Kirchenporträt Konfirmanden zogen täglich das Uhrwerk auf

Niederbexbach · Katholiken und Protestanten stritten sich einst um Nutzung und Inventar der Jakobuskirche. Der alte Streit ist heute beigelegt.

 Jakobus Kirche Niederbexbach

Jakobus Kirche Niederbexbach

Foto: Sebastian Dingler

Die protestantische Pfarrkirche Jakobus in Niederbexbach ist wie so viele Kirchen ein aus verschiedenen Epochen zusammengesetztes Bauwerk. Vom frühsten Teil, dem Unterbau des Turmes, kennt man das Jahr der Erbauung nicht. Auch vom Dorf selbst vermutet man nur, dass es in der mittelalterlichen Aufbauzeit vom achten bis zum elften Jahrhundert entstand. Aus einer Urkunde von 1498 geht hervor, dass das damals noch „Kapelle“ genannte Bauwerk dem Heiligen Michael gewidmet war. Auch Martinskirche soll es einst geheißen haben. Da die Kirche später nach dem Heiligen Jakob benannt wurde, lässt spekulieren, dass Niederbexbach eine Station für Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela gewesen sein könnte. Jedenfalls wurde die Kapelle nach der Reformation protestantisch, wobei schon 1684 ein Simultaneum eingerichtet wurde, das eine Nutzung durch beide Konfessionen möglich machte. Allerdings lief das nicht immer friedlich ab. Nur ein Beispiel: Ein Aufsatz aus einer katholischen Kirchenzeitung von 1835 beklagte sich über den Umgang der Protestanten mit den katholischen Kirchengegenständen. Die „kreuzscheuen“ Protestanten hätten ein von den Katholiken aufgehängtes Kreuz während des Abendmahls abgehängt – ein Skandal, der einigen Schriftwechsel nach sich zog.

Erst 1881 wurden durch das Oberlandesgericht Zweibrücken den Protestanten die vollen Rechte an der Kirche gewährt. 1904 gründete sich dann ein Kirchenrenovierungsverein, im Juni 1908 wurde mit dem Abriss der alten Kirche, bis auf die Grundmauern des Turms, begonnen. 1909 konnte der vom königlichen Bezirksbaumeister Johann Caspar Löhmer geplante Bau beendet werden. Uralte, auf dem Gelände gefundene Kindergrabsteine wurden in der Wand auf der Empore eingearbeitet. Als eine Art Statement brachten die Protestanten Glasfenster ein, die Martin Luther und den schwedischen König Gustav Adolf zeigen. Beides sind wunderbar kunstvolle Darstellungen, die von der Kaiserslauterer Kunstglasanstalt Aloys Roeder hergestellt wurden. Älter ist das Buntglasfenster im Chorraum, das einen segnenden Jesus Christus zeigt.

Bereits 1909 wurde eine Kirchturmuhr für 1000 Mark angeschafft, die mit dem Zug aus Landau nach Bexbach gebracht wurde. Das alte Uhrwerk ist oben im Turm noch vorhanden – ältere Gemeindemitglieder erinnern sich noch daran, dass sie als Konfirmanden dazu verpflichtet waren, die Uhr täglich aufzuziehen. Einige ins Gebälk geritzte Botschaften bekunden davon, dass wohl ab und zu ein junges Pärchen nach dem Gottesdienst „abhanden“ kam, wie Pfarrerin Bärbel Ganster-Johnson schmunzelnd erzählt.

Der Turm ist mit ganzen fünf Glocken üppig bestückt – ihre Vorgänger waren im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen worden. 1959 musste der Turm noch mal extra aufgebrochen werden, damit das aus Annecy gelieferte Geläut an den richtigen Ort gebracht werden konnte. 1966 kam dann die heutige Oberlin-Orgel auf die Empore, 1992 wurde diese renoviert. Die Besonderheit der Orgel besteht im sogenannten Zimbelstern, der bei Betätigung Glöckchentöne von sich gibt. 2004 erhielt die Kirche im Zuge einer umfangreichen Renovierung eine Fußbodenheizung. Als Pfarrerin Bärbel Ganster-Johnson vor zwölf Jahren ihren Dienst in der Gemeinde antrat, fand sie als Erstes die Mitteilung vor, dass der Turm baufällig sei. „Wir haben dann einen Förderverein gegründet und zehn Jahre lang gespart. Mit Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz konnten wir die Renovierung 2018 abschließen.“ Dabei wurde auch eine Darstellung der Sonne als Mittelpunkt zweier spätgotischer Sandsteinbögen über dem Altar wieder freigelegt. Der alte Streit zwischen den Konfessionen spielt heutzutage keine Rolle mehr, die Jakobuskirche wird auch von den Niederbexbacher Katholiken zu Gottesdiensten verwendet.

 Die Jakobuskirche steht inmitten des Dorfs Niederbexbach und war vermutlich einst Pilgerstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Das älteste Glasfenster ist im Chorraum zu finden und zeigt Jesus Christus

Die Jakobuskirche steht inmitten des Dorfs Niederbexbach und war vermutlich einst Pilgerstation auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Das älteste Glasfenster ist im Chorraum zu finden und zeigt Jesus Christus

Foto: Sebastian Dingler
 Jakobus Kirche Niederbexbach Momente

Jakobus Kirche Niederbexbach Momente

Foto: Sebastian Dingler
 Die Sonne aus Sandstein gehört zu den ältesten Teilen der Kirche.

Die Sonne aus Sandstein gehört zu den ältesten Teilen der Kirche.

Foto: Sebastian Dingler

Auf der Seite Momente stellt die Saarbrücker Zeitung im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor.

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