Die kleine Welt im Blumengarten

Homburg/Bexbach · Am 28. Juni wird die Gulliverwelt in Bexbach als „Gulliverwelt 2.0“ wieder eröffnet. Ein Besuch in der Werkstatt.

 Kai Reger mit einem der Glanzstücke der Ausstellung, dem Petersdom. Gut sieben Monate Arbeit stecken darin. Foto: Thorsten Wolf

Kai Reger mit einem der Glanzstücke der Ausstellung, dem Petersdom. Gut sieben Monate Arbeit stecken darin. Foto: Thorsten Wolf

Foto: Thorsten Wolf

Wer in die Lagerhalle der Karlsberg-Brauerei gleich neben der Anmeldung kommt, betritt eine andere Welt. Hier liegt der riesige, silber glänzende Gateway Arch von St. Louis, das Tor zum Westen der USA, nur ein paar Schritte neben dem gerade frisch verputzten Petersdom.

Herr über die Gulliverwelt ist Kai Reger, der seit drei Jahren, unterstützt von einem vier- bis sechsköpfigen Team, die Bauten restauriert. "Ich habe damit wirklich mein Hobby zum Beruf gemacht", erklärt Reger, der gelernter Zimmermann und Dachdecker ist - und passionierter Modellbauer. "Schon als Kind habe ich gerne Modelle gebaut, Flugzeuge, Eisenbahnen, Häuser", erzählt er. Als Naturwaren Theiss das Projekt Restaurierung der Gulliverwelt ausschrieb, bewarb er sich und bekam den Zuschlag.

Die Faszination Modellbau hat ihn bis heute nicht losgelassen, das spürt man bei jeder Silbe - auch wenn diese Modelle doch um einiges größer sind: Der Petersdom zum Beispiel misst stolze sechs Meter Breite und 18 Meter Länge. Insgesamt wurde daran sieben Monate gearbeitet, erzählt Reger. Die Originalteile konnten nur zum Teil wieder verwendet werden, oft war es einfacher, neu zu bauen. Vor allem waren die alten Modelle aus Polyurethan mit einer dicken, ockergelben Farbschicht überzogen, zeigt Reger auf einige der alten Bauten - und zwar fast alle. Was bei den Pyramiden farbmäßig noch einigermaßen hinkam, wirkte dann beim Petersdom schon eher unpassend. Weil die Modelle schon ziemlich marode waren, waren sie auch nicht immer vollständig. Das machte dem Team die Zuordnung der Bauteile nicht grade einfacher: "Das ist wie ein Puzzlespiel", meint Kai Reger lachend: Wo gehört das spitze Dach denn nun hin? Zum Inkatempel oder zum Kölner Dom?

Bei einem rätselhaften braunen Schindeldach mit vielen kleinen Gaubenfenstern konnte der frühere Besitzer des Kiosks im Deutsch-Französischen Garten helfen: Das gehörte zum Bahnhof der Bimmelbahn, die durch den DFG fuhr. Berühmte Bauwerke aus aller Welt zeigt die Gulliverwelt - "aber man merkt, dass der Park in den Zeiten des Kalten Krieges entstanden ist, es sind kaum Objekte aus dem Nahen Osten dabei", meint Reger.

Eine Ausnahme ist zum Beispiel der Burj-e Azadi, der Turm der Freiheit von Teheran. Der Modellbauer und sein Team stehen auch ein Stück weit im Spagat: Einerseits wolle man möglichst nah ans Original kommen - nicht nur wegen des Wiedererkennungswertes, sondern auch aus Spaß am Werkeln und Tüfteln. All die Kapitelle, Säulen, Heiligenfiguren - zu detailverliebt dürfe man aber auch nicht sein - "sonst werden wir nie fertig …"

Der Wiederaufbau warf auch ungeahnte Fragen auf. Zum Beispiel: Wie sieht eigentlich der Petersdom von hinten aus? Da steckte echte Recherchearbeit drin, erinnert sich Reger: Es gibt jede Menge Bildmaterial, aber nichts davon zeigte die Rückansicht, auch sämtliche Google-Earth-Bilder brachten keinen Aufschluss - was, wenn da nun ein Portal ist, oder andere Fenster? In dem Fall brachte ein 3-D-Puzzle die Lösung. "Das haben wir erst mal vier Stunden zusammengesetzt und uns dann daran orientiert." Fast alle Teile werden in Handarbeit gefertigt, Grundmaterial ist Styrodur, ein Dämmmaterial, das man nach Belieben in Form schneiden, verputzen oder streichen kann. Kleine Teile wie zum Beispiel Heiligenfiguren werden von den Originalmodellen mit Kautschuk abgeformt und dann gegossen.

Ein echter Hingucker sind die Gulliverwelt-Objekte allemal: Als der Eiffelturm in der Talstraße stand, kamen Menschen aus dem ganzen Saarland, um ein Foto zu schießen. Die Freiheitsstatue allerdings wurde gleich zu Anfang gestohlen - das sind dann die weniger schönen Seiten. So, wie es Reger und sein Team auch zwischen Wut und Trauer schwanken lässt, wenn die Objekte als Mülleimer missbraucht oder beschädigt werden. "Wir geben uns so viel Mühe, da steckt so viel Arbeit drin, das geht einem dann schon nahe", räumt er ein.

Wenn jetzt Ende Juni die Gulliverwelt eröffnet wird, entlassen die Modellbauer 32 Objekte aus ihrer Obhut - Halbzeit also. Dann ist in der Halle wieder ein bisschen mehr Platz, wenn das Team die restlichen Bauten in Angriff nimmt … Kai Regers Lieblings-Bauwerk ist übrigens Schloss Neuschwanstein - das Original hat er selbst auch schon oft besucht und ist immer wieder fasziniert von dem Traumschloss.

Zum Thema:

64 Objekte umfasst die Gulliverwelt. Das 1976 im Deutsch-Französischen Garten in Saarbrücken eröffnete Miniaturreich war für Generationen von Besuchern eine Attraktion. Nach der Schließung der Saarbrücker Gulliverwelt 2012 kauften Peter Theiss und Giuseppe Nardi vom Homburger Unternehmen Dr. Theiss Naturwaren die Bauten auf. Die neue "Gulliverwelt 2.0" wird im Bexbacher Blumengarten aufgebaut. Eröffnung ist am 28. Juni.

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