Jüdisches Leben im Blick

Blieskastel. Auf "Stationen jüdischen Lebens in Blieskastel" begaben sich in Blieskastel rund 30 Teilnehmer einer Stadtführung, die von Stadtratsmitglied Martin Dauber anlässlich der Reichspogromnacht im Jahre 1938 geleitet wurde. Die erste Station auf dem Weg vom Klosterparkplatz in die Altstadt war der jüdische Friedhof auf dem Han

Blieskastel. Auf "Stationen jüdischen Lebens in Blieskastel" begaben sich in Blieskastel rund 30 Teilnehmer einer Stadtführung, die von Stadtratsmitglied Martin Dauber anlässlich der Reichspogromnacht im Jahre 1938 geleitet wurde. Die erste Station auf dem Weg vom Klosterparkplatz in die Altstadt war der jüdische Friedhof auf dem Han. Dieser war, so erläuterte Dauber, seit 1690 zentraler Begräbnisplatz auch für die Juden aus Homburg, St. Ingbert, Gersheim, Zweibrücken und Medelsheim. Mitte des 19. Jahrhunderts hätten die jüdischen Bürger über zehn Prozent der Blieskasteler Bevölkerung gestellt, was überdurchschnittlich gewesen sei. Die letzte Bestattung sei 1968 gewesen. Der letzte in Blieskastel in der NS-Zeit verbliebene Bürger jüdischen Glaubens sei von der Stadtverwaltung unter Strafandrohung verpflichtet worden, die Metallteile - Zäune, Einfriedungen und Inschriften - an den Gräbern zu entfernen. Da er diese Demütigung als Grabschändung betrachtete, musste er einen Blieskasteler Altwarenhändler bitten, dies für ihn zu tun. Der Friedhof wurde in der Zeit des Nationalsozialismus (1939/40) verwüstet. 1945 sei er auf Befehl des alliierten Ortskommandanten, von ehemaligen führenden Blieskasteler Nazis wieder hergerichtet worden, wie Dauber erläuterte. Auch Häuser, in denen früher jüdische Bürger wohnten, wurden bei der Führung angesteuert. So lebten die Geschwister Rosina und Delphine Isaac in der Schlossbergstraße und Familie Oppenheimer in der Kardinal-Wendel-Straße. Eine weitere Station war die Straße "An der Stadtmauer", die bis 1935 Judengasse hieß. Hier war wohl bis zur Judenemanzipation, nach der französischen Revolution, ein bevorzugtes jüdisches Wohnquartier, so Martin Dauber. Die Judengasse sei von den Nationalsozialisten in "Straße am Schlangenbrunnen" umbenannt worden. 1945 sei auf Anordnung des amerikanischen Ortskommandanten diese Umbenennung rückgängig gemacht worden. 1955 habe der Stadtrat Blieskastel entschieden, die Gasse in "An der Stadtmauer" umzubenennen. Letzte Station war die ehemalige Synagoge und Schule am Luitpoldplatz (heute Haus Leybold), wo eine gläserne Info-Tafel an die ehemalige Synagoge und an das jüdische Leben in Blieskastel erinnert. Wie Dauber erläuterte, wurde 1826 dieses ehemalige Wohnhaus von der jüdischen Gemeinde erworben. Dort wurde dann unter anderem ein Schulsaal, eine Lehrerwohnung und ein Betsaal untergebracht. In der nachnapoleonischen Zeit, dem Zeitalter der Judenemanzipation in Deutschland, sei die Synagoge gleichwohl von außen unauffällig gestaltet und als solche nicht zu erkennen gewesen. Nachdem die Zahl der Gemeindemitglieder stark gesunken war, sei die Synagoge 1914 geschlossen und an die Stadt verkauft worden. Wie auf der Tafel berichtet wird, ging nach dem Jahr 1935 die Zahl der jüdischen Bürger durch Aus- und Abwanderungen zurück. Drei der insgesamt 16 in der Zeit des Nationalsozialismus in Blieskastel lebenden Juden kamen in Auschwitz oder Theresienstadt ums Leben. Eine Frau starb während der "Euthanasie"-Aktion, vier weitere Personen sind verschollen, heißt es.

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