Und das gibt es auch in Blieskastel In diesem Lädchen ist die Zeit stehengeblieben

Blieskastel · Tabakwaren in einem ganz besonderen Ambiente: Seit 1873 gibt es die „Zwiwwel“ in der Barockstadt.

 Andreas Burger und Marianne Langrzik (links) beim Bedienen der Kunden Walter Reinhard und Richard Buch (von rechts) im vermutlich ältesten Tabakladen Deutschlands mit der Registrierkasse aus dem Jahre 1896.

Andreas Burger und Marianne Langrzik (links) beim Bedienen der Kunden Walter Reinhard und Richard Buch (von rechts) im vermutlich ältesten Tabakladen Deutschlands mit der Registrierkasse aus dem Jahre 1896.

Foto: Hans Hurth

Am Stammtisch des Gasthauses Mühleneck in er Innenstadt gönnt sich Walter Reinhard ab und an eine edle Zigarre aus Kuba. „Für die brauche ich nicht weit zu gehen, die kaufe ich im Fachgeschäft der saarländischen Tabakregie in der Kardinal- Wendel-Straße mit dem nostalgischen Eisenschild am Eingang. Das muss man gesehen haben“, macht der pensionierte Denkmalpfleger diejenigen neugierig, die den vermutlich ältesten Tabakladen Deutschlands noch nicht kennen. Den gibt es nämlich in der Barockstadt. Unsere Zeitung begleitete Walter Reinhard zu dem besonderen Geschäft.

Selbst Nichtraucher kommen bei Andreas Burger, seit 2010 Inhaber – mit seiner Lebenspartnerin Marianne Langrzik – ins Staunen. In dem nur 16 Quadratmeter großen Laden sieht es aus wie „anno sellemols“, die Wand- und Bodenfliesen sind noch im Originalzustand. „Nachgewiesen ist das Geschäft seit 1873“, sagt Andreas Burger voller Stolz zur lebendigen Nostalgie, im Volksmund „die Zwiwwel“ genannt. „Diesen Spitznamen hatte Alois Winkler, der den Laden nach seiner Entlassung aus der Prinzregentengarde gründete“, weiß Andreas Burger. Mit Belegen sei nachgewiesen, dass die Soldaten der kaiserlichen Armee auf dem Weg an die französische Front im ersten Weltkrieg in der „Zwiwwel“ ihren letzten deutschen Tabak kauften. Ein weiteres Stück Zeitgeschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Franzosen ein saarländisches Tabak- und Zündwarenmonopol eingeführt. Tabak durfte nur noch über ausgesuchte Fabriken bezogen werden und die saarländische Tabakindustrie, zu vergleichen mit einer Finanzbehörde, habe Verkaufskonzessionen erteilt, in erster Linie an Kriegsversehrte, die sich so mit einem Tabakladen eine neue Existenz aufbauen sollten. In Blickweiler zählte Georg Haag dazu.

Der Kaschtler Tabakladen wurde 1873 zunächst als Kolonialwarenladen mit ausländischem Tabak und Zigarren eröffnet, später kam Kaisers Kaffeegeschäft dazu. 1942 wurde daraus ein Tabak- und Spirituosengeschäft. Andreas Burger raucht selbst keine Zigaretten, aber bei besonderen Anlässen eine Zigarre. Über die Konsumgewohnheiten seiner Kunden weiß Burger genau Bescheid, Zigaretten seien immer noch am meisten gefragt. Viele Sorten hat er vorrätig oder kann sie auf Wunsch bestellen.

„Nach dem Zuzug der Flüchtlinge aus Syrien nach Blieskastel hat sich die Nachfrage verändert. Die Syrer drehen viel selbst und verlangen Tabaksorten, die bisher im Bliesgau kaum nachgefragt waren. Neben dem Drehtabak wollen die Neubürger Tabak für Wasserpfeifen, Deutsche greifen verstärkt zu E- Zigaretten. Alte, ungebrauchte Tabakpfeifen aus dem 19. Jahrhundert, damals schon mit Gewinden am Mundstück, hat Andreas Burger ebenso wie handgeschnittene Pfeifen aus Indonesien und Zwillingspfeifen für Paare, Tonpfeifen oder gar Original Sherlock Holmes-Pfeifen.

Zurück zu Walter Reinhard und den Zigarren, die Andreas Burger in der „Zwiwwel“ vorhält. „Aus Kuba, Honduras, Brasilien oder Java etwa vereinen wir alles, was sich ein Zigarrenraucher wünscht. Hochwertige Marken wie Cohiba, Davidoff, Dunhill und Villinger vereinen sich mit Olifant oder Jacob de Meer, alle in kürzeren Formaten für den täglichen Genuss oder eine Montechristo A und Don Stefano Grand Royal für besondere Tage. „Mein Sortiment an Tabakwaren umfasst insgesamt 450 Produkte, dazu Raritäten wie ungebrauchte Original- Neuwaren aus der guten, alten Zeit, etwa Feuerzeuge der ersten Generation, dazu zählen auch alte Werbeschilder wie Rothfuchs oder Schwarzer Krauser und Schwarze Hand. Walter Reinhard bleibt seiner Marke treu und verabschiedet sich mit einer Davidoff-Zigarre und einem Päckchen langer Rillos ohne Filter. „In den nächsten fünf Jahren wollen wir den Tabakladen in andere Hände abgeben. Doch sollte der neue Inhaber ihn so lassen, wie er ist und wie er von Kunden wie auch von Touristen bei den Stadtführungen bestaunt wird. Gerne arbeiten wir den neuen Besitzer ein“, sagen Andreas Burger (60) und seine Marianne (75) von der Gerbergasse zu ihrem Geschäft, das immerhin zwei Weltkriege überstanden hat und dessen Bodenfliesen sich trotz ihres Alters – also über 150 Jahre – im Top-Zustand präsentieren. „Da könnte ein neuer Besitzer mit seinen Kunden getrost drauf stehen - die halten auch noch weitere 100 Jahre aus.“

Wer im ältesten Tabakladen Deutschlands in der Kardinal- Wendel-Straße 20 vorbeischauen oder einkaufen möchte: Geöffnet ist täglich von 9 bis 18 Uhr, samstags von 9 bis 14 Uhr und ansonsten auch „immer wenn das Licht brennt“.

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