Frieden An vier Tagen für Frieden demonstriert
Saarbrücken/Zweibrücken · Am Frontverlauf des Ersten Weltkriegs fanden zwischen Arras und Lille die Aktionen „Faites la Paix“ statt. Als einzige deutsche Delegation nahmen Protestanten aus der Saarpfalz und der Pfalz an den Zeremonien teil.
Die Kirchen und Religionsgemeinschaften in Frankreich haben mit einer viertägigen Zeremonie vom 19. bis 22. April unter dem Motto „Faites la Paix“ in Nordfrankreich in Arras und Lille und an verschiedenen Orten des Artois zum weltweiten Frieden aufgerufen. Im Rahmen des Gedenkens an den 100. Jahrestag des Ersten Weltkrieges organisierte der Verein „Centenaire pour la paix“ zusammen mit der Diözese Arras eine große internationale Versammlung für den Frieden. Höhepunkte waren die 15 Kilometer lange Menschenkette am ehemaligen Frontverlauf zwischen Neuville Saint-Vaast, Vimy und Ablain Saint-Nazaire mit der Nekroprole Notre Dame de Lorette. Dort wurde von 21 kirchlichen Vertretern und Religionsgemeinschaften der „Appel des Religions pour une Paix juste“ (Aufruf der Religionen für einen gerechten Frieden) unterzeichnet. Die mehr als 2500 Gäste dort kamen aus aller Welt, die den unterschiedlichsten Religionen angehörten, darunter neben Katholiken auch Anglikaner, Juden, Muslime, Buddhisten und als einzige evangelische Gruppe die saarpfälzischen Protestanten, die besonders herzlich empfangen wurden. Vincent Blin, Generalvikar von Arras, sagte: „Dass Sie hier sind, ist ein starkes Zeichen für den Frieden.“
Die saarpfälzische Delegation wurde von den vier Institutionen Protestantisches Dekanat Zweibrücken, dem Netzwerk Bildung im Dekanat Zweibrücken, der Evangelischen Akademie im Saarland und von Pax Christi im Bistum Trier gebildet. Von dort kam der Diakon Horst-Peter Rauguth, der anmerkte: „Ohne die Protesanten aus der Region hätten wir als Katholiken nicht hierher fahren können. Es haben sich einfach zu wenige gemeldet. Deshalb bin ich umso froher, dass die Protestanten uns im Zuge der Ökumene mitgenommen haben.“ Die Saarpfälzer waren von Jacques Baillon, Chef der „Macht-Frieden-Organisation“, eingeladen worden. Sie waren wie andere Delegationen zu Beginn im Rathaus von Lille von Bürgermeister Frederic Leturk und dem Bischof von Arras, Jean-Paul Jaeger, empfangen worden. Zu einer besonderen Begegnung kam es, als der pfälzische Landessynodale Jürgen Karl Neumann, gleichzeitig Vorsitzender der Bezirkssynode Zweibrücken, zu der auch die Saarpfalz und der Homburger Stadtteil Einöd gehören, gemeinsam mit dem Bischof von Dover, Trevor Willmot, und Mohammed Iquioussen (Imam von Assalam des Raismes) zu einem Interview in ihren Muttersprachen für die Medien gebeten wurden. Neumann: „Wir wollen mit unserer Teilnahme deutlich machen, dass man Frieden nicht mit Waffen erreichen kann. Eine friedliche Welt mit Solidarität, Gerechtigkeit und ohne Ausbeutung der Ressourcen muss immer das Ziel sein und bleiben. Dafür treten wir ein.“
An der Nekropole Notre Dame de Lorette sagte der saarpfälzische Dekan Peter Butz auch: „Über 500 000 Menschen wurden an dieser einstigen Frontlinie des Großen Krieges maschinell abgeschlachtet. Das ist über 500 000 Mal ein Mensch, ein einmaliger, unverwechselbarer, ein Kind Gottes. Ihr Blut schreit zum Himmel. Und wir müssen vor den Opfern die Sünde unserer Kirche bekennen.“ Die Kirche habe die Theologie des Opfers Jesu Christi pervertiert zu einer Verherrlichung von Menschenopfern, als sei es gottgefällig und verdiene Gottes Lohn, sich auf dem Schlachtfeld verstümmeln und hinmetzeln zu lassen, so Butz weiter, und fügte an: „Bis heute erheben wir zu kleinlaut und zu kleingläubig unsere Stimme für die Opfer von Gewalt, Krieg, Ungerechtigkeit und der Zerstörung der Schöpfung.“
Der evangelische Theologe Max Krumbach, früher unter anderem auch Klinikseelsorger in Blieskastel, fand auch kritische Worte: „Die evangelischen Kirchen in Deutschland haben wegen ihrer Abwesenheit eine einmalige Gelegenheit zur Aussöhnung verpasst.“
Auf dem viertägigen Programm „Make Peace“ standen auch ein Kolloquium an der katholischen Universität in Lille mit namhaften Wissenschaftlern zum Thema „Gerechter Krieg – gerechter Frieden“. Für die deutsche Delegation stand der Besuch auf dem Soldatenfriedhof bei Neuville Saint-Vaast auf dem Programm. Hier sind 44 883 deutsche Soldaten begraben. Zum weiteren Programm gehörten an den vier Tage auch Konzertshows, Kino, Konferenzen und ein Friedensdorf auf dem Gelände der Diözese Arras und des Klosters des Ordens der Clarissen. Hier wurden laut Veranstalter rund 5000 Besucher gezählt. Zur Menschenkette waren bis zu 10 000 Teilnehmer gekommen; die Präfektur in Arras sprach von 4000 bis 6000.
Alle Veranstaltungen wurden von der Gendarmerie und der Armee überwacht. Zudem überflogen Militärhubschrauber die Menschenkette. Was viele dachten, brachten Anne-Sophie Lefevre und Jeanne-Marie Ceulemans, beide aus Lille, zum Ausdruck: „Hier wird friedlich für Frieden ohne Waffen demonstriert, wozu brauchen wir die Staatsgewalt?“ Nach Angaben des Robert-Schuman-Centre in Scy-Chazelles bei Metz starben im Ersten Weltkrieg 20 Millionen Menschen, darunter elf Millionen Zivilisten.