Azubis sind nicht schlechter, sondern anders

Homburg. Zum ersten Mal spürten Homburger Firmen, dass das Angebot an Auszubildenden spürbar schrumpft (wir berichteten). Obwohl in diesem Jahr noch alle Ausbildungsplätze in den Großbetrieben besetzt werden konnten, blicken die Personal- und Ausbildungsleiter sehr skeptisch in die Zukunft

 Die Firmen können bei ihrer Azubi-Auswahl nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Damit kommen auch Hauptschüler wieder zum Zuge, die vorher nur wenig Chancen hatten. Foto: B&B/SZ

Die Firmen können bei ihrer Azubi-Auswahl nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Damit kommen auch Hauptschüler wieder zum Zuge, die vorher nur wenig Chancen hatten. Foto: B&B/SZ

Homburg. Zum ersten Mal spürten Homburger Firmen, dass das Angebot an Auszubildenden spürbar schrumpft (wir berichteten). Obwohl in diesem Jahr noch alle Ausbildungsplätze in den Großbetrieben besetzt werden konnten, blicken die Personal- und Ausbildungsleiter sehr skeptisch in die Zukunft. Vor allem die Qualität der Bewerbungen wird bemängelt, es fehle an korrekten Deutschkenntnissen oder einfach nur an Kommunikationsfähigkeit. Man stelle den Azubis bei Bewerbungsgesprächen keine komplizierten Fangfragen, betonten die Personalleiter gegenüber unserer Zeitung, aber es sei offensichtlich, dass es jungen Leuten zunehmend schwerfalle, mit längeren, gut ausformulierten Sätzen zu antworten.Wir befragten dazu Christoph Schwarz, Schulleiter am Homburger BBZ. "Es ist nicht so, dass es rein rechnerisch Engpässe bei den Bewerbern gebe", betont er, "die Betriebe waren nur gewöhnt, sich aus einem Pool von rund 600 guten Bewerbern die besten herauszugreifen. Der Pool ist ganz einfach geschrumpft. Wir bekommen pro Jahr vier Prozent weniger Schulabgänger, das ist Bundesdurchschnitt." Außerdem könne er nicht bestätigen, dass die Schulabgänger schlechter geworden seien als vor 20 Jahren - "sie sind anders", das gibt Schwarz schon zu. Daran sei aber nicht die Ausbildung, sondern oftmals das Elternhaus schuld: "Beide Elternteile arbeiten und haben wenig Zeit, sich um die Kinder zu kümmern. Oder sie kümmern sich zu viel, dann will sich das Kind nicht mehr durchbeißen." Bei auftauchenden Schwierigkeiten würden junge Leute heute schneller die Flinte ins Korn werfen als noch vor 20 Jahren. Und was Umgangsformen, Höflichkeit und Kommunikation angehe, "auch da sind in erster Linie die Eltern in der Pflicht." Er habe den Eindruck, die Eltern würden mit ihren Kindern nicht genügend sprechen oder sie nicht zum Lesen animieren, sagt Timm Stegentritt, Ausbildungsleiter bei Bosch. Deshalb könnten sich manche Azubis nicht gut ausdrücken: "Die sind es nicht gewöhnt, eine längere Passage über sich selbst, ihre Berufs- und Zukunftswünsche zu sprechen."

Das bestreitet Schulleiter Christoph Schwarz nicht, "aber man darf auch nicht vergessen, dass die Betriebe in den vergangenen Jahren ihre Ansprüche an die Auszubildenden immer höher geschraubt haben. Von den Facharbeitern wird heute viel mehr verlangt, die Maschinen sind komplizierter geworden, Industriemeister haben fast schon Ingenieurs-Qualifikationen." Ohne eine sehr gute Mittlere Reife oder ein Abitur brauchte man sich früher nicht zu bewerben. Hier begrüßt Schwarz, "dass wieder Hauptschüler zum Zuge kommen."

Und die Mädchen? Hier sieht er den steigenden Bedarf der Industrie, macht sich aber keine Illusionen: "Es ist in der Schule schwer, die Mädchen für Technik zu begeistern." Traurig sei, dass jene Berufe, für die Mädchen sich interessierten, zum Beispiel im pflegerischen Bereich, so gering bezahlt würden.

Meinung

Mädchen und die Industrie

Von Merkur-MitarbeiterinChristine Maack

 Die Firmen können bei ihrer Azubi-Auswahl nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Damit kommen auch Hauptschüler wieder zum Zuge, die vorher nur wenig Chancen hatten. Foto: B&B/PM

Die Firmen können bei ihrer Azubi-Auswahl nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Damit kommen auch Hauptschüler wieder zum Zuge, die vorher nur wenig Chancen hatten. Foto: B&B/PM

Die Industrie wird es in den kommenden Jahren schwerer haben, gute Leute für ihre Betriebe zu finden. Deshalb wird das Augenmerk der Personaler unvermeidlich auf die weibliche Hälfte der Menschheit fallen: Her mit den Mädels! Doch die wollen nicht so recht, denn Stahl, Eisen und Maschinen - das sind nicht so wirklich die Domänen, in denen Mädchen sich wohlfühlen. Hand aufs Herz - wie viele Mädchen helfen denn wirklich gerne beim Reifenwechsel oder beim Kabelverlegen am Rohbau? Wenn aufgelistet wird, dass Frauen in Deutschland weniger verdienen als Männer, dann liegt der Grund für diese Ungleichheit auf der Hand: Frauen bringen zu wenig Interesse für Jobs auf, in denen gutes Geld verdient wird. Man kann auch andersherum fragen: Warum werden zwischenmenschliche Dienstleistungen so schlecht entlohnt? Der Grund ist klar: Ein begehrtes Industrieerzeugnis wird im Ausland verkauft, bringt Devisen und Wirtschaftskraft. Mit Altenpflege, Haare schneiden oder Kinder entbinden geht das nicht. Entlohnung hat am Ende gar nicht so viel mit wichtigen oder unwichtigen Arbeiten zu tun.

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