Studienbeginn in Homburg Ersti-Tüte für angehende Mediziner

Homburg · Was brauchen Erstsemester-Studenten in Homburg am nötigsten? Wir warfen einen Blick in die Ersti-Tüte, die es zur Begrüßung gab.

 Tizian und Selina von der Fachschaft Medizin verteilten die Ersti-Tüten am Eingang zum Großen Hörsaal.

Tizian und Selina von der Fachschaft Medizin verteilten die Ersti-Tüten am Eingang zum Großen Hörsaal.

Foto: Christine Maack

Von dem Moment an, in dem man zum ersten Mal im Leben seine Schultüte in der Hand hält, hört das Lernen nicht mehr auf. Erst die Grundschule, dann weiterführende Schulen, bei vielen noch Studium und womöglich Promotion. Das Tüten-Tragen wird in Homburg im fortgeschrittenen Promotions-Stadium zwar vom Hüte-Tragen abgelöst, aber irgendetwas gibt es immer etwas zum Tragen.

So auch beim Beginn des Medizin-Studiums, das im Leben von jungen Leuten einen ungewohnten Schritt bedeutet. Zumindest für diejenigen, die nach Homburg ziehen müssen, was bei über der Hälfte der Erstsemester, die nicht aus dem Saarland stammen, schon für erhebliche Verwerfungen sorgt.

Denn kaum jemand von den „Auswärtigen“ hat Homburg als ersten Wunschort angegeben, sondern wurde von der Zulassungsstelle - die seit einigen Jahren fälschlicherweise „Studienstart“ genannt wird -, nach Homburg zugewiesen. Und die sind noch die Glücklichen, bei denen „Studienstart“ tatsächlich zutrifft, für viele abgelehnte Bewerber eben nicht. Die starten dann gar nicht oder eben in einem anderen Fach.

Aber bleiben wir beim Homburger Klassiker: Eine gerade 18 Jahre alt gewordene Abiturientin aus Nordrhein-Westfalen, die Homburg erst einmal verzweifelt auf der Landkarte gesucht hat. Nein, nicht Hamburg oder Bad Homburg, wirklich Homburg, Universität des Saarlandes. Glücklicherweise konnte mit elterlicher Hilfe eine Wohnung schnell gefunden werden, denn zwischen Reiskirchen, Erbach und Beeden herrscht noch nicht die blanke Wohnungsnot. Und nun geht’s los.

Den ersten Witz bei der Begrüßung im Großen Hörsaal, die der Dekan, Professor Michael Menger, vornimmt, rauscht erst einmal vorüber: „Sie sind hier auf dem Gelände einer ehemaligen Irrenanstalt.“ Ogottogott, nein, da grinst niemand. Nur der Dekan. Er kennt das, die Erstis sind ein wenig schüchtern, tief beeindruckt und vorerst lieber still. Auf die Frage „Wer will Chefärztin oder Chefarzt werden?“ kriegt Dekan Menger selten eine Antwort. Diesmal hat er die Frage wohlweislich gar nicht mehr gestellt.

  Gutscheine, Kugelschreiber und Blöcke sind in der Tüte. Aber auch ein Ausmal-Buch und ein paar medizinische Wandposter helfen beim Studium.

Gutscheine, Kugelschreiber und Blöcke sind in der Tüte. Aber auch ein Ausmal-Buch und ein paar medizinische Wandposter helfen beim Studium.

Foto: Christine Maack

Kein Wunder, die Erstis sind froh, auf dem verworrenen Campus des Uniklinikums überhaupt den Großen Hörsaal der Anatomie gefunden zu haben. Von Chefarzt ist da noch lange keine Rede. Im kommenden Jahr wird die Hörsaal-Suche einfacher werden, denn dann ist das neue Hörsaalgebäude fertig und wird den alten Waschbeton-Bau am hinteren Ende des Geländes ablösen.

Aber zurück zu der Studentin aus NRW. Sie stößt mit ihrer anfänglichen Unsicherheit auf großes Verständnis, denn vor ihr ging es anderen Studentinnen und Studenten ganz genauso. Und weil die Fachschaft Medizin und der Asta medizinerische Sozialkompetenz an den Tag legen, gibt es zum Studienanfang eine Tüte. Eine Ersti-Tüte.

Natürlich nicht mehr so liebevoll verziert wie zum ersten Schultag vor 12 Jahren, sondern ein Jute-Sack mit der Aufschrift „Keep calm and study medicine“, eine etwas seltsame Formulierung, denn  es wird Medizinern eigentlich nicht nachgesagt, außerhalb des Studiums besonders aufgeregt herumzuspringen. Schon gar nicht in Homburg, „hier sieht man die Studenten nicht so im Stadtbild, vermutlich müssen sie viel lernen“, wie die erste Begeordnete der Stadt Homburg, Christine Becker, bei der Begrüßung feststellte. Und dann befindet sich prompt eine Dose coffeinhaltiger Energy-Drink in der Tasche. Und ein Präservativ der Marke „Billy Boy“. Man könnte beim ersten Blick in die Ersti-Tüte den Eindruck bekommen, dass das Studium in Homburg doch noch aufregend werden könnte.

„Wir haben bei Firmen nachgefragt und Sponsoren für die Ersti-Tüte gesucht“, sagt Selina, die im dritten Semster Medizin studiert und zusammen mit Tizian (9. Semester) die Tüten an die Studierenden verteilt.

Beide sind von der Fachschaft und engagieren sich für die  Erstis. Gutscheine für Schwimmbad- und Saunabesuche im Koi haben sie für die Homburger Neubürger bekommen, ebenso einen ermäßigten Haarschnitt in einem Friseursalon, Kugelschreiber, Schreibblöcke, eine Tabelle zu  „Muskeln, Gelenken und Nerven“, die schon mal einen kleinen Vorgeschmack auf das gibt, was man künftig alles auswendig lernen muss. Auch ein Wand-Poster ist dabei, das den Muskel- und Knochenmann zeigt.

 Mit sechs Jahren gibt es die erste Tüte. Sie enthält Süßigkeiten, Buntstifte und ein Mäppchen, in der Ersti-Tüte gibt’s Energy-Drink und Zahnpasta. 

Mit sechs Jahren gibt es die erste Tüte. Sie enthält Süßigkeiten, Buntstifte und ein Mäppchen, in der Ersti-Tüte gibt’s Energy-Drink und Zahnpasta. 

Foto: dpa/Peter Steffen

Wer bis dahin glaubte, Fibula  und Tibia  seien römische Jungfrauen, wird da schnell eines Besseren belehrt. Nützlich ist auch das „Körper-Ausmalbuch“, bei dem man farblich jeden Schädel-, Fuß- und Beckenknochen mit verschiedenen Farben kennzeichnen kann. Wer hier die Farbstifte aus der ersten Schultüte aufgehoben hat, kann gleich anfangen. Was uns an der Ersti-Tüte am besten gefiel? Die Werbung eines Homburger Hotels in Uni-Nähe mit dem Spruch „Muddi und Vaddi in Homburg zu Besuch? Wir übernehmen das für Dich“. Allein schon sprachlich überzeugend auf die „auswärtigen Erstis“ zugeschnitten, denn „Muddi und Vaddi“ sagt hier keiner. Außerdem:  „Mamme und Babbe“ aus dem Saarland können allemal noch abends von Homburg aus „hemm“ fahren, wenn sie mit ihrem studentischen Nachwuchs gudd essen waren. Die brauchen kein Hotel.

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