10 000 Euro Preisgeld Geschlecht und Hautfarbe sollten „sekundär“ sein

Saarbrücken · Auch bei Literaturübersetzungen wird gerade heftig darüber dikustiert: Wer darf wen übersetzen? Der in Saarbrücken gerade frisch gekürte Helmlé-Preisträger Andreas Jandl hat dazu eine klare Meinung.

 Andreas Jandl wurde jetzt in Saarbrücken mit dem Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Andreas Jandl wurde jetzt in Saarbrücken mit dem Helmlé-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Foto: Kerstin Krämer/KERSTIN KRAEMER

Wer darf wen übersetzen? An dieser Debatte, die sich an der amerikanischen Schriftstellerin Amanda Gorman entzündet hat, kam jetzt auch der Eugen-Helmlé-Übersetzer-Preis nicht vorbei. „Ich wünsche mir eine Übersetzerwelt, in der Hautfarbe und Geschlecht sekundär sind“, sagte der diesjährige Preisträger Andreas Jandl. Er nahm die mit 10 000 Euro dotierte Auszeichnung, die zu Ehren des Sulzbacher Übersetzers Eugen Helmlé vom Saarländischen Rundfunk, der Stiftung des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (ME-Stiftung) und der Stadt Sulzbach vergeben wird, von SR-Intendant Martin Grasmück, Oswald Bubel (Vorstandsvorsitzender der ME-Stiftung) und Sulzbachs Bürgermeister Michael Adam (CDU) entgegen.

Die Laudatio hielt Marie-Elisabeth Räkel, Kulturattachée der Vertretung der Québecer Regierung in Berlin. Sie begleitet den 1975 in Esslingen geborenen Jandl schon lange: Als Übersetzer englischsprachiger und frankophoner Literatur (Prosa, Dramatik und Lyrik) engagiert er sich insbesondere für die Verbreitung der Québecer Literatur im deutschen Sprachraum. Waren es doch hierzulande noch unbekannte kanadische Autorinnen und Autoren, die vor über 20 Jahren seinen Wunsch weckten, Übersetzer zu werden. Mit „Den Sankt-Lorenz entlang bis ans Ende der Welt“ widmete er seiner Kanada-Leidenschaft gar ein eigenes Buch.

Was reizt ihn an den literarischen Stimmen Québecs? Eine bestimmte Qualität zu benennen, fällt Jandl schwer. „Für mich ist es ein Verbundenheitsgefühl“, sagt Jandl, der zwei Jahre in Montréal studierte und dort seinen Abschluss in Theaterwissenschaften machte. „In dieser Zeit wurde ich sehr geprägt von der Québecer Literatur und ihren sprachlichen Eigenarten. Für mich ist das Übersetzen kanadischer Literatur die Möglichkeit, von Berlin aus im Herzen dort zu sein.“ Jandl gibt Autoren wie David Diop, Nicolas Dickner, Michael Mackenzie oder Gaétan Soucy eine deutsche Stimme; seine Übertragungen werden für ausgeprägte Rhythmik, Genauigkeit sowie für sprachliche Freiheiten gelobt. Zur Preisverleihung im SR-Studio 1 erschien Jandl in Begleitung der franko-koreanischen Autorin Elisa Shua Dusapin und las mit ihr im deutsch-französischen Wechsel aus ihrem Buch „Ein Winter in Sokcho“ – quasi ein dreifacher Übersetzungsfall, denn Dusapin denkt koreanisch und schreibt französisch. Das Buch, bei dem zwei Gestrandete umeinander kreisen, sei eines seiner liebsten, erklärt Jandl: wegen der sprachlichen Besonderheiten, seinem ansprechenden Stil und der Geschichte an sich. Und „trotz aller Traurigkeit und Verzweifeltheit“ strahle das Buch eine große Ruhe aus: „Das war eine sehr essenzielle Erfahrung“, sagt Jandl, „denn das erlebt man beim Übersetzen in aller Intensität mit.“ Dass er die zu übertragenden Autorinnen und Autoren persönlich kontaktiert, gehört zu seinem Selbstverständnis. Jandl: „Meistens ist das ja ein Austausch, der zum eigentlichen Kern der Texte vordringt.“

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