Musikfestspiele Saar „Die Musikfestspiele starten am 1. Mai“

Saarbrücken/Saarlouis/Völklingen/Tholey · Pandemie und Lockdown – hin oder her: Die Musikfestspiele Saar starten auf jeden Fall am 1. Mai, versprechen die Macher. Notfalls zuerst als Streamingfestival. Und mit Publikum im Saal dann im Herbst.

 Klavierpoet und kritscher Kopf: Painist Fazil Say, jenseits des Konzertpodiums auch eine bemerkenswerte politische Stimme, wird am 10. Mai im Saarlouiser Theater am Ring Gast des Saar-Festivals sein. In einem Kammermusikabend mit Friedemann Eichhorn. Je nach Pandemielage mit Publikum oder gestreamt.

Klavierpoet und kritscher Kopf: Painist Fazil Say, jenseits des Konzertpodiums auch eine bemerkenswerte politische Stimme, wird am 10. Mai im Saarlouiser Theater am Ring Gast des Saar-Festivals sein. In einem Kammermusikabend mit Friedemann Eichhorn. Je nach Pandemielage mit Publikum oder gestreamt.

Foto: Marco Borggreve/marco borggreve

So einen Satz muss man sich im Corona-Würgegriff, der seit Monaten die gesamte Kultur in die Knie zwingt, erstmal trauen: „Die Musikfestspiele Saar starten am 1. Mai, auf jeden Fall“. Vorsichtshalber schauen sich Festival-Intendant Benhard Leonardy und Co-Leiterin Eva Karolina Behr nochmal tief in die Augen, als sie das sagen. Doch ja, sie wollen’s wagen. Nein, es muss sein, schiebt Leonardy nach: „Die Gesellschaft ist zermürbt durch den Endloss-Lockdown. Wir müssen ein Zeichen setzen, Mut machen, die Kultur lebt.“

Also, es ist fix. Das Traditionsfestival legt am 1. Mai mit einem Konzert der A-Cappella-Stars „V O C E S 8“ in der Tholeyer Abtei (am 2. Mai dann in Saarlouis-Lisdorf) los. Komme, was wolle, verspricht Behr. „Im besten Fall mit Publikum in der Alten Abtei in Tholey und am Folgetag in der Kirche St. Crispinius“, so Behr. Sollten aber die Covid-Kassandras dieser Republik, die Drostens und Lauterbachs, Recht behalten, werde man das Konzert der britischen Gesangspuristen eben streamen. Wie auch einen großen Teil der weiteren guten Dutzend Konzerttermine, die für Teil eins des diesjährigen Festivals (vom 1. bis 15. Mai 2021) auf der Agenda stehen.

Klar wäre das der Worst Case, betonen Behr und Leonardy. Weil, wenn sich das Publikum nur daheim vorm Computer sammelt, und die Musiker keimfrei spielen und singen müssen, sich schwerlich Festivalatmosphäre einstellen wird. Das Live-Miteinander von Künstlern und ihren Zuschauern, die Interaktion, das schließlich gehört zur DNA des kulturellen Lebens.

Doch ein Festival nur online hieße auch: Es käme kaum was in die Kasse – außer einem geringeren Zuschauer-Obolus fürs Streaming. Und das bei einer privatwirtschaftlichen Kulturunternehmung, die normalerweise 25 Prozent ihres Gesamtetats von circa 400 000 bis 500 000 Euro durch Kartenverkäufe deckt. Die Musikfestspiele aber nehmen trotzdem dieses Risiko auf sich  (Vorverkaufsstart wohl Mitte März). Und bieten unter dem Titel „Ursprünge“ nicht nur Hochkarätiges, sondern auch Innovatives. Man habe bewusst den geplanten Natur- und Industrieansatz beibehalten, erläutert Behr, quasi die Konversion via Kunst. Was ja für das Saarland, einst das Land der rauchenden Schlote, maßgeschneidert ist. Klar habe man vom bereits für 2020 Geplanten auch manches übernommen. „Es ging uns ja auch darum, Zusagen an die Künstler aus dem Vorjahr zu halten“, so die künstlerische Leiterin.

Das Programm für den Mai nun ist enorm, reicht vom Gastspiel des Pariser Organisten Olivier Latry über einen erlesenen Kammermusikabend mit Ausnahme-Pianist Fazil Say und Auftritte des Schuman Quartetts sowie des in Saarbrücken angedockten Trio Vivente, bis zu einer Uraufführung, die das GrauSchumacher Klavierduo mit dem Charaktermimen Ulrich Noethen am 14. und 15. Mai im Weltkulturerbe Völklinger Hütte vorstellen wird.

Ambitioniert all das, ohne Frage. Doch was passiert, naht ein weiterer Lockdown? Oder Konzerte bis dahin noch nicht zugelassen sind? Dann werde man streamen – und in den Herbst verlegen, was möglich ist. Denn die Macher haben das Festival klug zweitgeteilt. „Ursprünge II“ ist für Ende September (23. September bis Anfang Oktober“) geplant, wenn Veranstaltungen mit Publikum hoffentlich leichter möglich seien.

All das ist ein Kraftakt für das kleine Festivalteam. Und kündet von Wagemut. Aber nicht von Tollkühnheit. Nachdem man im Vorjahr der Pandemie wegen absagen musste, müsse man jetzt einfach Präsenz zeigen, unterstreicht Leonardy. Auch, um nicht in Vergessenheit zu geraten. Gerade nicht bei den Sponsoren. Neben dem starken Förderverein (aktuell knapp 1000 Mitglieder) und der zuletzt eher kargen öffentlichen Zuwendung sind Firmengelder die finanzielle Stütze des Saar-Festivals. „Die Sponsoren haben eigentlich durch die Bank siganlisiert, dass sie uns die Treue halten“, freut sich der Festspiel-Intendant. In Lockdown-Zeiten allerdings kam die so wichtige Sponsoren-Neuakquise fast zum Erliegen. „Alles, was man sonst machen kann, Konzerteinladungen etwa und persönliche Treffen, um Geldgeber von einem Festival zu überzeugen, geht gerade nicht“, so Leonardy. Auch die Fördervereinsarbeit ist stark beeinträchtig; Chancen für eine Mitgliedschaft zu werben, gibt es faktisch nicht.

Andererseits, und das hat sicher viele beeindruckt, hat das Musikfestspiel-Team trotz Corona-Zwängen viel geleistet. Bernhard Leonardy hat nicht bloß die entscheidenden Türen geöffnet, dass der Weltkünstler Gerhard Richter für die Tholeyer Abtei Kirchenfenster gestaltet hat – womit Tholey zum global beachteten Ort auf der Kunst-Landkarte wurde. Im Herbst lieferten die Musikfestspiele auch bei der Festmusik zur Wiedereröffnung der Abteikirche den entscheidenen Part – unter anderem mit Leonardy selbst an der Orgel. Aus seinen Improvisationen über die drei Richter-Fenster ist nun auch eine CD geworden. Das Festival hat aber auch finanzielle Unterstützung für von der Pandemie betroffene Musiker organisiert. Und nicht zuletzt hat die Saarbrücker Ideenschmiede Okinlab, die für ihre Kreationen aus Holz bekannt ist, einen „Naturlautsprecher“ aus Holz in Form der Saarschleife entwickelt: Musik auf dem Smartphone starten, Handy in den Lautsprecher stecken – und schon tönt’s passabel. Man hört’s und sieht’s: Die Musikfestpiele Saar haben sich durch die Pandemie ihre Kreativität nicht nehmen lassen.

      Ensemble Voces 8

Ensemble Voces 8

Foto: Kaupo Kikkas/Musikfestspiele Saar/kaupo kikkas
           Klingt auch ohne Strom: Das Saarbrücker Unternehmen Okinlab hat für die Musikfestspiele einen so genannten Naturlautsprecher fürs Smartphone entwickelt – natürlich in Form der Saarschleife.

Klingt auch ohne Strom: Das Saarbrücker Unternehmen Okinlab hat für die Musikfestspiele einen so genannten Naturlautsprecher fürs Smartphone entwickelt – natürlich in Form der Saarschleife.

Foto: Oliver Schwambach
 Festspiel-Intendant Bernhard Leonardy

Festspiel-Intendant Bernhard Leonardy

Foto: Thomas Reinhardt
 Eva Karolina Behr, Co-Leiterin der Musikfestspiele Saar

Eva Karolina Behr, Co-Leiterin der Musikfestspiele Saar

Foto: Eva Karolina Behr©Musikfestspiele Saar.jpg/Christian Hell
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