Saarländisches Staatstheater eröffnet die Saison Liebgewonnenes Theater-Spektakel

Saarbrücken · Das Saar-Staatstheater feierte sein traditionelles Theaterfest drinnen und draußen. Nicht nur die Sonne strahlte zur Spielzeiteröffnung.

  Sopranistin Valda Wilson singt unter freiem Himmel vor dem Staatstheater, begleitet vom Staatsorchester unter der Leitung von Sébastien Rouland.

Sopranistin Valda Wilson singt unter freiem Himmel vor dem Staatstheater, begleitet vom Staatsorchester unter der Leitung von Sébastien Rouland.

Foto: Kerstin Krämer

Sonntagnachmittag, Landwehrplatz. Dietmar Blumes Handy klingelt. „Hallo. Was? Nee, keine Sirene. Das ist das Staatstheater.“ Die Frage an den künstlerischen Leiter des Theaters im Viertel galt dem durchdringenden Synthesizer-Heulen, das von der Bühne vor der Alten Feuerwache schallt. Es gehört zur Show des „Instituts für simpeltestesteste Utopien“, bei der die Schauspieler Sue Franz und Michael Wischniowski Fragebögen an Passanten verteilen. Wer dieses Basisprogramm an „einsteigerfreundlichen, moralischen Streckübungen“ absolviert habe, verspricht eine Stimme vom Band, der habe „etwas mehr Utopie integriert“ – und das sei nur der Auftakt zu einer „Transformation, die ungeahnte Möglichkeiten eröffnet“. Abgefragt werden unter anderem Positionen zu Umwelt und Nachhaltigkeit.

Das zukunftsweisende Spektakel wiederum gehört zum mittlerweile traditionellen Theaterfest des Saarländischen Staatstheaters, das mit unzähligen kostenlosen Appetithäppchen Lust auf die kommenden Premieren sämtlicher Sparten macht – außerdem läuten zahlreiche Interviews und Mitmach-Aktionen die neue Spielzeit ein. Längst sind als Anrainer der Alten Feuerwache auch das Theater im Viertel (TiV) und die Musikschule der Landeshauptstadt beteiligt; die Außenbühne wird gemeinsam mit Musik bestückt. Auch das Theaterschiff Maria-Helena ist – aquatisch passend – involviert, mit auf junges Publikum ausgerichteten Kostproben zur Produktion „Die kleine Meerjungfrau“, dem diesjährigen Weihnachtsmärchen des SST. Abends zieht auch die Sparte4 in der Eisenbahnstraße nach, mit dem Musical „Melodien für Millionen“ und einer After-Show-Party, bei der mehrere DJs auflegen, bis die Sparte kracht.

Während Generalintendant Bodo Busse das Fest um 15 Uhr auf dem Tbilisser Platz eröffnet, gibt Schauspieldirektorin Bettina Bruinier gleichzeitig den Startschuss auf dem Landwehrplatz. Dort herrscht drinnen in der Alten Feuerwache ein fliegender Wechsel aus Musiktheater, Ballett und Schauspiel; zum Auftakt serviert der SST-Kinderchor Kostproben aus der kommenden Märchenoper „Die arabische Prinzessin“. Ein kesser Knabe aus Chorreihen moderiert, das Publikum schnauft in der stickigen Wärme. Luft! Auf dem Weg zum Staatstheater trifft man allerlei bizarr geschminkte und kostümierte Gestalten und die Theaterkutsche: Sie fährt, begleitet von zwei attraktiven Rokoko-Damen, als Shuttle für Besucher, denen vom Hin- und Her-Pendeln die Socken qualmen. Statt dessen schmauchen auf dem heißen Asphalt der Bleichstraße bald die Rossäpfel in der Sonne.

Auf dem Vorplatz des SST ist das Mitmach-Konzert just zu Ende. Einem Saxofonisten wird anerkennend die Schulter getätschelt: „Haste doch prima hingekriegt!“ Drinnen wie draußen das gleiche Bild: ein heilloses Gedränge, teilweise kommt man kaum durch. Auf der Bühne des Großen Hauses jagt eine Attraktion die nächste, zur offenen Chorprobe etwa muss man sich regelrecht hineinquetschen. Auch in den Foyers steppt der Bär: Im Mittelfoyer wird zu Tango und Lindy Hop geschwoft; im Schillerfoyer nehmen SST-Mitarbeiter auf dem Roten Sofa Platz, um sich und ihre Berufe vorzustellen. Und das Saarfoyer hat sich in ein Wiener Café Amadeus verwandelt, wo man sich die gleichnamige Kugel aus der Confiserie Schubert geben kann. In entsprechendem Aufzug und Puderperücke gibt Intendant Bodo Busse höchstpersönlich das Wolferl und liest (am Klavier begleitet von Martin Straubel) aufgekratzt aus Mozarts Briefen – auch aus dessen nicht eben jugendfreien „Bäsle-Briefen“. Die fäkalhumoristischen Schriften leitet Busse jeweils händereibend mit einem sardonischen Lächeln ein: „Sind Kinder anwesend?“ fragt er lauernd.

Draußen versteigert wie jedes Jahr der gut gelaunte Kostümdirektor Markus Maas erfolgreich ausrangierte Bühnenklamotten, und abends erreichen Stimmung und Andrang ihren Höhepunkt: Beim feierlichen Promenadenkonzert mit Staatsorchester und GesangssolistInnen läuft der Platz über vor Menschen. Auch die Alte Brücke droht unter den Zuschauermassen schier einzustürzen. Auf der Bühne: ein schwelgerisches Hitprogramm, moderiert von Bodo Busse und dirigiert von Generalmusikdirektor Sébastien Rouland. Große Gefühle, die sich im abschließenden Feuerwerk entladen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort