviert, sozusagen. Obwohl das vielleicht doch ein bisschen sehr nach Kolonialzeit klingt. Also eher: auf dem Präsentierteller. Aber im positiven Sinne. Denn genau darum geht es Axel Stirn ja - Präsenz zeigen für Fairtrade und Nachhaltigkeit. Und es schadet ja auch nicht, hin und wieder die Perspektive zu wechseln: Der studierte Geograph hat als Werbetexter bei einer Agentur in Köln gearbeitet, bevor er dann – tatsächlich aus „Gewissensgründen“ – den Beruf wechselte: „Von der Propaganda zur Aufklärung“, wie er nur halb im Spaß sagt. Als Eine-Welt-Regionalpromotor Saar-Ost – wie seine etwas sperrige Berufsbezeichnung korrekt lautet – ist Axel Stirn zuständig für den Saarpfalz-Kreis, Neunkirchen und St. Wendel, initiiert, unterstützt und vernetzt Aktionen rund um die Themen Fairer Handel, Nachhaltigkeit und Eine Welt.

Grundlegend für seine Arbeit: Erstmal Aufmerksamkeit wecken und Bewusstsein schaffen für die Fairtrade-Idee. Wie jetzt mit der Schaufenster-Aktion.

„Warum wurde ,es‘ in den letzten Jahren immer schlimmer?“, fragt Stirn zum Beispiel auf einem Plakat im Schaufenster absichtlich etwas provozierend. „Kommen Sie auf einen Keks herein und reden Sie mit mir“, lädt er ein. Und siehe da: Es funktioniert. Auf einen Blick, ein freundliches Nicken oder Winken hin überwinden Passanten und Schaufenster-Bummler ihre anfängliche Scheu, grüßen zurück, einige kommen in den Laden. Bei einer Tasse Tee oder Kaffee (natürlich fair gehandelt) geht es dann an dem kleinen Tischchen, das an einem sonnigen Fleckchen im Schaufenster steht, um große Themen: Eine-Welt-Aktivitäten, Ladenarbeit, fair gehandelte Produkte und die „Große öko-soziale Transformation“ – einmal die Umweltbewegung mit dem Fokus auf Natur- und Klimaschutz und der soziale Aspekt, wie er auch im fairen Handel zum Tragen kommt, der auf die Arbeits- und Produktionsbedingungen der Menschen abzielt.

Und auch darum geht es, dass jeder einzelne gefordert ist. Zum Beispiel, was den zunehmenden „Plastik-Wahnsinn“ angeht – ein Thema, das augenscheinlich viele derzeit bewegt. Nicht umsonst fasten dieses Jahr erstaunlich viele Leute „Plastik“ – noch vor zehn Jahren wäre da wohl keiner drauf gekommen. Und auch jetzt noch wird man an der Wursttheke eher komisch angeguckt, wenn man mit seiner eigenen Dose dasteht und die Verpackungspapiere und -tütchen dankend ablehnt.

Denn da wird Fairtrade von der  Produktart zur Lebenseinstellung. Fair gehandelt, Bioprodukte, aus der Region – hier ist die Schnittmenge groß. Aufzuzeigen, dass die Entscheidung, was und wo man kauft, auch eine größere, eine politische, sogar eine globale Dimension hat, das ist eine der Aufgaben von Axel Stirn: Den Konsumenten ihre Macht bewusst machen.

„Dabei ist die Fairtrade-Bewegung ja keine neue Erfindung“, erklärt Stirn. Seit gut 25 Jahren gibt es sie. Für einen neuen „Schub“ hätten nach seiner Beobachtung das Internet und die sozialen Netzwerke gesorgt. „Es ist dadurch einfacher für die Leute, an Informationen zu diesen Themen zu gelangen“, erklärt er. Wo die Schokolade oder der Kaffee herkommt, wie Lebensmittel angebaut und verarbeitet werden, unter welchen Bedingungen T-Shirts, Jeans und Schuhe produziert werden – wenn die Kunden aufgeklärter sind, sind zunehmend auch die Hersteller in der Pflicht, für mehr Transparenz zu sorgen.

Dass es seinen Job überhaupt gibt – als „Hauptamtlicher“, wenn auch vorerst begrenzt auf drei Jahre – finanziert von Bund und Land, und nicht als ehrenamtliche Nebentätigkeit, zeige auch, dass gesamtgesellschaftlich schon allmählich ein Bewusstsein dafür entstehe, wie wichtig diese Aspekte seien, erklärt Axel Stirn. „Klar muss man immer wieder darauf hinweisen oder sogar einfordern, dass dem Fairtrade-Gedanken Rechnung getragen wird, zunächst auch im Kleinen, fair gehandelter Kaffee bei Veranstaltungen, aufs Rad umsteigen statt das Auto zu nehmen ... zu warten, bis die große Poliotik reagiert, reicht nicht.“ Man müsse schon im eigenen Wirkungskreis anfangen.

Dass er dann gelegentlich auch zu hören bekommt, „ach, ihr Weltverbesserer!“ – kommentiert er gelassen und selbstbewusst mit „Stimmt. Und?“ Als ob das was Schlimmes wäre – es gibt ja auch nur eine Welt, und die gilt es zu bewahren und zu verbessern – der Plan, die Menschheit per Raumschiff zum nächstgelegenen Planeten auszulagern, wenn’s hier schiefgeht, ist wohl 1986 mit dem Space Shuttle „Challenger“ explodiert.

Ob Plastikmüll im Meer, die Arbeitsbedingungen in der Textilherstellung, Genmais, und, und, und – die Gespräche, die Stirn im Lauf der Woche geführt hat, zeigen: Es ist ein weites Feld, das es da – heute und in Zukunft – zu bestellen gilt.

Deshalb ist es ihm auch ein Anliegen, mehr Jugendliche für das Thema zu begeistern. Derzeit plant er ein Forum „Jugend für Nachhaltigkeit“, das im August stattfinden soll. Und wer weiß, welche Ideen bei seinen  Schaufenstergesprächen  in dieser Woche noch so entstehen . . .

Für alle, die mehr über Fairen Handel und Nachhaltigkeit wissen wollen, hat Axel Stirn den „Koffer der Nachhaltigkeit“ im Angebot. Der Koffer samt Referent kommt zu Vereinen, Institutionen, Schulen, kirchlichen Arbeitskreisen. Infos unter E-Mail axel.stirn@posteo.de, Tel. (0 68 41) 1 27 40.

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