Kammermusiktage Homburg Homburger Kammermusiktage wollen’s wissen

Homburg · Die Homburger Kammermusiktage stehen vor einem Jubiläum, ihrer stolzen 25. Ausgabe. Viel wichtiger aber: Sie finden statt – vom 27. September bis 30. Oktober. Die Veranstalter sind guten Mutes, dass ihnen Corona keinen Strich durch die Rechnung machen wird.

 Zusammen sind sie das Vogler Quartett, auch wenn nur einer wirklich Vogler heißt: Primarius Tim Vogler (r.) mit Frank Reinecke (Geige, 2. v.r.), Stefan Fehlandt (Viola, 3.v.r.) und Stephan Forck (Cello). Seit 18 Jahren verantworten sie das Programm der Homburger Kammermusiktage.

Zusammen sind sie das Vogler Quartett, auch wenn nur einer wirklich Vogler heißt: Primarius Tim Vogler (r.) mit Frank Reinecke (Geige, 2. v.r.), Stefan Fehlandt (Viola, 3.v.r.) und Stephan Forck (Cello). Seit 18 Jahren verantworten sie das Programm der Homburger Kammermusiktage.

Foto: Marco Borggreve

„Nichts geht über live!“ haben sie auf ihr üppiges Festivalmagazin gedruckt. Samt Ausrufezeichen. Recht so! In diesen coronösen Zeiten, da das Virus auch die Kultur in die Knie zwingt, es Absagen hagelt, Künstler um ihre Existenz bangen, lässt sich daraus Bekenntnis-Charakter ablesen. Klar, ist es ja mal ganz nett, darf man via Stream ins Wohnzimmer einer Operndiva oder eines Starpianisten hineinlugen und -lauschen. Doch was ist das gegen ein wirkliches Konzert? Wenn ein satter Cellostrich einem nicht nur die Trommelfelle rührt, sondern auch in den Bauch fährt, Musik eben ganz und gar spürbar wird. Deswegen müssen es die Macher der „Internationalen Kammermusiktage“ nun einfach wagen. Trotz Absage-Risiko. „Wir gehen davon aus, dass unsere Konzerte normal stattfinden können“, sagt Gisela Wälder von den Kammermusikfreunden Saar-Pfalz, dem Rückgrat der Homburger Festivalwoche.

Dieses Mal ist es sogar von Vorteil, dass bei Kammerkonzerten Besucher gemeinhin eher in Dutzenden denn in Hundertern gezählt werden. Und man in Homburg zugleich viel Platz hat. Bei der Vierteljahrhundert-Ausgabe vom 27. September bis 3. Oktober wird meist der Saalbau Konzertort sein. „Aktuell“, sagt Wälder, „lässt die Stadt Homburg dort bis zu 180 Besucher zu.“ Der Raum sei groß genug, „dass man die Stühle mit ausreichend Abstand verteilen kann“. Am besten kaufe man die Karten schon im Vorverkauf oder via Internet, bittet Wälder. Damit seien Namen und Adressen schon erfasst, wie derzeit nötig, – und das Kammermusiktage-Team kann die Stühle entsprechend rücken. Dennoch werde es auch eine Abendkasse geben, verspricht Wälder.

Trotz all der Zuversicht bleibt ausgerechnet die Jubiläumsausgabe jedoch ein Va-banque-Spiel. „Doch gerade jetzt, wo es für viele Musiker so schwierig ist, wollen wir die Kammermusiktage unbedingt machen“, meint Gisela Wälder. Dabei geht es nicht allein um Honorare, sondern auch um das, was Künstler genauso nötig brauchen: auftreten können, die Interaktion mit ihrem Publikum. In der Musikwoche nimmt das traditionell einen starken Part ein: Konzerte für Kinder, musikalische Begegnungen in Schulen, mögliche Scheu vor Klassik in Interesse, ja Begeisterung wenden. Eben das ist dieses Mal gar nicht so leicht. Aber auch hier helfe am 30. September, wenn bei „Klein trifft Groß“ Schüler der Grundschule Bruchhof auf das renommierte Vogler Quartett treffen, dass der Saalbau das Abstandwahren erleichtert.

Rund 50 000 Euro kostet jedes Mal so eine Woche voller Musik. Damit will und muss dann alles bezahlt sein: Gagen, Fahrtkosten, Übernachtungen, Bewirtung, Werbung und, und, und, – für immerhin sieben Konzerte dieses Jahr. Dagegen stehen ein paar kleinere Zuschüsse, Eintrittserlöse, die Beiträge der 110 Mitglieder zählenden Kammermusikfreunde – und vor allem deren unerschöpflicher Enthusiasmus.

Die Herzkammer des Festivals aber ist das Vogler Quartett. Vor 35 Jahren gegründet spross es zunächst noch als Ost-Berliner Gewächs. Längst jedoch haben sich Tim Vogler (Geige), Frank Reinecke (Geige), Stefan Fehlandt (Bratsche) und Stephan Forck (Cello) in der ganzen Welt einen wohlklingenden Ruf erspielt – und in Homburg seit 2002 eine zweite Heimat gefunden. Im Grunde mischt das Quartett, so ist es Brauch, bei den meisten Terminen mit, sind die Musiker immer präsent. So wie es eben aussehen sollte, wenn von artists in residence die Rede ist, Auftritte aber auch Begegnungen mit den Künstlern möglich sind. Zudem lädt das Vogler Quartett Jahr für Jahr neue, interessante Kolleginnen und Kollegen ein. Engagierte Musikvermittlung ist dann ein weiterer Baustein der Musikwoche. So funktioniert das Homburger Modell hoch effizient: Die Voglers konzipieren das Programm, nutzen dabei auch ihre guten, ins Musikleben weit verzweigten Kontakte – und die Kammermusikfreunde stemmen das Drumherum.

Klar, kann 2020 nur der Jubilar des Jahres das Thema liefern: Beethoven. Tatsächlich, gute 200 Jahre alt ist seine Musik, doch immer wieder tönt sie verblüffend modern. Auch in der Kammermusik enteilte er seiner Zeit oft kühn. Vier Streichquartette, die Große Fuge, die ja auch einer Quartett-Idee entsprungen ist, und das Es-Dur Septett wird man in Homburg hören. Unter „Alles Neunte!“ machen sich Stefan Malzew, Hannes Richter und Winfried Holzenkamp überdies auch musikalisch/literarisch in die emotionale Welt des Großkomponisten auf. Dieser war zwischen Freiheitsstürmen in einer um ihn herum noch reichlich absolutistischen Welt, seinen Liebesnöten und seinem frühem Versinken in der Taubheit, ja wohl ein ziemlicher Gefühlswirbelwind.

 Die frühere Saarbrücker Horn-Professorin Sibylle Mahni spielt am 2. Oktober in Homburg.

Die frühere Saarbrücker Horn-Professorin Sibylle Mahni spielt am 2. Oktober in Homburg.

Foto: Anna Meurer
 Pianist Oliver Triendl ist am 3. Oktober beim Abschlusskonzert in Homburg zu Gast.

Pianist Oliver Triendl ist am 3. Oktober beim Abschlusskonzert in Homburg zu Gast.

Foto: Wild und leise/wild und leise

Doch auch prägende Komponisten unserer Tage, Zender und Schnittke, finden ihren Platz im Programm. Und das französische Ensemble „Le concert dans l’oeuf“ dreht die Zeit gar fast zurück – die kleine Anspielung muss erlaubt sein – bis zum Eisprung der heutigen Notennotation und spannt den Bogen von der Spätrenaissance bis ins 20. Jahrhundert. Dabei könnte es mehr als interessant sein, den letztlich zeitlosen Beethoven als Referenz im Ohr zu behalten.

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