Premiere im Staatstheater „Future World“ beim Tanzfestival Saar: Wenn Androiden mit Seele tanzen

Saarbrücken · Der zweiteilige Abend „Future World“ eröffnet heute mit einer Produktion von Ballettdirektor Stijn Celis das Tanzfestival Saar.

  Als künstliche Wesen erforschen die Tänzer in „Clara“ die Nähe von echtem Mensch und unbelebter Technik.

Als künstliche Wesen erforschen die Tänzer in „Clara“ die Nähe von echtem Mensch und unbelebter Technik.

Foto: SST/Bettina Stoess

Ist die künstliche Intelligenz wirklich so trennscharf vom Menschen aus Fleisch und Blut zu unterscheiden? Diese Frage stellte nicht erst Philip K. Dick, als er 1968 seinen Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ veröffentlichte, der später, als „Blade Runner“ adaptiert, auch richtungsweisend für die filmische Science Fiction wurde. Mehr als ein Jahrhundert vor ihm beschäftigten sich Mary Shelley und E.T.A. Hoffmann mit dem menschlichen Funken in der künstlich erschaffenen Kreatur. Und an diesem Donnerstag kommt das Thema mit dem zweiteiligen Tanzabend „Future World“ auch auf die große Hausbühne des Saarländischen Staatstheaters, wo es gleichzeitig das Tanzfestival Saar eröffnet.

„Wir sind der Technologie ausgeliefert. Sie ist eine Bewegung, ein Schicksal, aber auch die Zukunft“, erklärt Stijn Celis. Der Direktor des Saarländischen Staatsballetts und Künstlerische Leiter des Festivals hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, um eine tänzerische Auseinandersetzung zu führen. Das Ergebnis seiner und der Arbeit der Tänzer und Bühnenkreativen ist das neue Stück „Clara“, das an diesem Donnerstag mit dem 2014 entstandenen Ballett „Liedgut“ von Richard Siegal aufgeführt wird.

Quintessenz für „Clara“ war, ein Bewegungsvokabular für Menschen und Maschinen zu schaffen. „Ich habe mich von Motiven aus E.T.A. Hoffmanns ,Der Sandmann‘ inspirieren lassen“, erklärt Celis und fügt an, „im Team haben wir auch viel über Androiden diskutiert und Filme wie ,Blade Runner‘ und ,Ex Machina‘ geschaut.“ Von der ursprünglichen Idee, ein Handlungsballett über Hoffmanns Hauptfiguren Nathanael, Clara und Dr. Coppelius zu kreieren, ist Celis zugunsten der Verlagerung des Augenmerks auf die weibliche Hauptfigur abgerückt.

Gleichwohl spielen Roboter und ihre Bewegungen eine entscheidende Rolle, wenn die Charaktere das Wahre und das Künstliche unterscheiden müssen. Eine der Hauptfiguren tanzt Alexandra Christian, die die Rolle der Clara übernommen hat. „Sie ist die Menschlichste unter ihnen, ihre Bewegungen sind flüssiger und organischer, und nicht repetitiv oder steif“, erklärt Christian, die auf der Bühne auch ein Duett mit einem männlichen Tänzer aufführen wird. „Clara kann tiefere Gefühle wie Liebe, Einsamkeit und Traurigkeit empfinden“, sagt sie über ihre Rolle.

Um den Gefühlskonflikt zwischen Mensch und Maschine optisch umzusetzen, treten die Tänzer in Kostümen auf, die in ihrer Gestaltung an Leiterplatten für einen Computerchip erinnern. „Ich habe diese technischen Schemata vergrößert und so auf die Kostüme übertragen, dass sie sich mit der Anatomie der Tänzer decken“, sagt Laura Theiss, die für die Einteiler verantwortlich zeichnet. Hergestellt wurden die Kostüme im Winter von dem italienischen Textilhaus Bond Factory in Chieti, wo man mit modernen Fasern und 3-D-Druck hauptsächlich für Modehäuser arbeitet. So sind die Kostüme eine transparente Mischung von hautfarbener Hülle und leuchtendem Technikdesign. „Wir gehen ja auch der Frage nach, wie sich die menschliche Vorstellung von Robotern über die Jahrzehnte verändert hat“, sagt Theiss zu den das Scheinwerferlicht reflektierenden Hüllen.

„Future World“ mit „Clara“, Uraufführung, und „Liedgut“: Heute, 19.30 Uhr, Saarländisches Staatstheater, danach Premierenfeier im Mittelfoyer.

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