Neuer Blick auf die Hütte Völklinger Hütte zeigt Verborgenes

Völklingen · Weniger Stellwände, mehr Arbeiterkultur: Nicht nur für die nächste Schau „Mon trésor – Europas Schatz im Saarland“ wird die Raumarchitektur der Gebläsehalle im Weltkulturerbe Völklinger Hütte verändert.

 Die Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte verändert ihr Gesicht und enthüllt lang Verborgenes: Generaldirektor Ralf Beil zeigt eine Kreidezeichnung des Fußball-WM-Maskottchens von 1970, Juanito (rechts). 

Die Gebläsehalle des Weltkulturerbes Völklinger Hütte verändert ihr Gesicht und enthüllt lang Verborgenes: Generaldirektor Ralf Beil zeigt eine Kreidezeichnung des Fußball-WM-Maskottchens von 1970, Juanito (rechts). 

Foto: Oliver Dietze

Fußballgraffiti aus den 70er Jahren, eine Hochzeit unter dem Lindenbaum in Zeiten von Corona und eine meterlange, zarte Blümchenmalerei im Angesicht von wuchtigen, eisernen Maschinen vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Da passt sie, die Floskel der bunten Mischung. Denn manchmal kommen verschiedene Geschichtsfäden, die auf den ersten Blick nicht mehr miteinander zu verbinden scheint als ihr Ursprung in derselben Region, an einem Ort zusammen, an dem sie sich zu einem neuen Gespinst alter Erinnerungen formen. So ein Ort soll das für das Saarland geschichtlich bedeutsame Weltkulturerbe Völklinger Hütte werden. Einmal mehr und ganz explizit, spätestens ab der nächsten Ausstellung, die unter dem Titel „Mon trésor – Europas Schatz im Saarland“ am 12. September eröffnet.

Gezeigt werden besondere archäologische, technische und künstlerische Objekte von der Antike bis heute aus dem Saarland und seinen Nachbarregionen. Es wird also geschichtlich, klar, und möglicherweise auch sehr persönlich. Das heißt, wenn Saarländer und Zugezogene mitspielen. Denn sie können einen Teil der Ausstellung mitgestalten, indem sie ein Foto von ihrem persönlichen Schatz beisteuern (siehe Infobox).

In Vorbereitung auf die Ausstellung und darüber hinaus wird sich die Raumarchitektur in der Gebläsehalle sukzessive merklich ändern. „Die Wände werden weniger, wir wollen die ästhetische Wirkung der Maschinen zeigen“, sagt Ralf Beil, neuer Generaldirektor, und deutet damit eine in Zukunft wohl luftiger wirkende Halle an. Weniger Einbauten, weniger Zerstückelung des großen Raumes in Abteile und keine Werbung mehr für Schauen in der Ausstellungsfläche selbst. „Das Faszinierende für mich ist, dass Technik und Funktionsweise der Halle so erklärt werden“, sagt Beil. Im Zuge des Abbaus von „Pharaonengold“ sind die Stellwände an den Außenmauern der Gebläsehalle entfernt worden. So ist schon jetzt, knapp drei Monate vor Eröffnung von „Mon trésor“, der Blick frei auf sonst meist verborgen Gebliebenes: die Maschinensteuerung mittels Lichtzeichen, eine „Telephon“-Zelle, Arbeiterspinde und ein einfarbiges, aufgemaltes Blumenband, das ein gutes Stück über Kopfhöhe die gesamte Halle umläuft. Und das gerade gesäubert und vor weiterer Abbröselung bewahrt wird. „Diese Schablonenmalerei ist typisch für die Zeit, sie verschönert die Halle und repräsentiert ein gutes, altes Handwerk“, erklärt Restauratorin Gabriele Raschke.

Weiter hinten hat sich ein Röchlingscher Stahlarbeiter mit einem Graffiti, das das Maskottchen der Fußball-WM 1970 in Mexiko, Juanito“ zeigt, verewigt. Auch ein Regal voller Ersatzteile, darin unter anderem riesige Zündkerzen und Dichtungsscheiben, zeugt nun wieder vom Alltag der Arbeiter. Damals, als die Gebläsemaschinen unter Höllenlärm noch Luft zu den Winderhitzern in die Hochöfen pumpten und Signale wie „Anfahren“ oder „Schieber drücken“ für die Arbeiter mittels Lichtsignalen ergehen mussten.

Während der Ausstellungen der vergangenen 20 Jahre waren diese Zeichen nicht sichtbar. So wird die Gebläsehalle zum Ort, an dem für die Wissenschaft wichtige Schätze, darunter bald regionale Pferdegräber aus der Merowingerzeit, gezeigt werden. Und an dem ihr vermeintlich profane Objekte gegenüberstehen, die Einzelnen aber viel bedeuten oder die individuelle Zeugen eines historischen Alltags sind. Die Gebläsehalle als Schatzkiste für diese Objekte, sie selbst, als Teil eines Industriedenkmals, wiederum ein Schatz der Großregion.

  Eugen Tigiser hat für die nächste Schau ein Foto von der Hochzeit seiner Tochter Mirjam eingeschickt – sein Schatz, weil es ihn emotional berührt. 

Eugen Tigiser hat für die nächste Schau ein Foto von der Hochzeit seiner Tochter Mirjam eingeschickt – sein Schatz, weil es ihn emotional berührt. 

Foto: Oliver Dietze

Der sukzessive Abbau eines Teils der Stellwände und Einbauten eröffnet in der Gebläsehalle auch andere neue Möglichkeiten. „Wenn eine große Videoinstallation gezeigt werden soll, dann ist der Raum schon frei“, erklärt Beil. Darüber hinaus plant er mehr Zusammenarbeiten mit anderen Häusern, nicht erst aufgrund der Corona-Pandemie. „Kooperation ist für mich nichts Neues, ist sehe das nicht als Zwang“, versichert er. Geplant sind Projekte mit der Hochschule für Musik Saar und mit dem Saarländischen Staatstheater, so sollen dessen Schauspieler und Tänzer an ein, zwei Terminen im August in kleinen Szenerien verschiedene Orte des gesamten Hüttengeländes bespielen. Eine Dynamik für die er dankbar sei. Auch die große Bühne der Gebläsehalle kann Beil sich öfter lebendig vorstellen. „Wir wollen die Bespielbarkeit, hier kann man auch gut tanzen“, schwärmt der neue Generaldirektor. Das große Stoffbanner an der Stirnseite der Bühne soll passend zum spartenoffeneren Ansatz keine Eigenwerbung mehr zeigen, sondern mehr Kunst – etwa Abzüge von „Mon trésor“-Fotos, wenn genug eingesandt werden.

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