Auf Spuren der Blieskasteler Juden

Blieskastel. Schon seit einigen Wochen sind sie überall in der Stadt zu sehen: Plakate, die auf die Reichspogromnacht am 9. November 1938 in Blieskastel hinweisen. Besonders auffallend: Es zeigt die Kopie einer "Kennkarte", die Alice Sara Zimpelmann, geborene Joseph, gehörte. Den Vornamen "Sara" hatte sie, wie alle Jüdinnen, ihrem eigenen hinzufügen müssen

Blieskastel. Schon seit einigen Wochen sind sie überall in der Stadt zu sehen: Plakate, die auf die Reichspogromnacht am 9. November 1938 in Blieskastel hinweisen. Besonders auffallend: Es zeigt die Kopie einer "Kennkarte", die Alice Sara Zimpelmann, geborene Joseph, gehörte. Den Vornamen "Sara" hatte sie, wie alle Jüdinnen, ihrem eigenen hinzufügen müssen. 1888 war sie in Blieskastel geboren worden. Ihr Geburtshaus war in der Zweibrücker Straße, da, wo heute ein Fotoshop ist. Am 5. November 1943 wurde sie in Auschwitz ermordet. 55 Jahre war sie da alt. Das Original dieser Kennkarte befindet sich im Blieskasteler Stadtarchiv, Archivar Kurt Legrum benutzte das Dokument für die Gestaltung des Plakates. Gemeinsam mit Martin Dauber, grünes Ratsmitglied im Blieskasteler Stadtrat, und in Zusammenarbeit mit dem Historischen Verein Blieskastel und dem Verein "Denk mal mit" hat Legrum ein Programm entworfen, mit dem der Blieskasteler Juden und ihrer Schicksale gedacht werden soll. Grünes Licht dazu hatte der Stadtrat einstimmig in seiner jüngsten Sitzung gegeben.So wird am kommenden Samstag, 8. November, um zehn Uhr der Historische Verein an der ehemaligen Synagoge am Luitpoldplatz eine Gedenktafel enthüllen. In der Kardinal-Wendel-Straße 62, vor einem ehemals jüdischen Wohnhaus, findet von elf bis zwölf Uhr eine Mahnwache statt. Zeitzeugen haben dabei die Möglichkeit, ihre Erinnerungen zu Protokoll zu geben, um sie der Nachwelt zu erhalten. Am Sonntag, 9. November, ist um zehn Uhr in der Schlosskirche Blieskastel ein ökumenischer Gedenkgottesdienst. Anschließend spricht Richard Borg, der erste Vorsitzende des Vereins "Denk mal mit", zur Reichspogromnacht. Ab 16 Uhr lädt Martin Dauber zu einer Führung zu Stationen des jüdischen Lebens in Blieskastel ein. Treffpunkt ist am Klosterparkplatz.Dass 70 Jahre nach der Reichspogromnacht solche Gedenkveranstaltungen in Blieskastel stattfinden, ist in erster Linie Martin Dauber zu verdanken. "Dauber war der Ideengeber", sagt Kurt Legrum, der selbst 1997 zusammen mit Edwin Weinmann den Band "Blieskastel im Natio@nalsozialismus" in der Reihe Saarpfalz: Blätter für Geschichte und Volkskunde herausgebracht hatte. Martin Dauber interessierte sich schon seit seiner Jugend für die Geschichte der Blieskasteler Juden. Als 16-jähriger Gymnasiast befragte er für ein Referat Zeitzeugen. "Das war ganz schwierig. Vielleicht wird man als 16-Jähriger nicht ernst genommen", erinnert sich Dauber. Doch auch Legrum hat, als er für sein Buch in den 90er Jahren von Zeitzeugen Aussagen zur Lage der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus erbat, die Erfahrung gemacht, dass die Leute ziemlich zugeknöpft waren. Heute, wohl aus der zeitlichen Distanz, so Legrum und Dauber, seien die Menschen zugänglicher geworden, eher bereit, über das für Deutsche so schwierige Thema zu sprechen.

HintergrundDie Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 war eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Leben, Eigentum und Einrichtungen der Juden in ganz Deutschland. Weit mehr als 1300 Menschen wurden ermordet oder in den Tod getrieben, Geschäfte verwüstet, rund 1400 Synagogen zerstört.red

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