Götz Widmann Mit viel Mut für etwas Neues

Am Samstag, 25. August, ist der Liedermacher Götz Widmann um 20 Uhr im „P-Werk“ in Blieskastel zu Gast.

 Götz Widmann kommt ins P-Werk nach Blieskastel.

Götz Widmann kommt ins P-Werk nach Blieskastel.

Foto: Fabia Widmann

Herr Widmann, Ihr aktuelles Studio-Album heißt ‚Sittenstrolch‘. Wie sind Sie eigentlich auf diesen schrägen Titel gekommen?

Widmann: Ich wollte das Album zuerst ‚Viva la Evolución‘ nennen. Das Cover-Design sollten Fotos von Tieren sein, die wie Hippies aussehen. Eines von den Tieren sollte ich sein. Ich habe mich dafür äußerlich wochenlang total verwildern lassen. Dann haben wir das Foto-Shooting gemacht und als ich die fertigen Bilder gesehen habe, wusste ich sofort: das ist kein Hippie, das ist ein Sittenstrolch! Wir haben uns spontan entschlossen, den Titel zu ändern, da das auch ganz gut zu den meisten Songs auf dem Album passte.

Wie etwa zu dem Lied ‚Latina‘?

Widmann: Ja, ‚Latina‘ ist in erster Linie ein albernes Lied über ein sehr ernstes Thema: Ich habe mich gefragt, was die Ursachen für Fremdenfeindlichkeit sind und bin zu dem Schluss gekommen, dass dabei in vielen Fällen sexuelle Frustration eine Rolle spielt. Schauen Sie sich diese Wutbürger bei den Pegida-Aufmärschen an: Menschen, die genug Liebe bekommen, sehen anders aus. Es gibt übrigens mehrere wissenschaftliche Studien, die einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Männerüberschuss eines Wahlkreises und einer gesteigerten Tendenz zur Gewalttätigkeit und einer demokratiefeindlichen Orientierung nachweisen. Nicht abgebautes Testosteron macht also dumm und schlecht gelaunt. Aber das ist jetzt keine große Überraschung für mich...

Und was hat es mit dem Song ‚Burkiniqueen‘ auf sich?

Widmann: Als ich vor einiger Zeit einmal in Berlin am Tegeler See spazieren war, musste ich feststellen, dass das Schönste an der derzeitigen Einwanderung für mich die Frauen mit Migrationshintergrund sind. Am nächsten Morgen habe ich in der Zeitung gelesen, dass ein CSU-Politiker über ein Burkiniverbot schwadronierte. Ich glaube wirklich nicht, dass man durch Kleidungsverbote die Integration fördern kann – etwas Dümmeres habe ich noch nie gehört. Diese Aussage hat mich sehr wütend gemacht, aber um nicht genau so zu sein wie der Politiker, habe ich dieses Liebeslied geschrieben.

Bei dem Song ‚Zwanzig‘ kommt ein echter Rocker bei Ihnen durch. Sind Sie ein heimlicher Fan von AC/DC?

Widmann: Das ‚heimlich‘ können Sie streichen! Die ersten AC/DC-Alben mit Bon Scott als Sänger gehören für mich zu den größten Kunstschätzen der Menschheit. Mein Freund Vito Kutzer von der Erlanger Band J.B.O. hat mir geholfen, meine Ideen musikalisch in die Tat umzusetzen. Dass ‚Zwanzig‘ nach AC/DC klingt, ist also hauptsächlich sein Werk.

Und warum wollen Sie trotzdem ‚bei aller Liebe keine 20 mehr sein‘?

Widmann: Ach, die Leute jammern immer so über das Älterwerden. Ich habe mich gefragt, ob es mir als jungem Mann tatsächlich besser ging als heute – und die Antwort war eindeutig ‚Nein‘! Wenn ich an damals denke, empfinde ich eher so etwas wie Mitleid. Der Song ist ein wenig übertrieben, aber eigentlich doch ganz schön wahr.

Wie bewerten Sie denn heute Ihre Anfangszeit in den 1990er Jahren, als Sie mit dem mittlerweile verstorbenen Musiker Martin Simon das Duo Joint Venture bildeten?

Widmann: Das war schon eine tolle Zeit! Wir haben mit ganz viel Mut etwas völlig Neues angefangen und hätten damit voll auf die Schnauze fliegen können. Stattdessen hat es aber immer besser geklappt. Dafür haben wir sehr viel Liebe vom Publikum bekommen, vielleicht sogar mehr als wir verdient hatten. Unser Party-Bedürfnis wurde beim Arbeiten gestillt: Wir fuhren ein Wochenende los, hatten unfassbaren Spaß und kamen sogar ab und zu mit mehr Geld in der Tasche nach Hause, als wir losgefahren waren.

Seit dieser Zeit gelten Sie als Pionier einer neuen ‚Liedermaching-Szene‘ wie den Monsters Of Liedermaching, Panne Bierhorst oder auch Simon & Jan. Wie sind Sie zu diesem Titel gekommen?

Widmann: Ich glaube, wir haben damals mit Joint Venture eine Tür aufgestoßen und Dinge gemacht, die man von einem Liedermacher klassischer Weise nicht gewöhnt war. Um es in einem Satz zu sagen: wir haben den empor gehobenen Zeigefinger – wo wir konnten – durch den Mittelfinger ersetzt. Das war erfrischend und hat eine Menge Leute auf die Idee gebracht, so etwas auch zu machen. Wir waren jetzt aber wirklich nicht die einzigen, die das gemacht haben.

Das klingt nach einer gehörigen Punk-Attitüde. Wieviel Punk steckt heute noch in einem etablierten Liedermacher jenseits der 50?

Widmann: Ich glaube, in mir war immer gleich viel Punk. Der Punk ist ein relevanter Bestandteil meiner Gesamtpersönlichkeit und hat jetzt sogar mehr Freiheiten, als noch vor zehn Jahren. Damals mit 40 dachte ich noch, ich müsste mal langsam erwachsen werden. Mittlerweile habe ich eingesehen, dass das bei mir wohl nichts mehr wird und letztlich auch gut so ist.

Der Eintritt (Stehplatz) für das Gastspiel in Blieskastel kostet 18 Euro (Ticket regional). Einlass ist ab 19 Uhr.

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