Gouvy-Jubiläum Mit Männerchor auf Komponisten-Schatzsuche

Hombourg-Haut · Polizist und begeisterter Sänger – vielleicht sogar die ideale Kombination, wenn man einem fast vergessenen Komponisten nachspürt. Sylvain Teutsch macht das seit über 30 Jahren und hat dafür gesorgt, dass zum 200. Geburtstag wieder viele über Théodore Gouvy reden.

 Ein Leben für Théodore Gouvy: Sylvain Teutsch war mal Polizist. Als der passionierte Männerchor-Sänger aber erfuhr, dass Théodore Gouvy früher in seinem Heimatort Hombourg-Haut lebte, setzte er alles daran, den vor 200 Jahren in Saarbrücken geborenen Komponisten wieder bekannt zu machen. Heute leitet Teutsch das Institut Gouvy in Hombourg-Haut, in dessen Räumen er hier gerade steht.

Ein Leben für Théodore Gouvy: Sylvain Teutsch war mal Polizist. Als der passionierte Männerchor-Sänger aber erfuhr, dass Théodore Gouvy früher in seinem Heimatort Hombourg-Haut lebte, setzte er alles daran, den vor 200 Jahren in Saarbrücken geborenen Komponisten wieder bekannt zu machen. Heute leitet Teutsch das Institut Gouvy in Hombourg-Haut, in dessen Räumen er hier gerade steht.

Foto: Silvia Buss

Sylvain Teutsch winkt mit einem Computer-Ausdruck und strahlt. Neueste Nachrichten aus Spanien: Der staatliche Klassiksender Radio Clásica widmet Louis Théodore Gouvy zum 200. Geburtstag eine Reihe von 15 Radiosendungen. „Ich habe es ausgerechnet, das sind genau 14 Stunden 49 Minuten Gouvy“, sagt Teutsch. Seit über 30 Jahren engagiert sich der Musikliebhaber und leidenschaftliche Chorsänger aus Hombourg-Haut dafür, dem Komponisten Gouvy zur Renaissance zu verhelfen.

Der französische Industriellensohn Gouvy, der am 3. Juli 1819 in Saarbrücken Schafbrücke (damals Goffontaine) mit preußischer Nationalität zur Welt kam und von 1868 an in der Villa seines Bruders in Hombourg-Haut lebte, wenn er nicht gerade zwischen Paris und Leipzig unterwegs war, geriet nach seinem Tod 1898 schnell und nach Ansicht von Teutsch viel zu lange in Vergessenheit. Auch Teutsch selbst „entdeckte“ diesen Grenzgänger zwischen deutscher und französischer Kultur erst spät. Als Anfang der 1980er Jahre ein Musikstudent eigens aus Paris angereist kam, um Gouvys Grab in Hombourg-Haut zu besuchen, und der auch noch eine Doktorarbeit über ihn schrieb, wurde Teutsch hellhörig, begann zu recherchieren und staunte. Ein Mann, der so tolle Sinfonien komponiert hat, mit den berühmtesten Komponisten seiner Zeit befreundet war, soll in diesem kleinen Ort gelebt haben?

Als Präsident des örtlichen Männerchors überzeugte Teutsch zunächst seine Kollegen, Gouvy ein Festival zu widmen und gewann Jacques Houttmann, den damaligen Chefdirigenten der Philharmonie de Lorraine, als Mitstreiter. Seinen Anfang nahm das Festival 1990 mit der Aufführung der Sinfonietta. Doch schon da hatte Teutsch ein größeres Werk im Sinn: Gouvys Requiem. Die Aufführung dieses Meisterwerks brachte 1993 in Hombourg-Haut, in der Saarbrücker Congresshalle, dem Metzer Arsenal und dem Luxemburger Theater das Gouvy-Revival richtig in Gang, aber die Noten dazu mussten erst mal wieder aufgetrieben werden. Der heutige 70-Jährige Teutsch, damals noch im Polizeidienst, setzte Himmel und Hölle in Bewegung – und fand es schließlich in Gouvys Nachlass bei Nachfahren der weit verzweigten Familie auf deren Dachboden in Nancy.

Es zeigte sich: Das Requiem existierte nur als Manuskript und mehr noch, nur 90 Werke von Gouvys Gesamtschaffen waren bis dahin überhaupt veröffentlicht worden. Gerade mal die Hälfte des Gesamtwerks, das – nach heutigem Stand – 24 Werke für großes Orchester, darunter neun Sinfonien, sowie zahlreiche weltliche und geistliche Werke umfasst.

Teutsch erkannte: Um all diese Schätze zu heben, brauchte es mehr als einen Männerchor. Also scharte er Musikspezialisten um sich und gründete 1995 das „Institut Théodore Gouvy“. Von der einstigen Familienvilla aus, in der Gouvy lebte, kümmert er sich seitdem unermüdlich darum, das Werk des Komponisten zu erschließen, zu verzeichnen und zu verlegen sowie wissenschaftliche Forschung, Aufführungen und CD-Einspielungen anzuregen. „Mit unserer kleinen Struktur von rund fünf Aktiven haben wir eine Riesenarbeit erbracht“, sagt Teutsch stolz.

Um die 50 CD-Einspielungen verschiedenster Orchester, Chöre und Labels liegen inzwischen vor. „Nach der dritten, vierten CD ging es richtig los, wir bekamen Anfragen aus aller Welt“, erzählt der Instituts-Präsident. Eines der Highlights war für Teutsch die Förderung durch das Zentrum für französische romantische Musik Palazzetto Bru Zane, das Gouvy-Werke in Venedig feierte und aufnahm. Ebenso freut er sich aber auch über die Kooperation mit dem Saarland, allen voran mit der Deutschen Radiophilharmonie (DRP) und mit dem Chorleiter und Musikwissenschaftler Joachim Fontaine, der für seine intensive Beschäftigung mit Gouvy zum Ehrenmitglied des Gouvy-Instituts ernannt wurde.

Denn auch wenn Théodore Gouvy unbedingt Franzose sein wollte, so war er doch auch deutsch geprägt und gehört für Teutsch zum gemeinsamen kulturellen Erbe der Grenzregion. Anhand der Familie Gouvy, die Stahlschmieden in Schafbrücke, Hombourg-Haut und Dieulouard (bei Nancy) betrieb, und deren Urahn von König Ludwig XV. zum Oberbürgermeister von Saarlouis ernannt wurde, könne man die wechselvolle Geschichte der Region bis ins kleinste Detail erklären, sagt Teutsch. Was er im Institut, das auch ein Museum ist, bei Besuchen von Schulklassen auch macht.

In diesem Jubliäumsjahr aber geht es nur um die Musik. Insgesamt sechs Konzerte veranstaltet das Institut, dazu im November ein Symposium in Paris. Die Gemeinde Hombourg-Haut ehrt Gouvy zudem am 4. Juli mit einer Statue, einem Spazierweg und schmückt die Verkehrskreisel mit Pianos. Und ständig erhält Teutsch neue Gouvy-Meldungen, nicht nur aus Spanien. In mehreren Regionen Frankreichs, Europas, ja sogar in USA, Kanada, Brasilien, Japan, Südkorea und China gibt es Gouvy-Konzerte. Teutsch lächelt. „Das ist schon verrückt.“

Geburtstagskonzert am 4. Juli, 20 Uhr, in der Église Collégiale St. Étienne, Hombourg-Haut. Mit dem Orchestre National de Metz unter Jacques Mercier und dem Collegium Vocale (Blieskastel) und der Choeur du Conservatoire d‘Esch sur Alzette sowie den Solisten Claudia Moulin, Algirdas Drevinskas und Vinzenz Haab. Karten: Tourismus-Büro Freyming Merlebach, Telefon: (00 33) 3 87 90 53 53

 Die alte Villa Gouvy in Hombourg-Haut, in der sich heute im oberen Stockwerk auch das Institut Gouvy befindet.

Die alte Villa Gouvy in Hombourg-Haut, in der sich heute im oberen Stockwerk auch das Institut Gouvy befindet.

Foto: Silvia Buss
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