Ausstellung in Wadgassen Von Gutenberg bis Trump: Fake News im Wandel der Zeiten

Wadgassen · Das Zeitungsmuseum in Wadgassen zeigt eine akribisch recherchierte und humorvoll kuratierte, medienkritische Schau: „Making News – Breaking News – Faking News“

 Ein Mobile aus Lügen-Sprechblasen gibt den Besuchern Anregungen zum Nachdenken.

Ein Mobile aus Lügen-Sprechblasen gibt den Besuchern Anregungen zum Nachdenken.

Foto: Kerstin Krämer/KERSTIN KRAEMER

Dank fallender Inzidenzzahlen im Landkreis Saarlouis darf nun diesen Dienstag endlich auch das Deutsche Zeitungsmuseum (DZM) wieder seine Pforte entriegeln. Dort spannt man einen Bogen von Gutenberg zu Trump (tatsächlich hätte die Exposition parallel zur US-Wahl im November starten sollen) und landet auch mit dem Kapitel Verschwörungstheorien brandaktuell in der viral verwirrten Gegenwart.

Nein, Fake News und und Begriffe wie Lügenpresse sind keine Erfindungen von twitternden Trumpelstilzchen. Die Behauptung, dass Medien Falschmeldungen verbreiten, ist uralt und mitunter durchaus gerechtfertigt, wie das DZM hier anhand zahlreicher Beispiele aus 600 Jahren dokumentiert. Tatsächlich wurde der Vorwurf „Lügenzeitungen“ bereits zu Anfang des 17. Jahrhunderts laut: Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks ermöglichte die beliebige Vervielfältigung von Nachrichten, setzte zugleich aber auch Verleger und Autoren unter Druck, möglichst spektakuläre Inhalte zu liefern – womit sich zunehmend die Frage nach deren Wahrheitsgehalt stellte. Als Beispiel sei hier das Phänomen der Seeschlange genannt, mit der schon früh regelmäßig das berühmte Sommerloch gestopft wurde. Das illustre Ungeheuer aus dem schottischen Loch Ness ist mitnichten der Prototyp, wie das DZM hier mit vermittlungsfreudigem Spieltrieb nachweist: Dekorativ mäandert ein gemaltes Meeresmonster die Mauer entlang, um schließlich als dreidimensionaler Pappmaché-Kopf mit aufgerissenem Maul ein Segelschiff mit wackeren Seeleuten anzufallen. Letzteres eine emotionale Installation aus Playmobil-Figuren, zu der sich eine weitere gesellt, bei der wir Meister Gutenberg mitten in der Druckwerkstatt zuschauen.

Schön, dass das DZM nicht nur auf  – durchaus ansprechende – Flachware setzt. Da blubbert zudem ein raumgreifendes Mobile aus Lügensprechblasen, und gleich dahinter dräut ein riesiges, plastisches Lügennetz samt lauernder Spinne – irgendwer muss ja einen Vorteil aus den ganzen Falschmeldungen ziehen. Und dann kann man noch eine ganze Weltraumlandschaft mit US-Flagge betreten, die als umstrittene Mondlandung das Kapitel Verschwörungstheorien dominiert.

Auch aus seiner Vorliebe für spottbissige Karikaturen macht das DZM keinen Hehl – von wandfüllenden Tableaus über die lüsterne Sensationsgier und die Methoden der Yellow Press bis zu einer überbordenden, Cartoon-bunten Abteilung über die legendäre Nachricht, die der verzweifelte damalige Bundespräsident Christian Wulff 2011 auf dem Anrufbeantworter von Ex-„Bild“-Chef Kai Diekmann hinterließ. Apropos: Diekmann hat für Herbst seine Zusage zu einem Podiumsgespräch mit Günter Wallraff, dem Undercover-Aufklärer der Nation, zugesagt – das verspricht eine wahrlich spannende Unterhaltung mit reichlich Konfliktpotenzial.

Orientierungshilfe leistet die chronologische Anordnung, die den Besucher unterhaltsam durch die Jahrhunderte leitet. Wer das Haus betritt, steht unmittelbar einem ausgestopften Wildschwein gegenüber. Die Frage, ob das Viech tatsächlich an einem Berliner FKK-Weiher einem Nacktbadenden das Laptop mopste, wie ein bekanntes Revolver-Blatt mit vier Buchstaben kolportierte, war quasi die Initialzündung zur ganzen Ausstellung. Von da an geht’s in einem Zeitsprung zurück und quer durch verschiedene historisch gegliederte Episoden, die unter anderem auch diverse „Aufmerksamkeitsstrategien“ der Presse und die gezielte Instrumentalisierung durch die Politik beleuchten. Nicht fehlen dürfen auch die gefälschten Hitler-Tagebücher, denen das Magazin „Stern“ aufsaß (das DZM zeigt ein Exemplar als Leihgabe), literarische Hochstapler und zeitgenössische Märchenonkel wie Claas Relotius, der jüngst den seriösen „Spiegel“ ins Straucheln brachte. Und was es mit der berühmten Zeitungsente auf sich hat, erfährt man natürlich auch.

Läuft bis 31. Dezember, geöffnet Di-So von 10 bis 16 Uhr. Binnen Zeitfenstern von zwei Stunden haben je 40 Personen Zutritt, mit negativem Schnelltest. Info: www.deutsches-zeitungsmuseum.de

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