Saarpfalz-Gipfel: Heribert Prantl in Niederwürzbach „Wir haben inzwischen verlernt, das Wunder zu sehen“

Homburg/Niederwürzbach · Saarpfalz-Gipfel in Niederwürzbach startet mit einer flammenden Rede des Journalisten und Siebenpfeifferpreisträger Heribert Prantl zu Europa.

 Sie diskutierten in NIederwürzbach über den Begriff Heimat (von links): Doktor Felix Rösel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ifo-Institus in Dresden, Personalberater Rudolf Kast, Demokratieforscher Wolfgang Gründinger, Autorin und Volkswirtin Margaret Heckel, Publizist Heribert Prantl, Landrat Theophil Gallo und die Studentin Justine Zaki.

Sie diskutierten in NIederwürzbach über den Begriff Heimat (von links): Doktor Felix Rösel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ifo-Institus in Dresden, Personalberater Rudolf Kast, Demokratieforscher Wolfgang Gründinger, Autorin und Volkswirtin Margaret Heckel, Publizist Heribert Prantl, Landrat Theophil Gallo und die Studentin Justine Zaki.

Foto: Stefan Bohlander

Er hat schon eine beeindruckende Präsenz, der Heribert Prantl. Im schwarzen Anzug steht das ehemalige Mitglied der Chefredaktion der „Süddeutschen Zeitung“ und Siebenpfeifferpreisträger und hält ein flammendes Plädoyer für Europa. „Wider den populistischen Extremismus – Für die Wehrhaftigkeit der liberalen Demokratie“ ist sein Vortrag betitelt, den der Mann mit den auffälligen krausen Locken vor wenigen Tagen in Niederwürzbach hielt. Rund 200 Besucher hörten dem bekannten Journalisten zu, als er den Vortragsreigen anlässlich des Saarpfalz-Gipfels beschließt.

„Europa ist mehr als die Summe seiner Fehler“, sagt Prantl. Diese könnte man eine gute halbe Stunde aufzählen, dennoch seien die Vorteile überwältigend: gemeinsame Gerichte, gemeinsame Gesetze, gemeinsame Währung, offene Grenzen.

„Wir haben verlernt, das Wunder zu sehen“, erklärt er. Europa könne wieder mehr als Heimat wahrgenommen werden, wenn es nicht nur als Wirtschaftsunion dargestellt würde. „Leisten wir uns Europa!“ plädiert er. Im Vorfeld kritisiert Prantl zögerliches Handeln auf politischer und menschlicher Ebene: „Eine Demokratie, die sich erst wehrt, wenn es zu spät ist, ist keine wehrhafte Demokratie.“

Die Humanität sei wegen des um sich greifenden populistischen Extremismus, wie er es benennt, gefährdet, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Allgemeinen Menschenrechte seien von Zeitgenossen wie dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte erschossen und von US-Präsident Donald Trump eingemauert worden.

In Deutschland sei die AfD unter Mitgründer Bernd Lucke noch rechtsbürgerlich gestartet, radikalisiere sich aber immer mehr. Deswegen verkleidete er seine Warnung wegen des Rechtsrucks in einen bildhaften Vergleich: Deutschland befinde sich in der Situation eines ehemaligen Alkoholikers: „Wenn er wieder trinkt, wird es gefährlich.“

Eine kurze Diskussionsrunde mit den weiteren Vortragenden des Tages zum Thema Heimat schloss den Saarpfalz-Gipfel ab. Dabei antworteten die Diskutanten auf Einwürfe aus dem Publikum. Ein Besucher setzte sich für den Erhalt der dörflichen Strukturen ein. Ein anderer erzählte, er sei erst seit Anfang des Jahres im Saarland. Dabei sei ihm aufgefallen, dass es hier ebenfalls viele Bänke gebe – auf denen jedoch nie jemand sitzen würde. Ganz im Gegensatz zu seinem Heimatort, wo Menschen jedes Alters auf Bänken ins Gespräch kämen.

Felix Rösel, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ifo-Institus in Dresden, gab zu bedenken, dass es vielleicht schon helfen würde, nicht die fertigen Bänke aus den Großmärkten zu kaufen, sondern diese selbst zusammenzuzimmern, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen.

Personalberater Rudolf Kast aus Freiburg setzte sich für eine Demokratisierung der Führungsebene ein, um so auch der demografischen Herausforderung gerecht zu werden. Für Heribert Prantl zeichnet Heimat das gute Grundgefühl aus, „dass ich aufgehoben bin“.

Demokratieforscher Wolfgang Gründinger plädierte für gute Infrastruktur auf dem Land. Tante-Emma-Läden, die wie die „Spätis“ in Berlin auch außerhalb der normalen Öffnungszeiten Waren anbieten, seien eine gute Alternative – oder auch digitale Tante-Emma-Läden. Studentin Justine Zaki kritisierte vorab, dass sie zu spät eingeladen wurde und auch wohl nur, weil man „einen jungen Menschen“ gebraucht habe. Zum geringen Anteil jüngerer Besucher im Publikum sagte sie, dass man solche Veranstaltungen dahin bringen müsste, wo diese auch seien – etwa ins Internet.

Landrat Theophil Gallo kritisierte dennoch auch die Einstellung von manchen jüngeren Leuten. So gebe es heute viel mehr Individualismus. Die Autorin und Volkswirtin Margaret Heckel, die auch die Moderation des Gipfels übernommen hatte, warf charmant ein, dass sich aufgrund der lebhaften Diskussion nun bestimmt jemand finde, der Bänke zur Verfügung stelle, die man gemeinsam aufbauen könne, um darauf miteinander ins Gespräch zu kommen.

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