Junge Kunst in Völklingen Die Völklinger Hütte als Zukunftslabor: Wie wollen wir künftig leben?

Völklingen/Saarbrücken · Weltkulturerbe Völklinger Hütte und die Hochschule der Bildenden Künste Saar setzen ihr Zukunftslabor fort – dieses Mal zu neuen Wohn- und Lebensformen. Von Samstag an kann frau und man sich in Völkllingen ein Bild davon machen.

 Im Völklinger Weltkulturerbe öffnet am Samstag das nächste Zukunftslabor: Dieses Mal unter dem Titel „Spekulative Nomaden“.

Im Völklinger Weltkulturerbe öffnet am Samstag das nächste Zukunftslabor: Dieses Mal unter dem Titel „Spekulative Nomaden“.

Foto: Weltkulturerbe Völklinger Hütte/Ralf Beil

Wie geht es weiter im postindustriellen Zeitalter? Mit dieser Frage beschäftigt sich das zweite „Future Lab“, das in der Völklinger Hütte von der Hochschule für Bildende Künste betrieben wird. Hatte sich das erste Zukunftslabor noch mit Themen wie Stadtentwicklung, Lebensmittelproduktion und Grenzterritorien auseinandergesetzt, soll es im zweiten mehr um aktuelle wie zukünftige Wohn-, Arbeits- und Lebensformen gehen.

Dazu haben die HBK-Studenten unter der Leitung von Professor Georg Winter die ehemalige Erzhalle in einen Laborraum umgestaltet – am Samstag wird dieser um 19 Uhr offiziell eröffnet. „Das ist die erste Vernissage, die ich hier erlebe“, sagte der Generaldirektor des Weltkulturerbes, Ralf Beil beim Pressetermin. Und das, obwohl er schon seit Mai 2020 im Amt ist. Winter und Beil führten die Pressevertreter durch die Halle, in der bis Samstag noch einiges aufgebaut wird, die aber auch schon viele der künstlerischen Arbeiten zeigte. So zum Beispiel ein alter Stiefel sowie eine Ledertasche, die Polina Trishkina mit Streusalz und Chemikalien bearbeitete, um sie einem Kristallisationsprozess auszusetzen. Damit will die Kunststudentin den Faktor Zeit greifbar machen.

Die Zeit spielt eine große Rolle im Future Lab, geht es doch schließlich um die Zukunft, die derzeit ja auch Thema von Demonstrationen junger Menschen ist. „Die Unsicherheit in Hinblick auf die Zukunft unserer Umgebung, unserer Gesellschaft und unseres Planeten ist in einer Drastik spürbar wie kaum zuvor.“ Auch wenn Beil und Winter das Wort Klimawandel nicht aussprachen, so hing es wie der sprichwörtliche Elefant im Raum.

„Wir wollen zu einem neuen Verhältnis zwischen Menschen, Tieren und Pflanzen“, sagte Winter etwa. Die Studentin Hyeon Su Jung zeigt im Labor beziehungsweise in der Ausstellung ein Video, in dem ihr Gesicht mit einer Software Tiergesichtern angeglichen wird. Ihre Kommilitonin Yining Tang wiederum verwendet für ihre Video-Installation Schwarzweiß-Aufnahmen einer alten Eisenbrücke, die von Tauben oder Spinnen belebt sind.

Neben ökologischen kommen auch feministische Ansätze im Future Lab zum Tragen, im wahrsten Sinne des Wortes: Die Tragetasche soll ja nach neuster Theorie eher das erste Werkzeug des Menschen gewesen sein, noch vor Faustkeil oder Axt. Winter selbst zeigte mit zwei Studentinnen eine kurze Performance, indem er sich eine Plastiktasche überstülpte und auf einer kleinen Bühne wälzte. Eine der beiden jungen Frauen setzte sich eine größere Tasche wie eine Schneckenhaus auf, während die andere in einem riesigen Plastikbeutel vollkommen verschwand und diesen bewegte, als sei er ein Hund.

Plastik in der Natur, Taschen als Tiere im Gegensatz zu Tieren als (Hand-)Taschen, so konnte man die kurze Performance interpretieren. Interessant auch der Ansatz der HBK-Dozentin Hyun Ju Do, die kleine weibliche Keramikfiguren an einer Stelle im Raum platziert hatte: Sie thematisieren das Schicksal von Zwangsarbeiterinnen in Form eines „Wanderdenkmals“ wie Winter erklärte. Dabei ginge es auch um den Aspekt, wie die vergangenen schrecklichen Zeit der jungen Generation vermittelt werden kann – „die Figuren können sie in die Hand nehmen.“

Studentin Tara Allinger hingegen habe ihren Wandteppichen das Thema der weiblichen Wut verarbeitet, sie sei mit voller Aggression in den Textilbereich gegangen, meinte Winter – zu erkennen wäre das ohne diese Vorinformation nicht gewesen.

„Spekulative Nomaden“ ist der Untertitel dieses zweiten Future Lab und bezieht sich auf zwei Aspekte: Jenen der Spekulation, also dem ergebnisoffenen Stellen von Fragen um gesellschaftliche Prozesse anzustoßen. Und jenem des Nomadentums: „Wir müssen uns jetzt bewegen im übertragenen Sinne“, sagte Winter und meinte damit wohl die Energiewende. Insgesamt machte der gesamte Raum den gewünschten Eindruck: Den eines Kunst-Laboratoriums, in dem an allen Ecken und Enden gewerkelt wird und in dem es überall etwas Neues zu entdecken gibt. Es soll den Besuchern des Weltkulturerbes offen stehen, man sole und könne sich auch daran beteiligen, so Beil. Geplant ist auch, die Bürger Völklingens mit einzubeziehen, dazu wird es künstlerische Aktionen im Stadtraum geben. Auch sollen Konzerte, Tanzaufführungen, Performances, Vorträge und Workshops im Future Lab stattfinden.

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