Primeurs-Bühnenfestival Wer darf mit auf den rettenden Gipfel, wenn die Welle kommt?

Saarbrücken · „Verdammt, ich habe den Teller aus den Augen verloren“, sagt Letizia, und dann geht das Licht aus. Stille macht sich in der Alten Feuerwache breit, bis eine kundige Zuhörerin das verdutzte Publikum mit forciertem Klatschen aus der Lethargie reißt und alle applaudieren.

  Schauspielerin Marina Frenk beim „Primeurs“-Festival.

Schauspielerin Marina Frenk beim „Primeurs“-Festival.

Foto: Astrid Karger/SST/Astrid Karger

In gut 50 Minuten Live-Hörspiel zur Mitte des „Primeurs“-Festivals des Saarländischen Staatstheaters ergingen sich die beiden Protagonisten Letizia und Mateo in beredten Dialogen über das Schicksal unseres Planeten, um den es bekanntermaßen nicht zum Besten bestellt ist. Obwohl die französische Autorin Alice Zeniter (Jahrgang 1986) in ihrem Stück „Quand viendra la vague“ – die deutsche Übersetzung besorgte Frank Weigand – quasi auf der von Greta Thunberg ausgelösten Welle mitsurft, wäre es verkürzt, das Stück darauf zu reduzieren. Denn die beiden Inselbewohner Letizia und Mateo sind ein Liebespaar, das im Angesicht der Gefahr einer drohenden Riesenwelle nicht nur das Schicksal der Erde, sondern die Fallstricke ihrer langjährigen Beziehung in einer Offenheit verhandelt, die sich in ihrer facettenreichen Ausgestaltung durchaus authentisch ausnimmt. Und ganz nebenher immer wieder die Frage nach der Moral stellt.

Diese sich in wortreichen Kaskaden ergießende – und von den beiden Schauspielern Marina Frenk und Florian Steffens bravourös vorgetragene – Nabelschau liefert immer wieder Anlässe zum Lachen und Schmunzeln. Wie in den Vorjahren hat die in Berlin lebende Regisseurin Anouscka Trocker mit ihrer Inszenierung feines Gespür bewiesen. Geschickt greift sie Zenites Impulse auf, aber drängt den Hörern keine endgültige Deutung auf, sondern breitet ein offenes Netz aus vielen Narrationen aus, die ihr Mann Seby Ciucina mit subtilen Musik- und Geräuscheinlagen untermalt und somit immer wieder den Zauber der Liebenden einzufangen weiß, ohne in kitschige Betroffenheit abzudriften.

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