Wenn das Haus erzählen könnte

Bexbach · Seit 190 Jahren steht das alte Schwesternhaus in Bexbach. Nun wird es abgerissen. Das Haus begann 1825 als Schule, zeitweise wurden hier bis zu 300 Kinder unterrichtet. Danach zogen Schwestern ein, die bis zur Selbstaufopferung Kranke pflegten. Unvergessen ist Schwester Fergalla, die 1946 mit nur 31 Jahren starb.

 Das alte Schwesternhaus zeigt vor seinem Abriss noch einmal seine ursprüngliche Fassade, die jahrzehnetelang durch rosa Eternitplatten verschandelt war. So wie hier sah das stattliche Haus 1825 aus, als es als erstes Bexbacher Schulhaus erbaut wurde. Fotos: Britz/SZ

Das alte Schwesternhaus zeigt vor seinem Abriss noch einmal seine ursprüngliche Fassade, die jahrzehnetelang durch rosa Eternitplatten verschandelt war. So wie hier sah das stattliche Haus 1825 aus, als es als erstes Bexbacher Schulhaus erbaut wurde. Fotos: Britz/SZ

. Wenn ein Haus abgerissen wird, das jeder im Ort seit seiner Kindheit kennt, geht auch immer ein Stück an gemeinsamer Erinnerung verloren. Bevor das Bexbacher Schwesternhaus, das in den nächsten Tagen aus dem Stadtbild verschwinden wird, gänzlich vergessen sein wird, wollen wir noch einmal darüber berichten, was sich hinter der Fassade mit den rosa Eternitplatten verborgen hat: ein repräsentatives Haus mit bewegter Geschichte.

Es wurde, wie uns der Homburger Stadtarchivar Josef Britz mitteilte, im Jahr 1825 auf Gemeindekosten erbaut - und zwar als Schule. Der Bauplan stammt von dem Blieskasteler Baumeister Domprobst, der ein "für damalige Verhältnisse klassisches Schulhaus errichtete", so Britz. Es enthielt zwei Lehrsäle und zwei Lehrerwohnungen. Die Lokalschulinspektion stellte 1858 fest: "Schulhaus ist gut, Schulzimmer entsprechend".

Aus alten Unterlagen geht hervor, dass 1880 bereits 289 schulpflichtige Kinder aller Altersstufen dort unterrichtet wurden, "die durchschnittliche Klassenstärke lag bei 96 Schülern. Es gab ja nur drei Lehrer", so Britz. Bis 1887 wurde das Gebäude als Schule genutzt, danach wurde ein neues und größeres Schulhaus gebaut, das jetzige Bürgermeisteramt.

Das ehemalige Schulhaus wurde ein Schwesternhaus, "im Jahr 1900 kamen die ersten sieben Schwestern mit ihrer Oberin Eusebia, die später durch Schwester Mechthildis abgelöst wurde, nach Mittelbexbach ins ehemelige Schulhaus", heißt es in der Chronik. Betrieben wurde das Haus vom St-Vinzentius-Verein, der großen Zulauf hatte (bis zu 1000 Mitglieder) und so finanzkräftig war, dass er das ehemalige Schulgebäude kaufen konnte. Als man jetzt die aufgenagelten Eternitplatten entfernte, kam der Schriftzug "St. Vinzentius-Haus" zum Vorschein.

Das segensreiche Wirken der Schwestern , wie man in schönem altmodischen Deutsch sagt, ist in Bexbach in guter Erinnerung geblieben. Die Schwestern versorgten Patienten , machten Krankenbesuche und hielten Wache bei Sterbenden. "Wer an der Pfortenschelle zog, dem wurde eine Zwischentür geöffnet und eine Schwester führte den Patienten in einen Raum, der der medizionischen Versorgung diente", schreibt Britz. Er selbst erinnert sich noch gut an den Tag, an dem seine Oma Lisbeth starb - begleitet von einer Vincentius-Schwester, "die uns durch das Beten des Rosenkranzes die Unsicherheit nahm. einem sterbenden Menschen zu begegnen."

Gestorben wurde vor allem in den beiden Weltkriegen, während derer sich die Schwestern mit aufopferungsvoller Pflege den über 450 Kranken widmeten, die im ersten Weltkrieg zu ihnen kamen. Im Zweiten Weltkrieg waren es noch viel mehr Patienten , die auch die letzten Kräfte der Schwestern aufzehrten. In Erinnerung blieb vor allem die selbstlose Schwester Fergalla, die 1946 mit nur 31 Jahren an einem Lungenleiden starb, das sie sich in kalten Bombennächten zugezogen hatte, als sie tagelang ohne Schlaf und bei geringer Nahrung unermüdlich im Dienst der Kranken und Verletzten tätig war.

"Sie war die tüchtigste und eifrigste Krankenschwester und wird in der Pfarrei St. Martin unvergesslich bleiben", heißt es in einer Chronik. Schwester Fergalla wurde neben der Oberin, Schwester Hiera, auf dem Bexbacher Friedhof begraben.

Auch noch lange nach dem Krieg waren die Vincentius-Schwestern in Bexbach präsent. Sie hießen Oberin Careta, Gervasina, Camacha, Liborina und Dunstana. Sie bekamen moderne Fortbewegungsmittel, erst Fahrräder, dann kleine Mopeds und am Ende sogar ein Auto, das vom Vincentius-Verein für Krankenbesuche angeschafft worden war.

Doch in den 70er Jahren war abzusehen, dass keine jungen Frauen mehr für den Schwesterndienst nachkommen würden, während die noch tätigen Schwestern allmählich das Pensionsalter erreichten.

Am 28. September 1975 wurden die letzten Schwestern Gervasina, Camacha, Liborina und Dunstana in einem festlichen Dankamt in der Kirche St. Martin von Pfarrer Rottenwöhrer verabschiedet. "Danach blieb die Bank der Schwestern in der Mitte des linken vorderen Hauptschiffs verwaist", schreibt Josef Britz.

Mit dem Weggang der Schwestern war ein Stück "altes Bexbach " verschwunden. 75 Jahre lang haben sich die Schwestern in den Dienst ihrer Mitmenschen gestellt und kranke, alte, behinderte und sterbende Menschen versorgt. Der Vincentiusverein ging mit anderen christlichen Krankenpflegevereinen in der "ökumenischen Sozialstation" auf, die bis 1993 noch im alten Schwesternhaus angesiedelt war.

In den letzten Jahren diente das Schwesternhaus als Begegnungsstätte, man traf sich zum Fastenfrühstück oder zum gemeinsamen Plaudern nach den Gottesdiensten.

Nun sei die Stunde gekommen, in der das ursprüngliche Schulhaus, in dem sich 190 Jahre Bexbacher Geschichte abspielte, dem "Erdboden gleich gemacht wird", schreibt Josef Britz. Viele Bexbacher empfinden dies als großen Verlust, es gibt Petitionen und die Bitte nach Überprüfung, ob der Abriss überhaupt rechtens ist. Vermutlich, so Britz, werden die Abrissgegner wohl keinen Erfolg haben.

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