In Webenheim sind die Leseratten bestens aufgehoben Hereinspaziert, in die knallrote Bücherzelle

Webenheim · Serie „Entlang der Bundesstraße 423“: Heute machen wir in literarischer Mission in Webenheim Station.

 Steffi Richter-Schneider kümmert sich um die Bücherzelle in Webenheim.

Steffi Richter-Schneider kümmert sich um die Bücherzelle in Webenheim.

Foto: Peter Gaschott

Früher waren sie schreiend gelb und oft der letzte Weg zum Notruf: Telefonzellen sind heutzutage aus unserer Mobilfunkwelt fast ganz verschwunden. Fast, denn die ein oder andere gibt es noch. Eine davon in Webenheim. Nicht mehr gelb, sondern rot. Und die einzigen richtigen Notfälle, denen sie helfen kann, sind Leseratten auf Entzug.

Es ist vier Jahre her, da hatte Steffi Richter-Schneider eine gute Idee. Sie sitzt für die Sozialdemokraten im Webenheimer Ortsrat. Dabei machte sie sich Gedanken, wie man Webenheim schöner, oder zumindest interessanter machen kann.

Selbst leidenschaftliche Leserin sinnierte sie über ein öffentliches Bücherregal. Das in der Blieskasteler Innenstadt gefiel ihr nicht so recht, etwas Originelleres sollte es schon sein. Gut sichtbar, wetterfest dazu. Bei Ebay sah sie dann eine gebrauchte Telefonzelle, die zum Verkauf stand. Quietschgelb, ohne Telefon, aber ganz gut erhalten. Für 350 Euro wechselte sie aus dem deutschen Osten schließlich an die Blies. Mit Ortsratskollegen ging sie das Ding abholen, und eine gründliche Restaurierung wurde in Angriff genommen. Der gesamte Ortsrat stand hinter dem Projekt.

Ortsvorsteher Mathias Krey trug der Ideengeberin schließlich die Patenschaft über die Webenheimer Bücherzelle an. Steffi Richter-Schneider übernahm gerne. Die Telefonzelle, mittlerweile knallrot lackiert, wurde innen mit einem geräumigen Regal versehen. Die Webenheimer wurden über das Projekt informiert und gebeten, zu Hause überschüssige Weltliteratur in die kleine Zelle zu bringen. Eine Benutzungsordnung wurde erstellt – sie sagt im Prinzip aus, dass jeder sich Bücher holen kann, und gerne auch andere Bücher dafür zurücklässt. Wobei die Bücherzelle keinen Müll enthalten soll. „Von manchen Büchern sollte man sich einfach trennen, und wenn sie Müll sind, haben sie auch in der Bücherzelle nichts zu suchen“, erzählt die Bücherpatin unserer Zeitung. „Geben und Nehmen – das ist das Motto der Bücherzelle“, so Ortsvorsteher Mathias Krey.

So stehen sie nun friedlich auf dem Webenheimer Literatur-Regal in der roten Zelle. Die weiße Massai neben dem neuen Robinson, neben einem Wälzer von Utta Danella das Neue Testament. Gute Romane – etwa von Carlos Ruiz Zafon – neben Kochbüchern und Lebensratgebern. Kinder- und Jugendbücher, die klassischen Abenteuerromane, aber auch so richtige Schmachtfetzen. Und dazwischen doch tatsächlich Thomas Manns Buddenbrooks. Erstaunlich, was alles auf einen Quadratmeter passt.

Dass die Literatur nicht aus dem Ruder läuft – dafür sorgt Steffi Richter-Schneider. Kein „Schweinkram“, ein gewisses Niveau soll gehalten werden. „Im Sommer sitzen die Kinder auf den Bänken rund um den Platz und lesen – was gibt’s schöneres!“, freut sich die Bücherpatin.

In der Ortsmitte an der Kirche steht die öffentliche Bücherzelle. Jeder ist willkommen, zum Bücher mitnehmen und vorbeibringen.

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