Au Grès du Jazz Ungestüme Jazz-Klänge vor Mittelalterkulisse in La Petite Pierre

La Petite Pierre · Mit Fleiß, Geschick und Begeisterung lässt sich vieles richten. Das beweisen die emsigen Jazz-Enthusiasten in La Petite Pierre jedes Jahr mit ihrem stark besetzten und besonders stimmungsvollen Fest „Au Grès du Jazz“.

Seit 19 Jahren schon ist das Festival an der Schlossmauer ein Publikumsmagnet. Auf die meteorologischen Launen der Natur haben aber auch die Lützelsteiner Jazzmacher keinen Einfluss.

Der zweite Abend der Festival-Neuauflage gehörte den Trompetern und spannte einen weiten Bogen von der Modern-Jazz-Tradition bis zur Neuzeit. Zwei Konzerte mit sehr unterschiedlichen stilistischen Ansätzen hätten bereichernde Impulse und Genuss vermitteln können, aber die Wolken konnten das Wasser nicht halten.

Die ersten Konzert-Hälfte gehörte dem Römer Ricardo del Fra. Der 63 Jahre alte Bassist und sein sehr überzeugend agierendes Quintett bereiteten dem vor 31 Jahren verstorbenen Trompeten-Poeten Chet Baker ein swingendes Angedenken. Kaum einer wäre zu einem Chet-Baker-Tribute eher geeignet als Ricardo del Fra. Der hat jahrelang (ab 1979) mit Baker gespielt. Del Fras Würdigung des alten Weggefährten kam ganz ohne das Bemühen aus, Chet Bakers Phrasierungen und seinem Klangideal möglichst nahezukommen. Vielmehr nahmen sich der Bassist und seine großartigen Partner einige von Chets Lieblingssongs wie „But Not For Me“, „I‘m Old Fashioned“, „For All We Know“ und „Love For Sale“ vor und brachten sie auf das interpretatorische Level der Gegenwart. Große Momente schufen immer wieder der Trompeter Nicolas Folmer und der Altsaxophonist Pierrick Pedron. Chet Baker hätte wohl seine Freude gehabt.

Mit dem Anspruch, den Jazz zu neuen Ufern führen zu wollen, tritt Christian Scott an. Der Trompeter aus New Orleans setzte mit seiner ungestüm lärmig zu Werke gehenden Band einen Kontrapunkt zu der kultivierten Jazz-Tradition eines Ricardo del Fra. Der zweite Teil auf der nunmehr fast regenfreien Place Jerri Hans ließ mit krachenden Beats und donnerndem Bass-Gewummer den musikalischen Zeitgeist lichterloh aufflammen. Der 36-jährige Shooting-Star legte mit seinen großspurigen, prätentiösen Ansagen die Messlatte für sich und seine Partner hoch. Keine Frage, die Musiker beherrschen ihre Instrumente.

Wenn der selbsternannte Innovator aber das Rad neu erfinden will und dabei die Speichen benutzt, die Miles Davis, John Coltrane oder auch Tony Williams schon vor Jahrzehnten geformt haben, dann wirft das die Frage auf: Ist dieser Christian Scott wirklich der Messias, der dem Jazz neue Dimensionen eröffnet? Sei‘s drum! Der Sound, den Scott „Stretch Music“ nennt, kam in La Petite Pierre gut an. So ist das halt: Wenn‘s laut oder schnell wird, stehen die Fans Kopf.

Au Grès du Jazz hält noch bis Sonntag (18.8.) einige Attraktionen bereit: u.a. zwei Superpianisten am Donnerstag, den 15.8. (Laurent Coulondre und Harold López-Nussa), Franck Wolf und die Count Basie Band (16.8.) und zum Abschluss der Gitarrist Titi Robin (18.8.).

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