Die Schulen verarbeiten das Unfassbare"Man kann den Leuten nicht in den Kopf schauen"

St. Ingbert/Bliestal. Am Albertus-Magnus-Gymnasium versammelten sich gestern Schüler und Lehrer zu einer Schweigeminuten in der vollbesetzten Aula. Auf deren Boden erinnerte ein Kreuz aus vier mal 16 kleinen Kerzen an die 16 Todesopfer des Amoklaufes von Winnenden. "Diese Kerzen bleiben auch in den nächsten Tagen stehen", sagte Schulleiter Hans-Georg Ochs

 Mit einem Kreuz aus Kerzen wurde gestern am Albertus-Magnus-Gymnasium der Opfer des Amoklaufs gedacht. Fotos: Kerstin Malter

Mit einem Kreuz aus Kerzen wurde gestern am Albertus-Magnus-Gymnasium der Opfer des Amoklaufs gedacht. Fotos: Kerstin Malter

 Viviane Dettmer

Viviane Dettmer

 Oliver Busch

Oliver Busch

 Kerstin Straßburger

Kerstin Straßburger

St. Ingbert/Bliestal. Am Albertus-Magnus-Gymnasium versammelten sich gestern Schüler und Lehrer zu einer Schweigeminuten in der vollbesetzten Aula. Auf deren Boden erinnerte ein Kreuz aus vier mal 16 kleinen Kerzen an die 16 Todesopfer des Amoklaufes von Winnenden. "Diese Kerzen bleiben auch in den nächsten Tagen stehen", sagte Schulleiter Hans-Georg Ochs. "Ebenso ein Buch, in dem sich unsere Schüler und Lehrer zu den Vorfällen äußern können. Das Buch wollen wir der betroffenen Schule schicken." Ochs sah gestern auch Vorkehrungen an der Schule in einem neuen Licht: "Wir haben seit längerem engen Kontakt zur hiesigen Polizei: Erst vor wenigen Wochen wurden gemeinsam mit deren Beamten ein Alarmplan sowie alle Fluchtwege überprüft."Auch wenn sich der Umgang mit den Eindrücken des Amoklaufes unterschied, gab es an allen Schulen eine Gemeinsamkeit: "Die Schüler hatten Gelegenheit, Sorgen, Ängste und Fragen nach dem schrecklichen Geschehen in den Unterrichtsstunden anzusprechen", wie es Burkhard Maurer, der stellvertretende Schulleiter an der ERS I Schmelzerwaldschule in St. Ingbert, beschrieb. Maurer hatte schon in der ersten Schulstunde mit einer Durchsage seine Schüler auf die Gesprächsangebote hingewiesen: "Für uns Lehrer wird deutlich, wie wichtig der enge Bezug zu unseren Schülern ist. Nur so kann man Signale auffangen, auch wenn diese, wie man erleben muss, keine Garantien sind."Das Lehrerkollegium der ERS Willi-Graf-Schule in Blieskastel hatte sich verständigt, den Amoklauf maßvoll zu thematisieren. "Wir wollten die Ängste der Schüler aufgreifen, zugleich neue Hysterie vermeiden und den Schulablauf möglichst normal halten", sagte die Schulleiterin Sylvia Behet. Diese sah auch die Präventionsbemühungen der ERS bestätigt, unter anderem im Verbund mit der Schul-Sozialarbeiterin, die zwei Mal in der Woche und zu regelmäßigen Sprechstunden nach Blieskastel komme. Behet wies aber auch auf ein "Sicherheitsrisiko" in allen unseren Schulen hin: "Derzeit kann jeder in unsere Schulen gelangen, die oft ganztags offen stehen. Womöglich sind Anmelde- und Zugangssysteme angebracht." Bereits am Mittwochnachmittag hatten sich die Lehrer der Gesamtschule Gersheim darauf geeinigt, am gestrigen Schultag die Schüler zu ermutigen, ihre Betroffenheit in offenen Gesprächen auszudrücken. Schulleiterin Monika Hommerding betonte angesichts der schrecklichen Ereignisse die Bedeutung eines an ihrer Schule gepflegten "engen Kontakts zwischen Schülern und Lehrern". Hommerding formulierte zugleich eine Forderung an die Politik: "Wer möchte, dass Schulen ausgleichen, was Elternhäuser oft nicht mehr leisten, muss bessere Rahmenbedingungen, etwa bei den Klassengrößen, schaffen."Schon vor Schulbeginn hatte Beatrix Lafontaine, die Leiterin des Leibniz-Gymnasiums in St. Ingbert, ihre Kollegen aufgefordert, "heute und in den nächsten Tagen die Anliegen der Schüler nach dem Amoklauf im Unterricht aufzugreifen". Den Schülern bei "allem, was uns jetzt nahe geht" Rede und Antwort zu stehen, nahm sich gestern auch die ERS II in Rohrbach vor. Wie Susanne Fritz, die stellvertretende Schulleiterin, betonte, bescherte der Zufall dabei der ERS II qualifizierte Hilfe: "Die beiden St. Ingberter Kontaktpolizisten besuchen diese Woche unsere achten Klassen in Sachen Gewaltprävention." Gerade die Polizisten waren gestern gesuchte Gesprächspartner für die Schüler. St. Ingbert. Am St. Ingberter Albertus-Magnus-Gymnasium gedachte man gestern mit einer Schweigeminute der Opfer des Amoklaufs von Winnenden. Schülerinnen und Schüler fühlen mit den Betroffenen. "So etwas kann überall passieren und zu jeder Zeit", sagt die 18-jährige Viviane Dettmer. "Schlimm ist, dass es kein genaues Muster gibt, nach dem man so eine Tat vorhersagen könnte. Man kann sich nicht auf sowas vorbereiten. Man ist einfach machtlos." Oliver Busch (20) sagt: "Ich bin entsetzt. Vor allem auch weil es sich nicht nur auf die Schule allein beschränkt hat. Ich fühle mit den Betroffenen. Aber Ängste, dass etwas Ähnliches auch hier an unserer Schule passieren könnte, habe ich nicht direkt." Gut aufgehoben könne man sich hier fühlen: "Es gibt regelmäßig Projekte zur Gewaltprävention durch die Polizei hier. Und wir haben Schüler-Mediatoren, die man immer ansprechen kann. Auch die Lehrer haben ein offenes Ohr für die Schüler. Ich denke, das alles trägt wesentlich zur Vermeidung solcher Vorfälle bei." Die 19-jährige Kerstin Straßburger ist "geschockt und sprachlos. Man hofft immer, dass so etwas an der eigenen Schule nicht passiert. Aber vorhersagen kann man solche Dinge nicht. Ich denke auch darüber nach, was die Betroffenen in der Situation jetzt wohl fühlen." Philipp Thielen (20): "Das ist ein sehr tragisches Ereignis. Man fühlt Trauer und Entsetzen. Aber es macht einen auch nachdenklich, ob so etwas nicht auch an der eigenen Schule passieren kann. Man kann ja nicht in die Köpfe der Leute schauen." mal "Ob Schulen jedem jederzeit offen stehen, ist zu überdenken"Sylvia Behet, Leiterin der ERS Blieskastel

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