Blieskastel aus einem ganz anderen Blickwinkel kennenlernen

Blieskastel. Der junge Mann hinter der Theke des Kebab-Ladens in der Kardinal-Wendel-Straße schaut zum zweiten Mal hin, als die Fußgruppe an der großen Schaufensterscheibe vorbeigeht. Und auch dann verrät sein Gesichtsausdruck ungläubiges Staunen. Doch an diesen Anblick wird er sich gewöhnen, jeden Sonntagabend, kurz nach 19 Uhr, bis zum 6. Februar nächsten Jahres

 Eine der Stationen beim Nachtwächter-Rundgang im abendlichen Blieskastel war der Herkules-Brunnen, an dem Nachtwächterin Luitgard Glaser (im Vordergrund rechts) Interessantes aus alter Zeit zu berichten wusste. Foto: Peter Badt

Eine der Stationen beim Nachtwächter-Rundgang im abendlichen Blieskastel war der Herkules-Brunnen, an dem Nachtwächterin Luitgard Glaser (im Vordergrund rechts) Interessantes aus alter Zeit zu berichten wusste. Foto: Peter Badt

Blieskastel. Der junge Mann hinter der Theke des Kebab-Ladens in der Kardinal-Wendel-Straße schaut zum zweiten Mal hin, als die Fußgruppe an der großen Schaufensterscheibe vorbeigeht. Und auch dann verrät sein Gesichtsausdruck ungläubiges Staunen. Doch an diesen Anblick wird er sich gewöhnen, jeden Sonntagabend, kurz nach 19 Uhr, bis zum 6. Februar nächsten Jahres. Denn dann ist Nachtwächterin Luitgard Glaser unterwegs, stilgerecht ausstaffiert mit wetterfestem Filzhut, grauem Wollstoff-Cape, einer Laterne und einer Hellebarde. Sie zieht einen Schwarm Besucher hinter sich her, die am Nachtwächter-Rundgang teilnehmen, und auch sie sind mit kleinen Laternen mit Teelichtern ausgerüstet. Am Sonntag war der Auftakt für die Saison 2010/2011, und Luitgard Glaser konnte trotz Regen knapp 20 Interessenten bei ihrer ersten Nachtwächter-Runde in der neuen Saison begrüßen. Die Geschichte der Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten in einer anderen, besonderen Atmosphäre kennenzulernen, das ist der Wunsch der erwartungsvollen Teilnehmer. Dieser Wunsch geht in Erfüllung: Luitgard Glaser beherrscht ihren Nachtwächter-Job perfekt, und die abendliche Ausstrahlung Blieskastels sorgt für die entsprechende Stimmung. Von der Alten Markthalle im Rathaus aus taucht die Nachtwächter-Runde zunächst in die Dunkelheit im Mühleneck ein. Dort, so erfährt der aufmerksame Zuhörer, sei das mittelalterliche Gewerbegebiet gewesen, und Luitgard Glaser schlägt schließlich die Brücke zur Neuzeit, indem sie auch vom Schicksal des einst so renommierten Gasthauses Schwalb zu berichten weiß, das dort an der Ecke zur Gerbergasse im Dornröschenschlaf liegt. Weiter geht es, am Standort eines ehemaligen Stadttores vorbei, zum Herkules- und Napoleonbrunnen, auch das Hinnereck liegt auf dem Weg, ehe Luitgard Glaser am Gedenkstein der alten Sebastianus-Kirche erneut anhält. Man befinde sich jetzt im ältesten Teil der Stadt, so die Nachtwächterin, und spätestens jetzt ist jeder der Teilnehmer gedanklich auf seiner Reise in der Vergangenheit angekommen. Eineinhalb bis zwei Stunden dauert der Rundgang, und die Schlossbergstraße, die Orangerie und der Judenfriedhof sind weitere Stationen, ehe im Kloster ein Umtrunk mit Glühwein den Abend beschließt. Dass das Kloster durch Geistliche aus Krakau am Leben erhalten wird, freut Luitgard Glaser, geprüfte Reiseleiterin aus St. Ingbert und mit Herz und Seele als Führerin unterwegs, besonders. "Blieskastel ist seit Jahrhunderten ein Wallfahrtsort, Blieskastel ohne Kloster, das ist wie eine Suppe ohne Salz", so die Nachtwächterin. Die meisten Teilnehmer an der Auftakt-Veranstaltung waren Kurgäste, und so scheint sich der Ausspruch, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt, zu bestätigen. Dabei hätte es der Nachtwächter-Rundgang verdient, dass auch viele Einheimische daran teilnehmen. Denn gerade die abendliche Atmosphäre trägt dazu bei, die Geschichte von Blieskastel aus einem ganz anderen, intensiveren Blickwinkel zu erleben, und ein Gefühl für die Welt eines realen Nachtwächters aus den nicht immer guten, aber alten Zeiten zu bekommen. An diesem Samstag um zehn Uhr führt Luitgard Glaser erneut durch Blieskastel, allerdings nicht als "Nachtwächterin". Treffpunkt ist am Eingang zum Rathaus I, Paradeplatz. Die Führung ist kostenlos.

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