Zu Orten des jüdischen Lebens

Blieskastel · Jüdisches Leben und jüdische Geschichte haben in der Barockstadt Blieskastel viele Spuren hinterlassen. Um die Erinnerung daran wach zu halten, fand zum Jahrestag der Reichspogromnacht eine Führung statt.

 Großes Interesse fand die Führung von Martin Dauber (links) „Spuren jüdischen Lebens in Blieskastel“ am 76. Jahrestag der Reichspogromnacht. Foto: Fredi Brabänder

Großes Interesse fand die Führung von Martin Dauber (links) „Spuren jüdischen Lebens in Blieskastel“ am 76. Jahrestag der Reichspogromnacht. Foto: Fredi Brabänder

Foto: Fredi Brabänder

Der Blieskasteler Martin Dauber "wollte und durfte" in seiner Schulzeit ein Referat über die Judenverfolgung in Blieskastel ausarbeiten. Er konnte sich damals nicht vorstellen, was diese im Geschichtsunterricht vermittelten grausamen Fakten für das beschauliche Blieskastel bedeuten könnten, so Dauber. Seine Nachforschungen führten ihn damals ins Landesarchiv nach Saarbrücken und er befragte Zeitzeugen in Blieskastel zu den Geschehnissen in der Nazizeit. Aus drei Gründen verfolge ihn das Thema heute noch: aus Mitgefühl mit den Opfern, zweitens wolle er gegen das Vergessen ankämpfen und drittens lerne eine Gesellschaft aus ihren Fehlern und deshalb bleibe für ihn das Verstehen der Nazizeit ein Schlüssel zum Verständnis der heutigen Zeit.

Gegen das Vergessen veranstaltet Dauber seit einigen Jahren stets zum Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November eine Stadtführung unter dem Titel "Spuren jüdischen Lebens in Blieskastel ", der sich am Sonntag rund 35 Interessierte anschlossen. Am jüdischen Friedhof in Blieskastel begann Daubers Führung. Seit 1690, nach dem Dreißigjährigen Krieg, sei er zentraler Begräbnisplatz für Juden auch aus Homburg, St. Ingbert, Gersheim, Zweibrücken und Medelsheim gewesen, erläuterte Dauber. 1968 war die letzte Bestattung. Unter anderem berichtete Dauber, dass der letzte in der NS-Zeit in Blieskastel verbliebene Jude, Moses David, von den damaligen Machthabern verpflichtet wurde, alle Metallteile, Zäune, Einfriedigungen und Inschriften auf dem Friedhof zu entfernen. Weil er das als Grabschändung betrachtete bat er einen Altwarenhändler in Blieskastel , dies für ihn zu erledigen. 1940 sei der Friedhof von den Nazis verwüstet worden, 1945 mussten führende Blieskasteler Nazis auf Befehl des amerikanischen Ortskommandanten den Friedhof wieder herrichten, soweit dies noch möglich war.

Dauber schilderte anschließend an verschiedenen Häusern in der Stadt die Schicksale der Juden . So zum Beispiel am Haus Schlossbergstraße 15, wo die Geschwister Rosina und Delphine Isaac ein Lebensmittelgeschäft führten, das in der Reichspogromnacht von Angehörigen der SS und SA demoliert wurde. Nachbarn hätten das Vorgehen der Nazis damals lautstark missbilligt. An weiteren Stationen in der Altstadt erzählte Dauber von Blieskasteler Juden , wobei er seine Darstellungen auf Zeitzeugenberichte und auf schriftliche Aufzeichnungen Blieskasteler Bürger stützte. In der Reichspogromnacht hätten die Nazis an einer Gaststätte in Blieskastel beidseitig der Tür den Hinweis angebracht "Juden sind hier unerwünscht".

Ausführlich berichtete Dauber über die Synagoge am Luitpoldplatz, die 1826 von der jüdischen Gemeinde gekauft wurde und 1914 infolge Rückgangs der jüdischen Einwohner wieder geschlossen wurde. Auch die Judengasse, die von den Nazis umbenannt wurde und seither "Straße an der Stadtmauer" heißt, wurde angesteuert. Der Stadtrat habe vor einigen Jahren beschlossen, ein Zusatzschild "früher Judengasse" anzubringen. Stolpersteine in der Gerbergasse und eine gläserne Tafel an der ehemaligen Synagoge erinnern in Blieskastel sichtbar an jüdische Schicksale und die Geschichte der Juden in der Stadt, wie Martin Dauber während der Führung aufzeigte.

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HintergrundDer Blieskasteler Professor Heinz Quasten ergänzte Daubers Ausführungen und schilderte das Leben von David Oppenheimer als bedeutenden Blieskasteler jüdischer Abstammung. Er war 1848 nach Amerika und Kanada ausgewandert und Bürgermeister in der kanadischen Stadt Vancouver. Ein Antrag sei gescheitert, die neue Bliesbrücke nach diesem bedeutenden Blieskasteler Juden zu benennen, so Quasten. fb

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