Caveau Chanson Ein tiefer Blick in das Leben von Jacques Brel

Blieskastel · Jens Rosteck erzählte in Blieskastel vom berühmten belgischen Chansonsänger, den weit mehr auszeichnet als seine Musik.

 Autor Jens Rosteck bei seiner Autorenlesung über den Chansonnier Jacques Brel in der Orangerie.

Autor Jens Rosteck bei seiner Autorenlesung über den Chansonnier Jacques Brel in der Orangerie.

Foto: Rudi Kleinpeter

Kein Sänger, keine Sängerin, keine Musikgruppe war beim ersten Caveau Chanson im neuen Jahr in der Blieskasteler Orangerie aktiv – und dennoch verbreitete sich bei der ganz und gar nicht „normalen“ Autorenlesung von Jens Rosteck, die dem Phänomen Jacques Brel gewidmet war, schnell eine intensive Chanson-Stimmung aus. Rudi Kleinpeter, seit mehr als acht Jahren Leiter des Chansonkurses der Katholischen Erwachsenenbildung Saarpfalz und Berater des Kulturamts Blieskastel bei der Auswahl der Mitwirkenden im Caveau Chanson, und Multitalent Jens Rosteck, der unter anderem promovierter Musikwissenschaftler, Pianist, Kabarettist, Reiseschriftsteller, Übersetzer und Autor von literarischen Biographien unter anderem von Edith Piaf, Joan Baez und eben Jacques Brel ist, waren erfreut über den guten Besuch, mit dem das Publikum diesen neuen, zusätzlichen Ansatz des Caveau Chanson honorierte. Es ließ sich auch von Sturmprognosen für diesen Abend nicht vom Besuch dieser ungewöhnlichen Veranstaltung abhalten.

Dabei hing das Zustandekommen der Veranstaltung nicht am seidenen, aber an einem dennoch dünnen Faden, denn aufgrund der drastisch reduzierten Geschwindigkeit der Züge der Deutschen Bahn an diesem stürmischen Tag kam der Autor erst spät am Nachmittag in Pirmasens an, von wo ihn Catrin Kelkel, Mitarbeiterin im Kulturamt, mit dem Auto nach Blieskastel chauffierte, damit er noch rechtzeitig an Ort und Stelle sein konnte. In der Tat war der Abend sowohl für das Publikum, das in einer stimmigen Atmosphäre einen umfassenden Überblick über Leben und Werk des großen belgisch-französischen Chansonniers (1929 bis 1978) erhielt, als auch für den Vortragenden, der im Gespräch mit unserem Mitarbeiter nach Ende der Veranstaltung von einer rundum gelungenen, schönen, Brel würdigen und hervorragend vorbereiteten Brel-Soirée sprach, ein Gewinn.

Rosteck präsentierte tatsächlich eine ganz andere Art von Autorenlesung. Es war eher eine musikalisch-szenische Lesung, bei der eine ganze Reihe von bisher unbekannten Fotos aus Brels Leben an die Stirnwand der Orangerie projiziert wurde, der Autor mehr erzählte, als vorlas, zwischendurch am Flügel musikalische Akzente setzte und auch ein paar besonders eindrucksvolle Brel-Chansons erklingen ließ. Rosteck sprach von Brels Auftritten, die auf das damalige Publikum wie Naturereignisse wirkten, seine Lieder ähnelten drei- bis fünfminütigen Miniaturdramen, die lebensbejahend, aber auch deprimierend sein konnten – ein Abbild der Widersprüchlichkeit des Menschen Brel, der mehrere Parallelleben zu führen schien. So verwundert nicht, dass in diesem prallen Künstlerleben mit anfangs mehreren Auftritten pro Tag und unzähligen Ortsveränderungen in kurzer Zeit Brels Familienleben im wahrsten Sinne des Wortes „auf der Strecke blieb“. Erst nach Brels abruptem, unerwartetem Abgang von der Bühne im Jahr 1967 – auf dem Höhepunkt seiner Sangeskarriere – und seinem Umzug auf die kleine unattraktive Pazifikinsel Hiva Oa findet Brel die Ruhe, die ihm während seiner Konzerttourneen immer gefehlt hatte. Dort lebt er abgeschottet von den Medien in Stille, Bescheidenheit und Besinnung aufs Wesentliche.

Fortan ist das Wichtigste für ihn, für die Menschen in seiner Umgebung nützlich zu sein: Als Besitzer eines Flugzeugs und einer Flugerlaubnis übernimmt er den Transport der Post auf die und von der Insel, er fliegt Kranke auf anstrengenden und gefährlichen Flügen ins mehrere Flugstunden entfernte Krankenhaus; kein Wunder, dass er bei den Einheimischen eine große Beliebtheit erlangt. Ihre kulturelle Bildung wird ihm ein Anliegen; er bringt das Kino auf die Insel, das die neuesten Filme zeigt, er lernt kochen, kocht für die Inselbewohner, ist schließlich ganz und gar selbstlos, die Menschen lieben ihn, er ist am Ende seines Lebens nach einem zufriedenen, erfüllten Leben auf Hiva Oa glücklich.

Jens Rosteck beschloss den Abend mit einer ausführlichen, tiefgründigen und beeindruckenden Interpretation des Chansons „Dans le port d’Amsterdam“, von dem es nach dem Willen von Brel nur Live-Aufnahmen von Konzerten und keine Studioaufnahmen gibt und das er nur bei einem einzigen Konzert in Moskau 1965 als Zugabe zweimal am Abend sang.

Die Kulturbeigeordnete der Stadt Blieskastel, Brigitte Adamek-Rinderle, die vor Jahren die inzwischen zum Erfolg gewordene Veranstaltungsserie „Caveau Chanson“ angeregt hatte, bedankte sich bei Jens Rosteck für die fesselnde Präsentation von Leben und Werk Brels, beim „guten Geist“ des Caveau Chanson, Rudi Kleinpeter, und bei Florian Kutzer von der Firma Stagelight, der in gewohnt souveräner Weise – auch nach Aussage von Jens Rosteck – die nicht einfach zu beherrschende Akustik in der Orangerie immer im Griff hatte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort