Ist der Online-Handel eine Rettung? Der Buchhandel in Zeiten der Corona-Krise

Saarbrücken · Die Corona-Krise bedroht auch den Buchhandel, durch die Ladenschließungen fällt das Ladengeschäft weg. Wie reagieren saarländische Buchhandlungen? Ist der Online-Handel eine Rettung? Oder nur eine minimale Hilfe in der Not?

  Ein Blick ins Schaufenster der Buchhandlung Raueiser in Saarbrücken, die wie alle anderen zurzeit geschlossen ist.

Ein Blick ins Schaufenster der Buchhandlung Raueiser in Saarbrücken, die wie alle anderen zurzeit geschlossen ist.

Foto: Tobias Keßler

Geschlossene Buchhandlungen, keine Kundschaft in den Läden – die Corona-Krise bedroht auch die Buchhandlungen. Wir haben uns bei saarländischen Buchhändlerinnen und Buchhändlern umgehört, wie sie mit der Krise umgehen und ob der Online-Handel eine Rettung bedeutet. Und was wird eigentlich in der Krise bevorzugt bestellt und gelesen?

Bei Bücher König in Neunkirchen haben sich die Online-Bestellungen verdreifacht, wie Inhaberin Anke Birk sagt. Die Buchhandlung bietet nicht erst seit Corona einen kostenlosen Bringdienst in Neunkirchen an, jetzt geht es auch über die Stadtgrenze hinaus, „so ökologisch sinnvoll wie möglich“. Die Kundenwünsche seien „nach wie vor sehr vielfältig. Wir verkaufen ‚1918 – Die Welt Im Fieber‘ von Laura Spinney, aber genauso gute Unterhaltung mit aktuellen Neuerscheinungen wie ‚Haus der Frauen’ von Laetitia Colombani.“ Die regionalen Bestseller seien aktuell der Krimi „Arabella“ von Klaus Brabänder, verlegt von der Edition Schaumberg, gefolgt von Lothar Quinkensteins „Wiesenzeit“ aus dem Röhrig Universitätsverlag und „Elsterbach“ von Hans Therre, erschienen bei Conte.  Der Onlinehandel kompensiert die Ausfälle durch die Schließung nicht, sagt Birk, „aber wir sind froh, dass wir überhaupt Umsätze haben und ausliefern beziehungsweise versenden können“, auch wenn das zeit- und kostenintensiver sei als das Ladengeschäft.

 „Etwa zehn Mal so hoch wie zu normalen Zeiten“ sei der Onlinehandel zurzeit, berichtet Ingrid Röder von der „Roten Zora“ in Merzig, die im Ort einen Bringservice anbietet, ansonsten die Bücher verschickt. Radikal geändert haben sich die Kundenwünsche nicht, „Dystopien sind ja schon länger en vogue. Und Krimis und Thriller haben wir immer schon gut verkauft, auch die Schwärzesten.“ Was mehr verlangt wird als sonst, seien Gartenbücher, „vor allem Gemüse und Obstanbau“ sowie „Kinder- und Jugendbücher, Beschäftigungsbücher und Lernmaterialien – und vor allem immer wieder Bücher zum Vorlesen. „Überraschenderweise“, sagt Röder scherzhaft, „haben wir noch kein einziges Nudelkochbuch verkauft, und auch unser Klorollenfiguren-Bastelbuch läuft nicht so recht.“

Ein wirklicher Ausgleich ist der Online-Handel nicht. „Er hilft, ist aber nur ein Bruchteil von unserem Ladenumsatz. Wir sind aber über die digitale Treue unserer Kunden sehr glücklich.“ Röders Meinung zum mächtigen Online-Konkurrenz Amazon ist deutlich. „Dass sie in einem kapitalistischen System gewinnmaximierend handeln, Steuern vermeiden, Verlage mit Knebelrabatten unter Druck setzen, ist erstmal systembedingt. Dass man das auch politisch anders gestalten kann, ist eine andere Sache. Steuervermeider zahlen zum Beispiel keine Krankenhäuser.  Auch das kann man aus der Coronakrise lernen.“ Amüsiert habe sie, „wie schnell  Amazon jetzt umgeschwenkt ist von Büchern auf Haushaltsartikel und Klopapier“.

Bei Bock & Seip in Saarbrücken, die teilweise auch selbst ausliefern,  sind die Online-Bestellungen zwar gestiegen, „können aber bisher den Ausfall nicht kompensieren“, sagt Geschäftsführerin Dörte Heinrich. Gefragt sind besonders „Klassiker wie Camus, aber vor allem spüren wir in den Bereichen Abituraufgaben, Schullektüren und Kinderbeschäftigung eine große Nachfrage.“ Trotz Schließung bietet auch Bock & Seip Beratung an, per Telefon, Mail, mit Onlineempfehlungen und Lesetipps bei YouTube.

Die Buchhandlung Drachenwinkel in Dillingen bietet neben Versand auch einen „Buchnotdienst“ an. „Am Laden haben wir eine Notfall-Klingel“, sagt Buchhändler Karsten Wolter, „Kunden können zu unseren normalen Geschäftszeiten klingeln und erhalten kontaktlos ihre Ware ausgehändigt“. Rechnungen kommen per mail, „so dass alles bargeldlos abgewickelt werden kann“. Eine Rettung ist der Online-Handel aber „leider nicht, da die Margen im Buchverkauf doch sehr gering sind und wir einen Großteil im Non-Book-Bereich durch Dekowaren etwa oder Spielzeug erwirtschaften“. Dass viele Menschen nicht wissen, dass Bücher überall gleich viel kosten und nicht etwa bei Amazon billiger sind, wundert Wolter bis heute. Aber in der Not erfreulich findet er, dass „uns aktuell Amazon noch den Gefallen tut und die Auslieferung von Büchern in der Priorität herabgestuft hat“ – ein Schnelligkeitsvorteil für die lokalen Buchhandlungen. Für Wolter eine „Chance in der Krise. Der Kunde hat diese Vorteile bei einer lokalen Bestellung und sichert so noch die Arbeitsplätze von Nachbarn und Freunden. Diese Chance für uns als lokalen Buchhandel müssen wir dringend nutzen und jetzt Kundinnen und Kunden gewinnen, um diese für die Zeit nach der Krise zu binden.“

Für Beatrice Schmitt von der Bücherhütte in Wadern ist „in dieser Zeit die Solidarität unserer Kunden wirklich großartig, wir erfahren viel Zuspruch und Unterstützung“. Die Zahl der Online-Bestellungen sei deutlich gestiegen, der Bringservice sei sehr beliebt „und auch extrem wichtig – unsere Kunden freuen sich sehr über den direkten Kontakt zu und mit uns“. Bei den Buchthemen hat sich nicht viel verändert, „viel Literatur zum Abtauchen in Bücherwelten, sowohl für Erwachsene als auch die Kinder. Und zum Vorlesen natürlich, ich glaube, da wird viel Zeit miteinander verbracht.“

Ein finanzieller Ausgleich ist Online nicht, „aber es tut sich was, wir sind da und bleiben erreichbar, keine Stagnation, das ist sehr, sehr gut!“ Eine Chance sieht Schmitt, wie viele Kolleginnen und Kollegen, darin, „dass ‚der große Onliner‘ in der momentanen Lage seinen Fokus und seine schnelle Lieferung lieber auf Dinge des täglichen Bedarfs legt als auf Bücher. Das macht auch wieder viele Menschen auf uns, die Geschäfte vor Ort mit Lieferservice und eigenen Onlineshops, aufmerksam.“

Ludwig Hofstätter von der Buchhandlung St. Johann in Saarbrücken bemerkt „eine starke Solidarität unserer Kunden. Kurz bevor wir die Buchhandlung hoffentlich nicht zu lange kurzfristig schließen mussten, haben sich viele Kunden einen Vorrat an Büchern angelegt, um über diese nicht kalkulierbare Zeit zu kommen. Dafür sind wir sehr dankbar.“ Bei den Bestellungen (auch Hofstätter bietet einen Bringservice an) seien „keine größeren apokalytischen Nuancen oder Heile-Welt-Strategien“ zu erkennen. „Sicher ist Camus‘ ‚Die Pest‘ durchaus ein interessanter Artikel, da medial viele – nicht zutreffende – Parallelen geschaffen wurden.“ Für Hofstätter kann der Online-Handel das ruhende Ladengeschäft „nicht annähernd“ auffangen, „die Buchhandlung lebt vom unmittelbaren Kontakt zum Kunden“.

Die Buchhandlung Raueiser in Saarbrücken hat „in Minibesetzung gut zu tun“, wie Geschäftsführer Kurt Hoffmann sagt. „Die Belegschaft ist in Kurzarbeit, meine Frau und ich versuchen die Aufgaben aus Kostengründen zu meistern.“ Sie fahren die Bestellungen im Stadtgebiet aus und verschicken ansonsten portofrei per Post. „Leider gehen Frühjahrsnovitäten sehr schlecht, da auch die abgesagte Leipziger Buchmesse viel für die ausgemacht hat.“  Überraschend niedrig sei aktuell die Nachfrage nach Band 3 von Hillary Mantels „Spiegel und Licht “, bestens laufe dagegen „Stern 111“ von Buchpreisträger Lutz Seiler. Zwar sei die Zahl der Onlinebestellungen erheblich gestiegen, sagt Hoffmann,  jedoch gebe es unterm Strich „ein großes Minus“.

Bei der Buchhandlung Balzert in Püttlingen wird der Online-Shop mit „Bücherboten“-Bringdienst „momentan wesentlich mehr frequentiert, als wir dachten“, sagt Christina Barbian.  Der Laden ist zwar geschlossen, zwischen 8 und 12 ist die Buchhandlung aber telefonisch zu erreichen, für Bestellungen und Beratung. Gefragt sind nicht zuletzt Bücher, die „Ablenkung und Beschäftigung der Kinder bieten, die ja den ganzen Tag zu Hause sind“, sagt Barbian. Der Onlinehandel ist finanziell kein Ersatz, „es ist für alle eine schwere Zeit voller Angst um Gesundheit und Existenz“.

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