Sie sind längst TV-Stars Warum Hartmut Volle und Andrea Wolf jetzt ans Staatstheater zurückkehren

Saarbrücken · Das Saarbrücker Publikum ließ Andrea Wolf und Hartmut Volle einst ungern ziehen. Jetzt hat Intendant Bodo Busse das Schauspieler-Ehepaar wieder engagiert - als Gäste. Aber warum für eine Oper, für „Ariadne auf Naxos“?

 Hartmut Volle und Andrea Wolf  lernten sich 1991 im Ensemble des Saarländsichen Staatstheaters kennen, machten dann Fernsehkarrieren. Jetzt sind sie als Gäste zurück.

Hartmut Volle und Andrea Wolf  lernten sich 1991 im Ensemble des Saarländsichen Staatstheaters kennen, machten dann Fernsehkarrieren. Jetzt sind sie als Gäste zurück.

Foto: Iris Maria Maurer

Dass die Fernsehkamera Schauspielern mindestens fünf Kilo mehr auf die Hüften „zaubert“, ist bekannt. Aber macht sie auch alt? Wenn man Hartmut Volle oder Andrea Wolf in den vergangenen Jahren zufällig bei der „Soko Stuttgart“ oder bei „Bella Block“ sah, ertappte man sich beim Reflex: Mein Gott, wie lang ist das her, dass ihr hier in Saarbrücken auf der Bühne standet? Wir sind wohl alle ganz schön alt geworden. Wir? Jawohl. Dieses theatertypische „Familiengefühl“ stellt sich selbst zwischen Kulturjournalistin und Schauspielern ein, wenn die „Ära Schildknecht“ bei einem ersten Treffen nach rund 25 Jahren aufgerufen wird. 1997 verließen Volle und Wolf das Saarland. 1991 hatte Kurt Josef Schildknecht das Saarländische Staatstheater übernommen, und der neue Intendant brachte nicht nur einen unbändigen Willen zu Neustart und Erfolg mit, sondern engagierte auch ein Schauspielensemble, deren Mitglieder den Zuschauern von einst heute noch häufig begegnen – eben im Fernsehen –  wie etwa „Tatort“-Kommissar Harald Krassnitzer eben auch Volle, heute 68 Jahre alt, der 13 Jahre lang im saarländischen „Tatort“ mit ermittelte.

Die Ära von Kurt Josef Schildknecht

Er und Wolf – sie ist 63 – gehörten zu Schildknechts Startaufstellung. Viele kamen damals mit einer „Alles-muss-anders-und-besser-werden“-Kampfeslust, wollten den Musentempel künstlerisch durchrütteln. „Wir saßen nächtelang am St. Johanner Markt und diskutierten uns so laut die Köpfe heiß, dass die Anwohner schon mal was nach uns warfen“, erinnert sich Volle an den Volle von damals: von der 68er-Bewegung inspiriert, studierter Soziologe, proletarisch ausgebildeter Schreiner, politisch motivierter Bühnendarsteller.

Und heute? Freut ihn und seine Frau, die seit ihrem Weggang aus Saarbrücken 1997 nie mehr eine Festanstellung am Theater anstrebten, nichts mehr, als dass sie im guten alten Staatstheater-Betrieb noch vertraute, ja geliebte Arbeits- und Produktionsstrukturen vorfinden: ganzheitliche Arbeit im Team, die andere Talente aktiviert als das Drehen am Set. Das alte Neue hält munter.

Volle wird „Rentnercop“

Im Gespräch bestätigt sich der erste Eindruck, den die äußere Erscheinung des Paares auslöst: Mein Gott, sind die beiden schlank und lebendig geblieben! Warum bekommt Volle im Fernsehen dann immer nur die Ältere-Herren-Rolle? Dass er ab Oktober einer der beiden neuen „Rentnercops“-Lieblinge im Vorabendprogramm wird, mag zwar der Karriere-Sprung schlechthin sein, aber wirklich einleuchten will es nicht.

„Ariadne auf Naxos“ hat am 12. 9. Premiere

Über das Ausentwickeln einer Rolle, aktuell für die Premiere der Richard-Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“, redet sich Volle in jugendliche Begeisterung. Über die zwei „klugen Frauen“, das Regieteam Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka, die auf die Sinnsuche gehen: Was hat die Kunstform Oper heute noch mit den Menschen zu tun? Dafür wurde eine gänzlich neue Fassung des Vorspiels des 1912 erstmals aufgeführten Musiktheaterstücks verfasst, das Molière und Antike herbei zitiert und die Grenzen zwischen Schauspiel, Opéra Buffa und tragischer Oper zur Debatte stellt. Hugo von Hofmannsthal ist der Original-Librettist dieser sehr besonderen Oper über die Illusionsmaschine Theater. Die Figur des Haushofmeisters/Intendanten, die Volle übernimmt, wird in der Saarbrücker Version in zwei Rollen aufgesplittet. Hinzu tritt die Politikerin – Andrea Wolf –, so dass die Klingen gekreuzt werden zwischen Kunst und Finanzen, Kunst und Kulturpolitik.

Ausgezeichnet als Dorfrichter Adam

Volle freut sich auf die erste Irritation des Publikums, das zunächst seinem zehnminütigen Monolog zuhören muss, der Texte von Aristoteles, Schiller, Streeruwitz und Dürrenmatt kompiliert: „Da denken viele womöglich: Habe ich mich im Stück geirrt? Ich wollte doch in die Oper?!“ Der hohe intellektuelle Anspruch der Produktion löst bei Volle und Wolf spürbar Freude aus, bei ihm eine kindlich-vorwärtsstürmende: „Theater ist Heimat! Ich brauche das!“ Gerade hat er für seinen Dorfrichter Adam in Kleists „Zerbrochenem Krug“ bei den Festspielen in Hanau den Darstellerpreis bekommen – und ist stolz wie Bolle.

Andrea Wolf reüssiert als Malerin

Wolf formuliert generell zurückhaltender, nachdenklicher, zugleich wirkt sie messerscharf präsent. Die Entscheidung, dem Festengagement den Rücken zu kehren und weniger zu spielen und zu drehen als Volle, hing mit ihren zwei Kindern zusammen. Als Freie hatte sie die Freiheit, trotzdem als Hörspielsprecherin solide Fuß zu fassen. Auch ihr Studium am Institut für Kunstpädagogik in Frankfurt – übrigens bei einem Saarländer, bei Professor Till Neu – hätte sie als festangestellte Theaterschauspielerin nicht beginnen können. Heute ist für Wolf die Malerei ein weiteres stabiles ökonomisches Standbein.

„Wer sich nicht bewegt, spürt seine Ketten nicht“, meint Volle zur Lebensentscheidung, den Lebensmittelpunkt ab 1997 nach Frankfurt zu verlegen. Das hiesige Publikum hätte die beiden nur zu gern behalten, mutmaßlich wären sie heute Staatsschauspieler und unkündbar geworden. Das wäre auch ganz schön sein können, aber die beiden lieben nun mal „Frischluft“, sie fürchten Trägheit mehr als finanzielle Sorgen, die es natürlich gab und die dem gebürtigen Schwaben Volle immer wieder schwer beunruhigten.

Ein querschnittsgelähmter Sohn

„Die Herausforderungen haben mehr Kraft und Energie geschaffen als gekostet“, resümiert Andrea Wolf. Und meint damit womöglich auch das Schicksal, das die Familie 2012 durch einen Unfall von Sohn Max (26) traf. Max war unter Freunden, turnte auf einem Balkon herum, stürzte aus sechs Metern Höhe ab. Seitdem ist er querschnittsgelähmt, doch mehr noch beeinträchtigen ihn die schweren Kopfverletzungen, die epileptische Krämpfe auslösen. „Alle Versuche, ihn in die Selbsständigkeit zu bringen, sind fehl geschlagen“, sagt Volle. Nein, seinem Kind gehe es derzeit nicht gut. Darüber berichtet er sehr gefasst wie auch darüber, dass er manchmal Rotz und Wasser heult. Max ist den Saarländern nicht fremd. Als das Unglück noch ganz frisch und die Finanzmittel der Familie knapp waren, spendeten sie für ihn.

Wiedersehen mit SST-Mitarbeitern

Nie riss der Kontakt ins Saarland ganz ab. Volles Schwester war SST-Orchestermusikern. Und als der neue Intendant und Musiktheater-Fan Bodo Busse startete, stellt Volle sich ihm vor. Die Eintrittskarte war der Name von Volles „kleinem Bruder“, dem Bariton Michael Volle, der sich zwischen der Mailänder Scala und den Bayreuther Festspielen ganz oben in der Szene bewegt. So kam dann jetzt das „Ariadne“-Engagement zustande, das die beiden sichtlich froh stimmt. „Es ist ein Coming home“, sagt Wolf. Das Paar kennen noch viele Mitarbeiter der technischen Abteilungen, aus dem künstlerischen Ensemble sind außer Stefan Röttig und Algirdas Drevinskas alle bekannten Gesichter verschwunden. Wolf zitiert den typisch saarländischen Willkommensgruß bereits fast dialektfrei: „Ei sinn ihr a widder do?“ Antwort: Ei jo.

Ariadne auf Naxos: Premiere am 12.September, 18 Uhr, Im Großen Haus. Tickets: www.staatstheater.saarland/karten

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