Ulrich Tukur in der Kongresshalle in Saarbrücken Und beim nächsten Mal? Ein Kochbuch

Saarbrücken · Ulrich Tukur hat am Sonntagmorgen in Saarbrücken aus seinem Roman „Ursprung der Welt“ gelesen – und sein Publikum beeindruckt.

 Gut aufgelegt: Ulrich Tukur am Sonntagmorgen in der Congresshalle in Saarbrücken.

Gut aufgelegt: Ulrich Tukur am Sonntagmorgen in der Congresshalle in Saarbrücken.

Foto: Oliver Dietze

Erst jüngst gewährte Ulrich Tukur (62) im sehenswerten Arte-Porträt „Der Schauspieler Ulrich Tukur. Träumer und Sucher“ Einblicke in sein Schaffen. Tukur, vielen bekannt als Wiesbadener „Tatort“-Kommissar Felix Murot, ist ein kunstbeflissener Tausendsassa, der sein Leben der Theater- und Film- Schauspielerei und Musik – sowie eben auch der Schriftstellerei – widmet. Dass Literaturkritiker wie Elke Heidenreich „schreibenden Schauspielern das Handwerk legen wollen und man den Kopf geföhnt bekommt, wenn man ihn zum Fenster rausstreckt“, kontert Tukur gelassen: „Das ist das Problem, wenn man zu viel kann und was macht.“ Viele Sympathiebekundungen sind für diese Spitze in der gut besuchten Congresshalle zu vernehmen. „Die Congresshalle haben wir extra ausgewählt, weil Sie das Altmodische lieben“, feixt SR2-Redakteurin Tilla Fuchs im Gespräch vor der Lesung, in dem Tukur Hintergründe und die Entstehung „dieses merkwürdigen Buches“ erläutert.

Tukur, eingeladen von der Buchhandlung Raueiser, ist gut aufgelegt und stellt erstmal klar: „Malen kann ich nicht.“ Und: „Der Hass ist das Schlimmste, was es gibt. Wir sollten das Schöne hochhalten und nicht alles so wahnsinnig ernst nehmen.“ Mit rhetorischer Finesse gibt er in Altenglisch Shakespeares Diktum „We are such stuff as dreams are made on, and our little life is rounded with a sleep“ zum Besten, bevor er mit humorvollen Aperçus zu lesen beginnt.

In seinem jüngsten Roman „Ursprung der Welt“ – in Anlehnung an Gustave Courbets bekanntes Gemälde –  behandelt er dennoch, durchaus ernst auf zwei Zeitebenen (1943 und 2033), die Fallstricke der abgründigen Geschichte Europas. Dafür schickt er seinen feinfühligen, bibliophilen Protagonisten, den jungen Deutschen Paul Goullet, nach Paris im Jahr 2033. In dystopischer Manier zeichnet er ein von Unruhen, Extremismus, Überwachung und durch die Ermordung des türkischen Präsidenten – Tukur hält geheimnisheischend den Zeigerfinger vor den Mund und erntet dafür Lacher – ausgelösten Gewaltausbrüchen zerfallendes Europa. „Junger Mann, was tun Sie hier, warum reisen Sie in dieser schrecklichen Zeit durch unser Land?“, wird Goullet auf seiner Reise wiederholt gefragt.

Die Antwort ist so einfach wie kompliziert: Goullet stößt zufällig in einem Fotoalbum aus den 20er Jahren auf Bilder von einem Mann, die ihn selbst zu zeigen scheinen. Davon ergriffen begibt sich Goullet auf die Fährte seines Doppelgängers, die ihn auf die Fluchtroute von Banyuls-sur-Mer nach Port Bou führt, wo sich Walter Benjamin umbrachte, weil er kein Visum hatte und keinen Ausweg mehr sah. Tukur leuchtet die Abgründe europäischer Geschichte anhand janusköpfiger Personen wie Dr. Marcel Petio aus: Der französische Arzt versprach, 60 Menschen zur Flucht zu verhelfen, raubte sie aber stattdessen aus und tötete sie, wofür er 1946 hingerichtet wurde. Goullets Doppelgänger ist in diese Machenschaften verstrickt, in der sich die Zeitebenen in assoziativ-fantastischer Weise überlagern. Dieses Gewirr aufzulösen ist kein leichtes, aber dennoch lohnendes Unterfangen, so der Tenor der Besucher. Was kommt als nächstes? „Vielleicht ein Buch über Rezepte, die ich mag. Kochbuch heißt das, richtig?“, so Tukur. Wir dürfen gespannt sein.

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